Während draußen zeitenweise die Welt mit dem Untergang droht, trotzen die Musiker von Flonoton dem großen Unwetter. Und siehe da: während der anschließenden Diskussionsrunde mit Münchner Bloggern kommt schon wieder die Sonne hervor.
“Ich
wollte neue Leute kennenlernen.” Das antwortet Vera Flück wie aus der
Pistole geschossen auf die Frage, warum sie denn als Model für die “10 im
Quadrat”-Ausstellung zugesagt habe. Genau dieser Wunsch scheint in
Erfüllung gegangen zu sein. Models und Fotografen begrüßen und verabschieden
sich mit Umarmung, stehen in den Pausen des Rahmenprogramms wie alte Freunde im
Kreis vor der Tür des Farbenladens.
Dabei
ist es keine Selbstverständlichkeit, bei solch einem fotografischen Experiment
mitzumachen. Denn zur Fotografie gehört auch die Aktfotografie. Und sich nackt
vor der Kamera zu präsentieren ist nicht jedermanns Sache. Vor allem bei
Models, die es normalerweise nicht gewöhnt sind, vor der Kamera zu posieren.
Das
weiß auch Amelie Satzger. Für ihr Projekt hat sie die Fotos der zehn Models zu
einem großen Gesamtkunstwerk zusammengebastelt. “Ich wollte schon immer
ein Gruppenbild machen”, sagt die Fotografin, die sich abseits der
Ausstellung meist selbst porträtiert. So entstand das Wimmelbild, auf dem man
die Models nackt schlafend eingehüllt in Teppiche sieht. “Ich habe alle
gefragt, wie weit sie gehen wollen”, antwortet Amelie, als sie Moderatorin
Katharina Hartinger fragt, wie sie die Models an das Thema Nacktheit
herangeführt hat. Wollte ein Model bestimmte Körperteile nicht zeigen, wurden
diese eben von einem Teppich verdeckt. Model Mona Vojacek Koper honoriert diese
Herangehensweise. Sie habe genau gewusst, was sie beim Shooting erwartet,
“ich fand das sehr ästhetisch, ich habe Amelie vertraut”.
Während
die Künstler sprechen, gewittert es. Weltuntergangsstimmung, Erinnerungen an
Alisha Gamischs Geschichte vom Vortag kommen auf. Der Platzregen wäre
Singer-Songwriter Flonoton beinahe zum Verhängnis geworden. Nur noch halbwegs
trocken schafft er es in den Farbenladen. Doch als wäre nichts gewesen, steht
er im nächsten Moment schon auf der Bühne und singt fröhliche, dem Hip Hop
ähnliche Songs gepaart mit leisen Herzschmerz-Balladen – und das komplett
akustisch.
Unterstützt
wird er dabei von Sängerin Ama Pola und dem “trommelnden Tobi” an der
Cajon. In familiärer Atmosphäre unterhält er sich zuerst mit seiner Band, dann
mit dem Publikum, dann wieder mit seiner Band – und widmet selbiger gleich
darauf sogar ein Lied. Es ist eins der fröhlicheren.
Als
die letzten Töne von Flonotons Gitarre verklingen, beginnt zum Abschluss des
Programms eine Gesprächsrunde. Auf Bierkästen in Halbkreis sitzend stellen sich
sechs Münchner Blogger und Moderatorin Katharina Hartinger die Frage
“München, bist du so lahm oder tust du nur so?”. Eine Frage, die
unter jungen Münchner Kunstschaffenden in letzter Zeit zum heißen Thema
geworden ist, spätestens seit der Inhaber des Plattenlabels “Schamoni
Musik” die Stadt München für ihr uncooles Image verklagt hat.
Und
als sei es Leidthema Nummer eins, beginnt auch die Diskussion der Münchner
Blogger direkt mit dem Thema “Musik”. “Seit das Atomic Café
geschlossen hat, sind Konzerte sehr unpersönlich”, kritisiert Itje
Kleinert, Autorin des Musikblogs “Tuneart”. Und auch in der Szene der
elektronischen Musik hinkt München hinterher. Zwar gehöre München zu den
Keimzellen elektronischer Musik, so Sascha Walk vom “Blog in Orange”,
doch das “ist schon eine Weile her. Die Clubs haben sich nicht in die
Breite entwickelt. Die Clubbetreiber spielen immer noch die gleiche Musik wie
vor 20 Jahren”, ergänzt Yana Matrosova vom TunefulBlog, “Konzepte,
die in ganz Deutschland etabliert sind, werden in München abgelehnt.”
Andere
Blogger hingegen sehen das Problem nicht bei den Kunstschaffenden, sondern bei
den Münchnern selbst. Regina Bruckschlögl vom Munichmag kritisiert:
“Münchner müssen ein bisschen mehr rausgehen. Subkultur nutzt nichts, wenn
keiner hingeht”, und Nadine Miller von Untypisch München fordert:
“München muss offener sein”.
Ein
bisschen mehr Offenheit wünscht sich auch Sascha Walk. Er bemerkt eine starke
Fragmentierung Münchens in verschiedene Interessensgruppen, “deshalb sieht
man auch immer wieder die gleichen Leute”. Eine Grüppchenbildung
beobachtet auch Nina Vogl. “Leute stehen drauf, wenn’s um ihr Viertel
geht”, sagt sie. Das sei anders als in Hamburg oder Berlin, wo es auch
Ableger ihres Blogs “Mit Vergnügen” gibt.
Doch
die Blogger sehen auch gute Seiten an München. Als Subkultur-Förderer fallen
Namen wie das Feierwerk, die Milla, das Container Collective am Ostbahnhof und
das Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft, das von der Stadt selbst
initiiert wurde. Auch lobt Nadine Miller: “München macht mit der
Zwischennutzung viel Gutes, das muss man den Leuten hoch anrechnen”.
Und
auch als in der Schlussrunde die Frage “Wenn Freunde zu dir nach München
kommen, wohin nimmst du sie mit?” im Raum steht, fällt jedem der Blogger
sofort etwas ein, worauf er an seiner Stadt stolz ist. “München hat eine
schizophrene Persönlichkeit”, meint Sascha Walk. An der Oberfläche sieht
man nur die Schickeria, “aber München kann viel mehr. Doch das versteckt
sich”.
Text und Fotos: Max Mumme