Zeichen der Freundschaft: Nervensäge

Gemeinsame Erlebnisse schweißen zusammen, besonders, wenn man gemeinsam auf Reisen geht und zusammen dem australischen Outback trotzt. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”. 

Manchmal bin ich genervt von dir. Sehr sogar. Das
liegt an meiner geringen Toleranz im Umgang mit anderen Menschen und daran,
dass du eine unerschütterliche Frohnatur bist. Fast wären wir deshalb auch
keine Freunde geworden. Doch dann kam alles anders: Nach unserem gemeinsamen
Praktikum bei der einzigen deutschen Wochenzeitung in Australien sind wir zwei
Wochen die Great Ocean Road in Australien entlang gefahren. Wir haben jede
Nacht nebeneinander im Auto geschlafen und Grimms Märchen neu erfunden, haben
im Supermarkt an der Self-Service-Kasse beschissen – du ohne mit der Wimper zu
zucken, ich immer mit schlechtem Gewissen – haben im Outback statt Wasser nur
Bier und Milch im Gepäck gehabt, haben mit diesem warmen Bier Flunky Ball
gespielt und Postkarten geschrieben ohne Briefmarken drauf zu kleben. Du kleine
Romane, ich eine große Randnotiz. Die Postkarten kamen immer an. Und im
Hintergrund lief immer unser Lied: Rettung
von Kettcar.

Manchmal wurden wir danach gefragt, ob es in den
zwei Wochen unserer Reise nie einen Moment gab, in denen wir leicht angedudelt
vom Bier mehr sein wollten, als nur Freunde. Auch auf die Gefahr hin, es danach
zu bereuen. Aber so einen Moment gab es nie. Wir mussten nie eine imaginäre
Grenze ziehen. Und vielleicht ist es deshalb so entspannt zwischen uns: Weil
wir nie über das Geschlecht des jeweils anderen nachdenken mussten. Wir konnten
immer einfach nur Mensch sein. Und du als Mensch darfst mich sogar manchmal
nerven.

Von: Jacqueline Lang

Foto: Yunus Hutterer