Der Winter ist nun definitiv eingezogen über München. Unser Autor hat sich schon einmal umgesehen, was
für Rückzugsorte vor der Kälte
das Münchner Nachtleben in der kommenden Woche bietet. Von einem jungen Theaterstück bis zu treibenden Jamsessions ist da alles dabei.
Winter kann wundervoll sein. In der Jahreszeit, in der vor Kälte zitternde Hände vereiste Windschutzscheiben abkratzen und kleine Kinder Schneeflocken auf ihren Zungen schmelzen lassen, freut man sich umso mehr über jede Ablenkung von der Kälte, von den kurzen Tagen. Deshalb schmeckt Glühwein erst so toll und deshalb sind beschauliche Konzerte in warmen Kellerclubs im Winter besonders schön.
Wie fantastisch ist es da, dass mein Freitagabend
mit der allwöchentlichen Jam-Session in der Glocke beginnt! Obwohl das
Wettstreiten der engagierten Jazz, Funk und Blues-SpielerInnen und SängerInnen
leider längst nicht mehr als Geheimtipp durchgehen kann, starte ich nirgends
lieber als hier ins Wochenende. Wohin es musikalisch gehen soll während des
Abends, weiß nie jemand so recht; eines aber ist gewiss: Zwischen treibenden
Saxophonsolos, der tanzenden und lachenden Menge und den sich schnell leerenden
Augustinerflaschen haben Alltagssorgen keinen Platz mehr. Als den Musikern die
Kraft ausgeht, ziehen wir noch weiter. Der Rausch der Musik lässt mich noch
nicht los. Deshalb verschlägt es mich zu später Stunde noch ins STROM. Bei den
Partys von Klein&Laut liegt der Fokus weit abseits herkömmlich-größenwahnsinniger DJ-Veranstaltungen.
Perfekt, um das Leben mit feinsten Electro-Sounds der Münchner Lokalhelden- der
Såmt & Sønders Familie und der ESCON-Crew zu feiern.
Den besten Katerkaffee gibt es bei meinem guten Freund
Filip. Als ich mich am Samstag
endlich aus dem Bett traue, schwinge ich mich aufs Fahrrad um den übrigen
Vormittag mit Filip, seinem fantastischen Kaffee und Musik aus Mali
verstreichen zu lassen. Einen ruhigeren Gegenpol zur durchzechten Nacht gestern
kann ich mir nicht vorstellen. Allerdings muss ich aufpassen, mich nicht allzu
sehr zu verquatschen, denn ich will noch in den Olympiapark. Genauer gesagt auf
den dort wöchentlich vom Roten Kreuz organisierten Flohmarkt. Bei 35.000
Quadratmetern Gelände ist sicher das ein oder andere spannende Fundstück aus
vergangenen Zeiten dabei. Abends geht es
dann wieder musikalisch weiter: Im Cord Club findet der von der SZ
Junge-Leute-Seite gemeinsam mit Flowerstreet-Records organisierte Abend
„Freundschaftsbänd“ statt. Neun verschiedene Münchner Künstler covern sich
gegenseitig. Mit dabei: die Indie-Band The Living, Blues-Rocker Elektrik Kezy
Mezy, die Popband mola und verschiedenste Singer/Songwriter – Liann, pourElise,
KLIMT, Flonoton, Claire Jul und Dobré. Ich kann es wirklich kaum erwarten zu
sehen, was die doch recht verschiedenen Künstler aus den Songs der anderen
machen werden. Spannend wird es allemal.
Ausschlafen ist am Sonntag
für mich nicht angesagt, denn ich muss den gestrigen Abend in einem Artikel
festschreiben. Den werdet ihr dann am Montag in der Zeitung lesen können. Als
ich es endlich geschafft habe, die richtigen Worte für diesen bunten Abend zu finden, mache ich mich auf den Weg zum Hauptbahnhof. Mein Wochenende beschließe
ich mit einem Ausflug in die Berge. Die frische Luft und die Ruhe in der (hoffentlich) verschneiten Natur werden mir gut tun, nach so viel Getrieben Sein in den
letzten Tagen.
Montag. Das
Wochenende ist zwar schon wieder viel zu kurz gewesen, doch deswegen sollte man
auf keinen Fall den Kopf hängen lassen. Nach einem langen Arbeitstag statte ich
der Glockenbachwerkstatt einen erneuten Besuch ab, heute Abend findet hier der
monatliche Bless The Mic Poetry Slam statt. Ich bin gespannt, welcher Künstler
dieses Mal das goldene Mic für den besten Text des Abends mit nach Hause
nimmt. Weil es inzwischen wirklich schrecklich kalt geworden ist, verbringe ich
den Rest des Abends auf dem Tollwood. Mein Programm besteht aus Glühwein
trinken und originelle Weihnachtsgeschenke für die Familie finden, auch
dafür muss schließlich irgendwann Zeit sein.
Es gibt so Tage, an denen würde man sich am liebsten
Zweiteilen. Der Dienstag ist bei mir
regelmäßig so ein Tag. Dann findet nämlich im Sunny Red in der Hansastraße ein
Reggae-Jam statt, während sich Münchens Nachwuchs-Hip-Hop-Talente bei der
Open-Mic-Session in der Glockenbachwerkstatt verbal duellieren. Vielleicht kaufe ich mir doch noch einen dieser Zeitumdreher aus der Winkelgasse.
Dass ich mich zur
Zeit noch vor dem Studieren drücke, soll mich nicht davon abhalten, hin und
wieder in der Uni vorbeizuschauen. Am heutigen Mittwochabend
findet im Centre for Advanced Studies um 18.30 Uhr ein Vortrag mit dem Titel „Forced
Migration: Contextualizing the Syrian Refugee Crisis“ statt. Ich bin gespannt,
was die Dozentin der University of Oxford über die aktuelle Flüchtlingskrise im
Zusammenhang der Völkerwanderung zu erzählen hat. Als der Vortrag beendet ist,
schwirren tausende neuer Infos durch meinen Kopf, die nur durch gute Musik und
ein kühles Bier zu bändigen sind. Deshalb statte ich noch dem Unter Deck einen
Besuch ab. Die Psychadelic-Band Blackberries gibt hier heute Abend ihren ‘60s-Sound
zum Besten.
Am Donnerstag tue
ich etwas, das ich schon lange hätte tun sollen: das Ensemble des Jungen Resi
bringt mit „Wir sind jung, wir sind stark“ höchstaktuellen und brisanten Stoff
auf die Bühne des Marstall-Theaters. Ein Mob rechtsextremer Jugendlicher
stürmt im Jahr 1992 ein Ausländerwohnheim in Rostock, das Stück erzählt den
Radikalisierungsprozess dieser Jugendlichen nach. Da heute Abend eine der
letzten Aufführungen stattfinden, habe ich mir den Termin schon lange
vorgemerkt. Meine Freunde schreiben mir später noch aus dem Harry Klein, in dem
das neuformierte Kollektiv „Ohne Worte“ auflegt. Ich würde zwar gerne hingehen,
bekomme die Bilder des Theaterstücks aber nicht aus dem Kopf und mache mir
einen gemütlich-nachdenklichen Abend daheim.
Und schon ist eine weitere Woche
wie im Flug vergangen. Es ist wieder Freitagabend.
Ich könnte mich also erneut dem Jazz-Jam in der Glocke anschließen, entscheide
mich aber um. Im Feierwerk findet heute Abend „Plug-In Beats“ statt. Eine
besonders auf junge Geflüchtete ausgerichtete Veranstaltung, bei der jeder der
möchte einen Track vorschlagen kann. Diese werden vom DJ in die musikalische
Auswahl des Abends integriert. So lasse ich das neue Wochenende mit senegalesischem
Reggae, Bongo aus Tanzania und pakistanischem Banghra-Pop beginnen.
Text: Louis Seibert
Foto: Privat