Die Wiesn ist geschafft, München ist müde. Aber sobald der Oktober vor der Tür steht, kommt unsere Autorin Eva erst richtig in Fahrt. Denn: Ihr Lieblingsmonat ist da. Wie sie die ersten Herbsttage verbringt, erzählt sie hier.
Es gibt Menschen, die schon im September Lebkuchen essen oder schon im März frierend eine kurze Hose tragen. Sobald ich ein braunes Blatt bemerke, erwacht in mir eine Wednesday Addams, die nebelverhangene Morgen, Horrorfilme-Marathons und Halloween kaum erwarten kann. Deshalb läute ich den Herbst ein, indem ich am Freitag zur Rocky Horror Picture Show in die Museum Lichtspiele gehe. Denn ich habe den Klassiker aus den Siebzigerjahren noch nie gesehen. Passend spooky gehe ich in die Spätvorstellung um 23 Uhr und trotz langer Laufzeit (seit 1977 läuft der Film jede Woche im Programm) soll der Ansturm groß sein – reservieren lohnt sich also. Zurücklehnen ist hier aber nicht angesagt, denn die Rocky Horror Picture Show ist anders: Zu Beginn erhält man eine Do und Don’t Liste, die unter anderem beinhaltet: „Wenn Brad in Erscheinung tritt, ‚asshole‘ rufen“, oder: „Wenn die Hochzeitsszene gespielt wird, den beigelegten Reis werfen.“
Die Sache ist die: Ich brauche definitiv keine neuen Bücher. Im Gegenteil – mein Zu-Lesen-Stapel wächst und meine Regalbretter biegen sich. Aber: Bücher lesen und Bücher kaufen sind zwei komplett unterschiedliche Hobbys. Ich habe mal gelesen, Bücher zu kaufen sei wie guten Wein sammeln – man kauft sie, stellt sie beiseite für den richtigen Moment und bedient sich dann, wenn man in der Stimmung dazu ist. Deshalb gehe ich am Samstag auf den Bücherflohmarkt nach Freising – und hoffe, ein paar alte Editionen zu finden: am liebsten „The Secret History“ von Donna Tartt oder Mary Shelleys „Frankenstein“ – meine Auswahl für den Herbst. An jedem ersten Samstag im Monat kann man in der Stadtbibliothek Freising in der Weizengasse 3 von 10 bis 14 Uhr in Boxen mit Büchern wühlen.
Wählen zu dürfen ist ein Privileg. Ich weiß, das sagt man so, aber wenn man in Europa den Blick nach links und rechts wirft, ist es beängstigend, wie fragil die Demokratie geworden ist. Also: Pack eine Freundin, einen Freund, holt euch einen Kaffee und stellt euch am Sonntag in Eurem Wahllokal an, um von eurem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Und weil es mir noch nicht reicht mit Literatur, gehe ich anschließend zu „Bücher im Dialog“ im Gasteig HP8, denn da wird über mein oben genannten Herbst-Favorit diskutiert – Frankenstein von Mary Shelley. Die zweiteilige Vortragsreihe von der Hochschule München behandelt am Sonntag, 8. Oktober, Frankenstein und am 15. Oktober Michel Houellebecqs „Elementarteilchen“. In beiden geht es um Moral und Monster – Count me in.
Am Montag heißt es zurück vor den Laptop, denn ich muss einen Text fertig schreiben. Das bedeutet: Transkribieren, viel Kaffee trinken und lange auf den Bildschirm starren. Vielleicht mache ich einen Abstecher ins Café Clara – dort gibt es schnelles Wlan, Plätze in der Sonne und bezahlbare Preise. Wenn ich danach noch aufnahmefähig sein sollte, schaue ich beim Studio Isabella vorbei – ein wunderbares Retro-Kino, das ist nur ein paar hundert Meter die Straße runter liegt und zeigt seit 1919 Arthousefilme und Blockbuster.
Das Zeitfenster für Spaß ist unter der Woche begrenzt – deshalb heißt es, die Zeit vor und nach der Arbeit produktiv zu nutzen. Bevor es am Dienstag zum Co-Working geht, hole ich mir auf dem Weg das beste Croissant der Stadt. Ich habe wahnsinniges Glück, denn das gibt es direkt bei mir vor der Haustür bei DerDieDas Deli. Und nach der Arbeit geht es zum Sport. Denn um diesen Winter nicht wie jedes Jahr zehn Mal krank zu werden, habe ich mir vorgenommen (dieses Mal aber wirklich!) das mit dem Sport durchzuziehen. Ich habe mich bei Beat81 in eine Spinning Class eingetragen. Vielleicht muss ich anschließend in ein Sauerstoffzelt, wish me luck.
Der innere Schweinehund eingewickelt in warme Decken und mit Tee in der Hand schreit, nach der Arbeit doch endlich zu Hause bleiben zu dürfen. Aber für Sophie Passmann raffe ich mich gerne von meinem Sofa auf. Sie hält am Mittwoch in der Muffathalle eine Lesung aus ihrem neuen Buch „Pick Me Girls“. Dabei setzt sie sich mit dem Phänomen auseinander, dass Frauen am besten ganz anders als andere Frauen sein wollen – woher kommt das? Ich bin gespannt es herauszufinden.
Brauche ich ein weiteres Hobby? Nein. Kann ich gut zeichnen? Es geht. Trotzdem gehe ich um 19 Uhr am Donnerstag zum Aktzeichnen in den Akthof in der Türkenstraße. Kommt man einmal über den zugegebenermaßen leicht befremdlichen Moment hinweg, wenn eine Person sich nackt auf ein Podest stellt, damit du sie zeichnen kannst, macht das richtig Spaß. Man lernt über Schattierungen, Lichteinfall und Formen. Bonus: Man kommt sich ein wenig vor wie Leonardo Di Caprio in Titanic.
Ich glaube, ich habe eine Antwort darauf gefunden, warum ich den Herbst so liebe: Im Sommer habe ich sofort ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht den Tag in der Sonne nutze. Im Herbst kann ich aktmalend, töpfernd und häkelnd zu Hause bleiben – selbst an einem Freitagabend.