In der Reihe „Unikate“ stellen wir in loser Folge Studentinnen und Studenten vor, die spannende Abschlussarbeiten geschrieben haben. Heute: Max Singer, 26, untersuchte die Wahrnehmung des Islams.
Fromm und züchtig, aber auch brutal, ungebildet und gewalttätig. So sehen heute einige Menschen Muslime. Und das taten sie auch in Süddeutschland im 17. Jahrhundert. Das ergaben Recherchen von Max Singer, 26, Anfang 2020 für seine Masterarbeit „Die Wahrnehmung des Islam in Nürnberger, Augsburger und Münchner Drucken des 17. Jahrhunderts“. Quellen aus dem 17. Jahrhundert zeichnen zumindest ein diffamierendes und oberflächliches Bild von Muslimen und dem Islam.
Im Zuge seiner Nachforschungen wühlte sich Max mithilfe von Programmen für Textanalyse durch insgesamt 303 000 Titel und versuchte herauszulesen, wie die Menschen des 17. Jahrhunderts in den Städten Nürnberg, München und Augsburg über den Islam und Muslime dachten. Sein Fazit nach mehr als 10 000 Seiten Text: überwiegend negativ. Mit nur wenigen Ausnahmen. Etwa, was die aktuelle Debatte über Frauen und das Tragen von Kopftüchern betrifft. Dies wird im 17. Jahrhundert noch als Ausdruck von Züchtigkeit durchweg positiv bewertet. Und eine weitere Erkenntnis: Die Situation im 17. Jahrhundert gleicht der heutigen. „Für viele Menschen hat der Islam wieder einen Bedrohungscharakter“, sagt der Geschichtsstudent.
Im 17. Jahrhundert rührte diese Wahrnehmung von der militärischen Bedrohung des Osmanischen Reiches für Mitteleuropa und eines falschen Verständnisses des Koran und des Islam her. „Mit dem Zurückdrängen der Osmanen aus Ungarn, der Ausdehnung der Kolonialimperien und der vertieften Erforschung des Orients veränderte sich das Kräftegleichgewicht zwischen dem Westen und der islamischen Welt“, sagt er. „Heute jedoch gibt es wieder verstärkt das Denken, dass wir uns mit dem Islam in einem Konflikt der Kulturen befinden“, erklärt er. Die Umstände haben sich also verändert, aber die Situation gleicht der heutigen. In der von Max untersuchten Publizistik finden sich ähnliche negative Konnotationen, wie sie heute mitunter von bestimmten politischen Gruppen verwendet werden. Eine Stimmung, gegen die Max zwar nicht explizit anschreibt, die aber mit den Anstoß gab, sich überhaupt mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Das Spannende an der Arbeit ist eigentlich, „dass sie die Menschen zum Nachdenken bringt“, sagt er. Auch Max hat dieser Blick in die Vergangenheit beeinflusst: „Ich habe gemerkt, was für eine große Rolle solche Fragen nach Wahrnehmungen spielen, weil sie unser Bild auch heute bestimmen oder erweitern können.“
Von Laurens Greschat