Band der Woche: Lisa Holic

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Statt ewig gleicher Akkord-Kombinationen und weichgespülten Singer-Songwriter-Abenden hat Lisa Holic sich für eine Loop-Station entschieden, bei der sie sich beliebig vervielfachen kann und so nach Lust und Laune zwischen Duo, Hip-Hop-Produzentin samt Rapperin und A-Cappella hin- und herwechselt.

Wer keine Mitmusiker findet – oder keine möchte –, und dennoch die alleinige Kontrolle über die Musik behalten will, dem bleibt oft nur der Griff zur Akustik-Gitarre. Und da wird dann Akkord an Akkord gereiht, obwohl sämtliche Akkord-Kombinationen bei den vielen Singer-Songwriter-Abenden, in den Fußgängerzonen oder im Englischen Garten schon einmal benutzt wurden. Kaum ein Genre ist so abgegrast, in kaum einem anderen Genre braucht es derartig gute musikalische Einfälle und außergewöhnliches Talent, um halbwegs herauszustechen aus der Gewöhnlichkeit. Lisa Holic ist da nicht der Typ dafür. Weder für das Blumenmädchen, das singend die Annäherung an Joni Mitchell sucht. Noch der Surfer-Typ, der im Gedanken an Jack Johnson gute Laune verbreiten möchte. Trotzdem ist Lisa Holic eine Art Songwriterin geworden. Doch zum Glück fiel ihr ein Weg ein, alleine Musik zu machen, sogar die obligatorische Akustik-Gitarre zu benutzen und trotzdem keines der Klischees zu bedienen, die bei den Open-Stage-Sessions lebendig werden.

Lisa Holic ist vielmehr ihre eigene Band. Mittels Loop-Station vervielfacht sich die Münchnerin beliebig zu einem Duo, zu einer Hip-Hop-Produzentin samt Rapperin, zu einem DJ, der Gitarrentöne sampelt oder zum A-Cappella-Projekt. Doch Lisa besitzt nicht nur das Rhythmusgefühl, das man unbedingt haben sollte, sobald man sich einer Loop-Station nähert, weil die kleinste Unregelmäßigkeit den schönsten Flow des Gesamtklangs zerrüttet. Sie hat zudem noch wenig Interesse an Zurückhaltung, Geschlechterbildern oder vermeintlichen Pop-Trends. Genau deswegen gelingt ihr Musik, die tatsächlich neu und erfrischend klingt: sowohl in Münchens Songwriter-Szene als auch in der Hip-Hop-Szene, in Münchens Beatboxer-Riege genauso wie bei Song- oder Poetry-Slams.

Musik macht Lisa schon länger. Doch erst, seit sie diese ziemlich einmalige Mischung aus absurder und in Pop-Deutschland mittlerweile völlig vergessener Tic-Tac-Toe-Rotzigkeit und kluger Wortspielerei aus ernsthaftem Anliegen und herabblickendem Phrasen-Benutzen gefunden hat, steigt die Aufmerksamkeit um sie. Verdient. Und als Songwriterin, singend an der Akustikgitarre mit den üblichen Akkordfolgen, habe sie sich eh nie ganz wohl gefühlt: „Obwohl ich faktisch seit jeher ein Singer-Songwriter war, hat mich dieses Genre nie erfüllt“, sagt sie. Sie sei mit Hip-Hop aufgewachsen, mit Musik und Beats, die sich eher an der oberen Tempo-Grenze bewegen als im Mid-Tempo-Geschunkel. Zudem sei die Textdichte ihrer Lieder schon immer ein bisschen viel für einen Gitarrensong gewesen. Also hat sie vor etwa eineinhalb Jahren begonnen, sich mit der Bauweise von Hip-Hop-Songs zu beschäftigen; und diese Erkenntnisse klug auf ihre Songwriter-Fähigkeiten umgeschlagen. Über eine Internetplattform besorgte sie sich einen Lehrer, der ihr die Grundlagen von Loop-Stations und Beatboxing beibrachte.

Im Sommer steht nun die Veröffentlichung einer EP mit ihren Loop-Stücken an. Auf ihrer Soundcloud-Seite bekommt man einen Eindruck ihrer Entwicklung: Da gibt es auch noch Stücke mit Akustik-Gitarre, etwa „Grüne Männchen“. Der Text ist zwar hier schon rotzig gerappt vorgetragen und die Gitarre eher samplehaft als schrammelnd-schunkelnd, doch erst in der neuen Version von „Gin und Pharmazeutika“ oder dem sich jenseits vieler Grenzen breitmachenden „Wörterejakulat“ zeigt sie, welche Kraft ihre selbstbezeichnete „Ghetto-Lyrik“ über Beat-Box-Beats erfährt. Beats, die sie selbst singt und loopt und die eben zugleich nach weicher menschlicher Stimme und knallhartem Macho-Geballere klingen.

Foto: Okan Sayan

Von: Rita Argauer