Zehn junge Fotografinnen und Fotografen treffen auf zehn junge Menschen mit Bühnenerfahrung.
Das Ergebnis: „10 im Quadrat Volume 3“ – eine Ausstellung der Junge-Leute-Seite im Farbenladen des Feierwerks. Hier im Porträt: Fotografin Arr Hart
Ein kleiner Tisch mit bunten Farbdosen steht neben Alina Hartwig, 24, die sich als Fotografin Arr Hart nennt. Sie tunkt ihren befeuchteten Zeigefinger in die Dose mit der roten Farbe und beginnt lange Linien auf die Stirn von Nick Reimann zu malen. Sie geht einen Schritt zurück. Es folgt ein langer Blick, Stille. Nach einem ausgedehnten Moment des Betrachtens wird die Linie verlängert – bis unter das Auge und über den Haaransatz hinaus. „Sonst sieht es so klinisch aus“, sagt sie. Und ja, es ist ein kleiner Unterschied, der einen großen Effekt hat: Die Bemalung geht über die Grenzen von Nicks Gesicht hinaus, sie wird zu seiner Rüstung.
Nach welchem Prinzip sie bei der Bemalung der Models für ihre Fotos vorgeht, kann Alina nicht sagen. „Das mache ich instinktiv“, sagt sie. Je nachdem, wie sie die Models im ausgiebigen Vorgespräch erlebt. Bei Nick hat das eine Stunde gedauert, manchmal dauert es aber auch zwei Stunden.
Zufällig ist die Bemalung. Fest steht aber, dass jedes Model eine Maske bekommt. Alina, die im abschließenden Semester Regie an der „Medienakademie München“ studiert, weiß aus langjähriger Erfahrung, dass die Bemalung ein Weg ist, die natürliche Unsicherheit vor der Kamera abzulegen. Bereits 2013 entstand das erste Foto dieser Art. Aus einem Impuls heraus bemalte sie eine gute Freundin. Während der anschließenden Aufnahmen verhielt sich das Model dann selbstsicherer, wie verwandelt. Das Porträt von damals zeigt eine junge Frau, die mit starrem und selbstbewusstem Blick in die Kamera schaut – das Gesicht umrahmt von feuerrotem Haar und bemalt mit schwarzen Strichen und Mustern. Seit dieser Entdeckung greift Alina des öfteren auf dieses Mittel zurück. „Wann es gerade passt“, sagt Alina. Sie probiert gerne aus.
Durch Testen und Probieren hat sie sich ihr Wissen über Fotografie angeeignet. Und diesen Freiraum, dieses „Ausprobieren und Nicht-abliefern-müssen“ will sie sich auch behalten. Deshalb hat Alina nie einen Workshop oder eine Hochschule für Fotografie besucht. Sie kann sich auch nicht vorstellen, das Hobby zum Beruf zu machen. Seit die Autodidaktin noch als Kind durch ihren Vater, einen Hobbyfotografen, mit der Kamera in Berührung kam, probiert sie verschiedene Formen der visuellen Künste aus. So reihen sich in ihrem Zimmer die unterschiedlichsten Fotos und Kunstwerke aneinander: analoge Aufnahmen von Wäldern, Bleistiftzeichnungen von Menschen oder eine Großaufnahme einer scheinbar schlafenden Frau, der Alina nach der Entwicklung der Aufnahmen, durch das Auftragen von Farben einen 3-D-Effekt verlieh.
Und genau das macht sie auch mit den Aufnahmen von Nick und den anderen zehn Models. Es entsteht ein Porträt, das wenig Farbe zeigt, außer der auf der Haut. Das lenkt die Aufmerksamkeit auf die Person. Dann folgt die zweite Ebene, die Farbe auf der Fotografie. Es entsteht ein Objekt aus zwei Formen der visuellen Kunst, das durch den 3-D-Effekt den Betrachter auffordert, genau hinzuschauen.
Text: Larissa Kahr
Foto: Arr Hart
Alle Informationen zur Ausstellung gibt es hier