München gilt als Stadt, die oft versucht, jede Ecke und Kanten zu schleifen. Zum Glück gelingt ihr es nicht immer. Unsere Autorin Nicole verbringt diese Woche auf jeden Fall in einigen dieser Locations – und nein: Das Tollwood-Festival ist damit nicht gemeint.
Und schon wieder ist mir ein Crêpe runtergefallen. „Entschuldigung, es ist mein erster Tag“, sage ich zu der Kundin, die mich verständnisvoll anlächelt. Neben meiner Arbeitsplatte wächst der Berg an misslungenen Crêpes und mit ihm meine Wut auf das BAföG Amt. Nach sieben Monaten Wartezeit wurde mein Antrag abgelehnt. Vorneweg: Ich komme aus keinem deutschen Akademikerhaushalt mit zwei gutverdienenden Elternteilen – eher im Gegenteil. Und weil der Antrag abgelehnt wurde, darf ich jetzt neben der Uni zwei Jobs machen. Wirklich witzig. Für diesen Monat bedeutet das, am Crêpe-Stand des Tollwood-Festivals stehen. Im Prinzip kein allzu schlechter Zeitvertreib. Besonders weil ich Crêpes essen kann, bis ich platze. Und trotzdem bin ich sauer, weil ich die Zeit gerne für andere Dinge übriggehabt hätte, mir gerne nicht ständig Sorgen um Geld machen würde. Der zweite Crêpe gelingt, juhu. „Danke fürs Warten!“, sag ich zur Kundin, die den dampfenden Pfannkuchen entgegennimmt.
Gut, dass ich diesen Freitag nicht arbeiten muss. Im Kafe Marat gibt’s nämlich Krach, auf den ich mich schon die ganze Woche freue. Es spielen vier Punkbands in dem selbstverwalteten linken Kulturzentrum, genau das, was ich nach dieser Woche brauche.
Nachdem ich am Samstag mein zweites persönliches Highlight ausgekostet habe – bis in den Nachmittag schlafen – mach ich mich auf zu der Geburtstagsparty eines Freundes. Mein Geschenk: alte Klamotten. Es wird nämlich eine Kleidertauschparty. Jeder bringt alte Kleidung mit und freut sich mit neuer alter Kleidung am Ende des Abends nach Hause zu gehen. Vielleicht habe ich sogar Glück und finde ein Paar neuer alter Schuhe, bei einem Konzert am vergangenen Wochenende hat sich die Sohle meines linken Schuhs verabschiedet. Und im weiteren Verlauf des Abends dann auch die Überbleibsel des Schuhs. Nach der Geburtstagsparty geht’s für mich erst einmal heim. Wer am Samstagabend aus den Socken gehauen werden will, dem leg ich den Omega Dub Circle im Sunny Red ans Herz. Zum Sound von regionalem und internationalen Reggae kann man die Eiswüste, die sich draußen ausbreitet, für ein paar Stunden vergessen.
Bevor es Montag wird, gibt’s noch was zum Lachen. In der Polka Bar am Pariser Platz ist wie jeden Sonntag Comedy Open Mic. Und wie jeden Sonntag ist es kostenlos.
Der Montag scheint deutlich angenehmer zu werden als die der vergangenen Wochen. Ich muss nicht arbeiten, sprich: keine neuen Brandblasen von der Crêpe Platte. Die hole ich mir auf eigene Faust regelmäßig, weil sich Tollpatschigkeit und eine mehr als 200 Grad heiße Platte nicht gut ergänzen. Für den Abend habe ich mir vorgenommen, mal wieder Musik zu machen. Wenn ich nicht mit Native Instruments arbeiten würde, hätte ich den Abend definitiv mit der Ableton User Group in der Glockenbachwerkstatt verbracht. Hier können sich Menschen, die an Musikproduktion mit Ableton interessiert sind, austauschen und gegenseitig unterstützen. Ob Profi oder Anfänger, jeder ist willkommen. Ich freue mich immer wieder auf solche Veranstaltungen zu stoßen. Weil sie zeigen, dass in München weitaus mehr passiert, als man denkt.
Der Dienstag ist seit ein paar Wochen zu einem meiner Lieblingswochentagen geworden, denn da geht’s ab zur Open Girlssession in der Space For Skate Skatehalle am Leonrodplatz. Nachdem der Wintereinbruch meinen steilen Aufstieg zum Skateboard-Profi ausbremste, kann ich in der Skatehalle mitsamt Knie-und Ellbogenschonern wieder daran arbeiten nicht vom Board zu fallen.
Feminist Glam Synthie Punk ist eine Wortkombination, die besser nicht sein könnte. Mein Weg führt am Mittwoch also wieder ins Kafe Marat, hier gibt’s wieder Live Acts, unter anderem von FAB.
Am Freitag gibt’s einen meiner All Time Classics: das Unterdeck. Es gehört zu meinen Lieblingsclubs in München. In einer Stadt, die oft versucht, jede Ecke und Kante zu schleifen, sind Orte wie das Unterdeck umso wertvoller. Der Eintritt ist unter der Woche umsonst, am Wochenende selten teurer als fünf Euro. Weil es schon länger her ist, dass ich dort war, ist die Sehnsucht nach der nebligen kleinen Tanzfläche umso größer. Und die Gedanken um Zukunftsängste umso leiser.
Autorin: Nicole Salowa