Wer will schon Handwerken

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Die meisten von uns haben sich beim Auszug Grundkenntnisse im Kochen, Putzen und teils sogar Nähen angeeignet. Das handwerkliche Know-How geht jedoch oft nicht über das Einschlagen von Nägeln hinaus. Das ist ein Fehler…

Wegwerfen ist out. Der Trend geht zum Reparieren. Es gibt Repair-Cafés, wo man bei Tee und Gebäck gemütlich zusammensitzt und an Fahrrädern und Toastern herumschraubt. Ich halte das für eine sehr schöne Idee. Allerdings bin ich skeptisch, ob Repair-Cafés in unserer Generation so schnell einen Trend ablösen, der in den Medien sehr viel weniger Beachtung findet, obwohl er sich gar nicht so stark davon unterscheidet. Auch während Papa am Fahrrad oder Toaster herumschraubt, ist Raum für Tee und Gebäck sowie gemütliches Herumsitzen.

Die meisten von uns haben sich beim Auszug Grundkenntnisse im Kochen, Putzen und teils sogar Nähen angeeignet. Das handwerkliche Know-How geht jedoch oft nicht über das Einschlagen von Nägeln hinaus. Ohne Papa mit seinem kiloschweren Werkzeugkasten, seiner Schlagbohrmaschine und dem Fahrradreparatur-Kit hätten viele von uns weder Wandregale noch verkehrstüchtige Mountainbikes. Neben allem Equipment haben Väter eine erstaunlich stoische Ruhe: Sie verkabeln Lampen, während der Sohn mit einem Abschluss in Elektrotechnik zusieht; sie holen plattgefahrene Räder bei der Tochter in der nächsten Stadt ab und bringen sie generalüberholt zurück. Nur manchmal sind sie schlichtweg nicht da.

Deswegen beschließe ich, während ich in der stockfinsteren Dusche nach dem Haarshampoo taste, dass die kaputte Lampe in unserem WG-Bad wohl ohne väterliche Hilfe ausgetauscht werden muss. Als ich meinem Mitbewohner den Entschluss unterbreite, wirft dieser geschockt ein, was es allein für ein Aufwand sei, eine neue Lampenfassung zu kaufen. An seinem freien Tag radelt er dann aber doch brav zum Baumarkt, während ich meinen orangefarbenen IKEA-Werkzeugkasten hervorkrame, der zur Erstausstattung einer jeden Studentenbude gehört – den man, väterlichem Einsatz sei Dank, nur so gut wie nie benutzt.

Nach einem feierlichen High Five – wir haben die Spiegelleuchte so verkabelt, dass man wieder sieht, wie dreckig unser Bad eigentlich ist – folgt die Ernüchterung. Die bestehenden Löcher in den Fliesen passen nicht für die neue Lampe. Kurz überlegen wir, ob wir mit dem Anbringen auf einen unserer Väter und seine Bohrmaschine warten. Dann beschließen wir jedoch, allein zu beenden, was wir ohne väterliche Hilfe begonnen haben. Also kleben wir die Lampe mit zwei Metern Paketklebeband an den Fliesen fest. Übrigens: Handwerken ist out. Der Trend geht zu Tape-Art.

Von Susanne Krause