Zeichen der Freundschaft: Die Alten

image

Jeder Ton, den sie gemeinsam singen, verbindet sie ein Stück mehr. Und wenn die andere beim Singen einmal nicht da ist, fühlt es sich an, als wäre der Ton nicht richtig. Ein neuer Beitrag aus der Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Sie boxt mich in die Seite. Ich muss lachen. Habe ich doch
glatt die Alt-Stimme nach unten oktaviert, das fällt mir allerdings erst bei
dem freundlichen Seitenhieb ein, den mir Marie gibt. Auch sie muss ein Lachen
unterdrücken.

Seit der Schulzeit singen wir zusammen im Chor:
Unterstufenchor, Mittelstufenchor, Kammerchor und auch jetzt an der Uni stehen
wir zusammen in der Alt-Stimme, bei den „Alten“ wie unser Chorleiter immer zu
sagen pflegt. Auch darüber mussten wir wegen der Mehrdeutigkeit schon des
Öfteren schmunzeln. Wir sind die einzigen, die in diesem Chor nicht Musik
studieren. Aber wir haben mindestens genauso viel Liebe zur Musik und zum
Singen. Fehlt sie, habe ich immer das Gefühl, es fehlt etwas. Nicht weil ich
alleine nicht singen kann oder gar immer eine Oktave zu tief bin, aber irgendwie
ist es etwas anderes. Einer von uns hat immer den Ton und so haben wir uns
bisher durch jedes Barock- oder Jazzstück, durch jede klassische und moderne
Musik und sogar durch Opern gesungen.

In der fünften Klasse haben wir uns kennengelernt. Zugegeben
gleich zu Beginn hatten wir noch verschiedene Freundeskreise. Doch es hat nicht
lange gedauert und wir hatten mit unserer Mädels-Clique immer das begehrte
Sechserzimmer im Schullandheim. Später haben wir zusammen Abitur gemacht,
fuhren auf Abi-Fahrt, auf Ski-Hütten, waren auf Musik-Festivals, auf Konzerten,
Tanzen, haben zusammen gelacht und geweint.

Ich kenne kaum jemanden, der so unumstößlich positiv und
entspannt ist. Entspannt heißt aber nicht faul. Sie kämpft für das, was sie
erreichen will und ist ehrgeizig. Sie hat immer ein Lächeln auf den Lippen, und
liebt es zu singen und zu tanzen. Und das kann sie: Wenn sie tanzt, macht es
einfach Spaß zuzusehen. Einfach, weil sie ein Talent dafür hat und man ihr die
Freude daran ansieht. Und es gibt niemanden, mit dem ich so gerne tanze – zu
Musik natürlich. Und das ist es, was uns verbindet: die Musik, egal ob getanzt
oder gesungen. Und dann ist da natürlich das gemeinsame Singen: Seit der
fünften Klasse stehen wir, mit kleineren Unterbrechungen, immer nebeneinander in der Alt-Stimme. Habe ich den Ton nicht,
findet sie ihn und findet sie die richtige Note mal nicht, singe ich ihn ihr
von der Seite ins Ohr. Wie im Chor ergänzen wir uns auch in unserer Freundschaft
immer. Auch deshalb fühlt es sich so seltsam halb an, alleine im Chor zu
stehen. Als wüsste man, welche Note man singen muss. Aber den richtigen Klang
bekommt sie eben nur, wenn wir zusammen sind.

Von: Stephanie Albinger

Foto: Yunus Hutterer