Zu dir oder zu mir

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Im Fernsehen zeigen Sendungen stets, wie harmonisch es doch ist, wenn Pärchen das erste Mal in eine gemeinsame Wohnung ziehen. Die Realität aber ist ganz anders. Mit Romantik hat der Umzug nämlich meist gar nichts zu tun.

Im Vormittagsfernsehen läuft seit Jahren eine Sendung namens „Unsere erste gemeinsame Wohnung“, in der man Pärchen dabei zusehen kann, wie sie dauerturtelnd Immobilien besichtigen, beziehen und in abwegigen Farben streichen. Natürlich ist es eine unglaublich öde Sendung, aber ab 38 Grad Fieber wird sie ertragbar. Ja, auf Kranke wirkt sie sogar sehr beruhigend, weil jede Folge eine kleine Märchenstunde ist: Keine Schlangen bei den Besichtigungen der einzig bezahlbaren Wohnungen, niemand bekommt zwischendurch kalte Füße – und am Abend des Einzugstags ist die neue Wohnung bereits fertig eingerichtet und dekoriert.

Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umschaue, verläuft Zusammenziehen selten so idealtypisch romantisch. Oft steckt dahinter die nüchterne Erkenntnis: „Du hängst eh die meiste Zeit bei mir rum, da kannst du auch gleich einziehen.“ Dann wird noch eine Kommode mitgebracht und in die Ecke gequetscht und das war es. Kurz und praktisch. Und geldsparend. Wirklich? Okay, ich gebe zu: Stoff für rührseliges Unterhaltungsfernsehen ist das nicht.

Zusammenzuziehen ist eben einfach keine harmonische Sache. Klar, zusammen zu wohnen kann es durchaus sein, aber auf dem Weg dorthin muss erst einmal ausdiskutiert werden, wessen Sofa mit in die neue Wohnung darf, und ob die Überraschungseierfigurensammlung in die Wohnzimmervitrine oder den Müll gehört. Regeln müssen her: Dass Sebastian keine Stofftiere in Gemüseform mehr kaufen darf zum Beispiel. Von der Bestimmung erzählt er mir, während wir im Möbelladen Ausschau nach dem lila Kunstrasen halten, den sich seine Freundin für den Balkon wünscht. Ich finde ja, dass lila Kunstrasen viel dringender reguliert werden müsste als Gemüsekuscheltiere, halte mich aber zurück. Für eine Wohnung können schon zwei Meinungen viel zu viele sein – im wahren Leben sind Zusammenzüge eben alles andere als nervenberuhigend. Viel anstrengender kann die Sache eigentlich nur werden, wenn man dabei von einem Fernsehteam beobachtet wird, das Dauerverliebtheit und eine Fertigstellung der Raumdekoration vor Feierabend verlangt.

Von Susanne Krause