Zeichen der Freundschaft: Senne

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Bei Freundschaften zwischen Mann und Frau besteht die Gefahr, sich in alten Geschlechterrollen zu verstricken. Aber echte Gleichberechtigung bedeutet auch, die Freiheit zu haben einfach mal typisch Mädchen oder Junge zu sein, ohne darauf reduziert zu werden. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Emanzipation ist wichtig. Frauen sollen und müssen im 21.
Jahrhundert die gleichen Rechte haben wie Männer. Das verfechte ich rigoros
– nicht nur, wenn es um Heidi Klum und ihre „Mädchen“ geht, die sich auf ihren
weiblichen Körper reduzieren lassen.

Trotzdem trage ich gerne Kleider mit Blümchen drauf, kichere,
wenn ich angetrunken bin, und werde rot, wenn man mir ein Kompliment macht.

Ich musste zu dem Schluss kommen, dass das in Ordnung ist, weil
die Menschen, die wirklich wichtig sind in meinem Leben – oder das werden
wollen – schon von selbst merken, dass ich nicht nur kichernd und blumig bin,
sondern dass ich weiß, dass das bürgerliche Familienmodell eine Konstruktion
des 19. Jahrhunderts ist, auf der Polarisierung der Geschlechtscharaktere
beruht und es einen Unterschied zwischen „sex“ und „gender“ gibt.

Deshalb würde auch keiner der Menschen, die mir wichtig sind,
mich als eine „chica“ bezeichnen (Spanisch für „Mädchen“, was letztendlich eine
ständige diskursive Reproduktion und Reduktion meiner Person auf mein
natürliches Geschlecht darstellen und nur den Unterschied zur männlichen Natur
hervorheben würde). Ein Anachronismus, würde man sagen. Nicht mehr zulässig im
21. Jahrhundert.

Nur Senne. Senne darf das.

Senne ist einer der besten Freunde, die ich während meines
Erasmus-Jahres in Spanien kennengelernt habe.

Senne ist ein bisschen jünger als ich, Senne weiß unglaublich
viel, ist unglaublich wortgewandt und kennt unglaublich viele Leute – was schon
eine Leistung ist, in einem Land, dessen Sprache er am Anfang des Semesters
noch weniger beherrschte als ich.

Senne verdreht die Augen und legt beim Lachen den Kopf in den
Nacken, wenn ich Angst habe, dass ich durch die Prüfung gefallen sein könnte. Und Senne hält mir ein Glas Wasser hin, wenn ich seiner Meinung nach zu viel
Sangria in zu wenig Zeit getrunken habe. Und Senne nennt mich nie bei meinem
richtigen Namen. Senne sagt immer „chica“. Dabei klingt das „i“ wie ein
leichtes Glucksen und das „c“ wie ein doppeltes „g“.

Ja, vielleicht nennt er mich nicht nur „chica“, vielleicht
behandelt er mich manchmal sogar so, aber das ist mir herzlich egal. Denn ich
weiß, dass er mich niemals im Stich lassen würde, dass er mich niemals
vergessen würde und dass er mir immer wieder zeigen wird, dass Freunde
aufeinander aufpassen. Vielleicht gerade dann, wenn ich mich selbst benehme wie
eine „chica“, für die Emanzipation ein Fremdwort mit einem „z“ und einem „p“
irgendwo in der Mitte ist. Wenn ich tatsächlich viel zu schnell viel zu viel
Sangria getrunken habe, weil ich einmal wieder viel zu schnell viel zu verguckt
war in den Jungen, der mir all die Komplimente für mein Blümchenkleid gemacht
hat und über dessen Witze ich viel zu auffällig gekichert habe. Vor Senne
schäme ich mich nicht einmal dafür, dass ich nicht umhin kann, manchmal ein
unemanzipiertes Mädchen zu sein. Vor allem dann nicht, wenn er zufällig einen
seiner Kumpels auf der Straße sieht und ihm lauthals zuruft: „eh… tío“
(Spanisch für „Onkel“).

Denn wenn ich es mir recht überlege, bin ich noch lieber
einfach ein Mädchen als irgendjemandes Onkel.

Von: Theres Parstorfer

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Nervensäge

Gemeinsame Erlebnisse schweißen zusammen, besonders, wenn man gemeinsam auf Reisen geht und zusammen dem australischen Outback trotzt. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”. 

Manchmal bin ich genervt von dir. Sehr sogar. Das
liegt an meiner geringen Toleranz im Umgang mit anderen Menschen und daran,
dass du eine unerschütterliche Frohnatur bist. Fast wären wir deshalb auch
keine Freunde geworden. Doch dann kam alles anders: Nach unserem gemeinsamen
Praktikum bei der einzigen deutschen Wochenzeitung in Australien sind wir zwei
Wochen die Great Ocean Road in Australien entlang gefahren. Wir haben jede
Nacht nebeneinander im Auto geschlafen und Grimms Märchen neu erfunden, haben
im Supermarkt an der Self-Service-Kasse beschissen – du ohne mit der Wimper zu
zucken, ich immer mit schlechtem Gewissen – haben im Outback statt Wasser nur
Bier und Milch im Gepäck gehabt, haben mit diesem warmen Bier Flunky Ball
gespielt und Postkarten geschrieben ohne Briefmarken drauf zu kleben. Du kleine
Romane, ich eine große Randnotiz. Die Postkarten kamen immer an. Und im
Hintergrund lief immer unser Lied: Rettung
von Kettcar.

Manchmal wurden wir danach gefragt, ob es in den
zwei Wochen unserer Reise nie einen Moment gab, in denen wir leicht angedudelt
vom Bier mehr sein wollten, als nur Freunde. Auch auf die Gefahr hin, es danach
zu bereuen. Aber so einen Moment gab es nie. Wir mussten nie eine imaginäre
Grenze ziehen. Und vielleicht ist es deshalb so entspannt zwischen uns: Weil
wir nie über das Geschlecht des jeweils anderen nachdenken mussten. Wir konnten
immer einfach nur Mensch sein. Und du als Mensch darfst mich sogar manchmal
nerven.

Von: Jacqueline Lang

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Jojo

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Echte Freundschaft bleibt bestehen, über alle Distanz hinweg. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Wir sind altmodisch. Moderne Kommunikationsmittel? Skype,
What’s-App, Snap-Chat: Brauchen wir nicht. Jojo, meine engste Freundin aus dem
Gymnasium und ich, wir sind auf einer viel, viel subtileren Ebene miteinander
verbunden. Egal, ob sie gerade in Regensburg ist und ich in München, oder sie
in Wien und ich in Madrid.

Bei unserem ersten und einzigen Skype-Versuch, saß ich in
Auckland auf meinem Bett, kurz vor Weihnachten. Ganz frische
Work-and-Travellerin und sie ganz frische Psychologie-Studentin in ihrer ersten
Studenten-WG. Sie war traurig, das weiß ich noch. Sie sah müde aus auf meinem
griseligen Laptop-Bildschirm und sagte: „Ich pack das alles nicht mehr und
jetzt bist du auch nicht mehr da.“ Fast ein Vorwurf. Am liebsten wäre ich durch
die Internetverbindung zu ihr nach Deutschland gekrochen. Stattdessen gab ich
ein lasches „Das wird schon wieder“ von mir. Vielleicht hat uns dieses
Vorgaukeln von Nähe bei gleichzeitiger Hilflosigkeit in der darauffolgenden
Zukunft immer davon abgehalten zu skypen.

Wir blieben eisern bei romanartigen E-Mails. Alle paar Wochen
ein Update über das Leben des anderen. Ich schrieb ihr Postkarten aus all den
Städten, die ich besuchte. Meine liebste Jojo, schrieb ich, immer und immer
wieder. Und sie likte meine Bilder auf Facebook (immerhin!), kommentarlos, aber
immer bei mir, irgendwie.

Manchmal, bevor wir beide wieder nach Hause kommen, habe ich
Angst, sie könnte mich nicht mehr mögen, wir könnten uns auseinandergelebt
haben, in all der Stille dazwischen. Aber dann klingle ich an ihrer Tür, sie
macht auf und alles in ihrem Elternhaus sieht noch so aus wie früher. Der Flur,
die Schuhe, die Treppe. Sie umarmt mich ganz fest. Die Grübchen auf ihren Wangen
ganz tief. In ihrem Zimmer um den Spiegel hängen all die Postkarten, die ich
ihr geschrieben habe.

Von: 

Theresa Parstorfer

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Lilü

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Pizza bestellen oder lieber Schweinebraten machen? Echte Freundschaft lebt oft durch die alltäglichen Dingen, wie Essen oder Trash-TV. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Wir beide lieben Essen. Du magst zum Frühstück am liebsten Wurst und
sonntags zum Tatort immer etwas mit viel Käse überbacken. Ich backe nicht nur
zu besonderen Anlässen Kuchen und lade am liebsten zur spontanen Übertreibung
in der Küche ein. Wenn unser liebster Mitbewohner uns für ein Semester
verlässt, zaubern wir auch schon mal Schweinebraten mit Knödeln und Blaukraut
für 15 Mann. Eine unserer leichtesten Übungen. Am wichtigsten Tag im Jahr,
deinem Geburtstag, muss aber trotzdem der Herr Papa höchst persönlich anreisen,
um dir dein Leibgericht zuzubereiten. An den weniger guten Tagen und denen mit
viel Restalkohol im Blut bestellen wir uns eine Pizza, die auf keinen Teller
passt. Dazu gibt’s Qualitätsfernsehen: Das
Perfekte Dinner
.

Bei oberflächlicher Betrachtung könnten wir uns kaum mehr
unterscheiden: Du, die begeisterte Fußballerin, die gerne love channel hört und
heimlich ihre Bettwäsche bügelt. Ich, der leicht schusselige Bücherwurm, der
sich lieber unter der Bettdecke verkriecht, als joggen zu gehen. Tief in
unserem Herzen teilen wir aber dieselbe Leidenschaft fürs Essen. Und Menschen,
die genießen können sind gute Menschen. Das ist ja allseits bekannt. Schon
alleine deshalb sind wir besonders gute Menschen. Und deshalb spielt es auch
keine Rolle, dass ich häufiger der Kochlöffel schwinge als du. Schließlich
kenne ich sonst keinen Menschen, der statt einer Gute-Nacht-Geschichte lieber
Rezepte zum Einschlafen liest.

Wenn Liebe wirklich durch den Magen geht, dann liebe ich dich auf
jeden Fall bis ans Ende meiner Tage. Und koche dir zu jeder Tages- und
Nachtzeit Risotto, wenn du willst, liebste Lilü.

Von: Jacqueline Lang

Foto: 

Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Willkommen bei den Nerds

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Logische Fehler in Kathis Witzen finden ist Manus liebstes Hobby. Trotzdem oder gerade deshalb sind sie Freunde. Deshalb geht Kathi auch mit Manu in die Informatik-Vorlesung und Manu schaut mit Kathi und ihren Mädels Filme wie “Tatsächlich Liebe”. Eine neue Kolumne aus der Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Der Countdown läuft. Manu und ich sitzen in der Mathe-Vorlesung, und ich zähle still von zehn rückwärts. Gerade habe ich einen ziemlich nerdigen und nicht besonders lustigen Witz gemacht. Einen, den – wenn überhaupt – nur andere Nerds amüsant finden. Wahrscheinlich ging es um Grenzkosten. „Sieben, sechs, fünf“ – bevor ich bei vier angekommen bin, legt Manu los: „Also so ganz stimmt das ja nicht“. Denn Manus liebstes Hobby ist es, logische Fehler in meinen Witzen zu finden.

Weil Manu nicht nur VWL, sondern auch Informatik studiert, kennt er sich mit Logik leider ziemlich gut aus. Mit Computern allerdings auch. Und damit, mir ganz, ganz langsam zu erklären, was ich meinem Computer sagen muss, damit der tut, was ich will.

Einmal hat er mich sogar zu einem Ausflug auf den Olymp der Nerds eingeladen, in eine Informatik-Vorlesung. Da ging es um Virtualisierung und andere Dinge, von denen ich keine Ahnung habe. Viele der Informatikstudenten schienen ebenfalls keine Ahnung zu haben und guckten lieber Pornos auf ihren linuxbetriebssystemten Laptops. Da fiel mir nicht einmal ein unlogischer Witz ein, so geschockt war ich. Ähnlich sprachlos war Manu wohl beim „Tatsächlich Liebe“-Filmabend mit mir, meinen Mädels und Hugh Grant. Was tut man nicht alles…

Kennengelernt haben wir uns ganz nerdtypisch in der Uni. Erst war er der Typ, der in Makroökonomie hinter mir saß. Dann der Typ, der in Spieltheorie vor mir saß. Irgendwann musste ich ihn höchstselbst nach seiner Handynummer fragen. Denn er hatte damals ein bisschen etwas von Raj aus „The Big Bang Theory“, was die Gesprächsbereitschaft gegenüber Frauen angeht. Mittlerweile weiß ich, dass Manu dreikommaeinsviermal cooler als Leonard ist. Und ich bin froh, dass er jetzt der Typ ist, der in der Mathe-Blockvorlesung neben mir sitzt. Ohne Manus beruhigende Sprüche und lustige Nerd-Videos hätte ich in dieser Vorlesung schon längst die weiße „Game Over“-Flagge gehisst.

„Schade, dass man mit diesen komischen ‚geschlossenen Epsilonbällen‘ nicht Fußball spielen kann“, sage ich scherzhaft zu Manu. „Na ja…“, sagt er und denkt nach. Der Countdown, er läuft wieder.

Von: Kathi Hartinger

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Mittwoch

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Man sagt, Männerfreundschaften funktionieren anders, als Frauenfreundschaften. Bei Matthias und Philippe reichen auf jeden Fall wenige Worte, ein festes Ritual und ein paar kleine oder große Biere. Eine weitere Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Wir schlendern durch die Stadt, am Maximilianeum vorbei,
längs der Isar. Dann Muffathalle, Gasteig, stadteinwärts. Die gleiche Route mit
allen, die mich in München besuchen. Aus einer fernen Stadt an einem fernen See
ist es diesmal Philippe. Die Kälte mag keiner von uns beiden. Nach dem
Deutschen Museum geht es Richtung Ludwigsbrücke. Auf dem Weg kommen wir am
Lichtspiele vorbei, meinem Lieblingskino. „Sollen wir?“, fragt Philippe.
„Nein“. Das klingt kalt, unhöflich. „Warum?“ – „Ist nicht Mittwoch“. Wir gehen
weiter.

Der Studienbeginn bringt für die meisten jungen Menschen
große Umstellungen mit sich. Ich hab im ersten Semester zum ersten Mal allein
gewohnt, zumindest nicht mehr im Hotel Mama. Die Uni kann Angst machen, vor
allem, weil einem nicht alles auf einem Tablett serviert wird. Und man wird in
ein neues soziales Umfeld geworfen – da vermisst man die alten Routinen schon
gerne. Jeder hat sie, die festen Termine. Momente, die mit den gleichen Leuten
immer wieder funktionieren.

Ein solcher Moment war für Philippe und mich der
Mittwochabend. Knapp zwei Jahre lang wanderten wir in regelmäßiger
Regelmäßigkeit zur Mitte der Woche ins Kino, zwei Tickets zum Preis von einem.
Jedes Mal im Utopia Kino, mitten in Luxemburg-Stadt, unserer alten gemeinsamen
Heimat. Dabei war das eigentlich nicht so geplant – eigentlich wollten wir nur
ganz normal ins Kino, mit allen, wie das in einem Freundeskreis so ist. Ich erinnere
mich nicht mehr ganz, welchen Film wir uns anschauen wollten. „Ich auch nicht“,
murmelt Philippe, als wir uns vor kurzem wieder gemeinsam daran erinnert haben,
„ich weiß nur, dass keiner außer uns den Film sehen wollte!“ Wir lachen. So war
das, und so wurde das dann eine Tradition. Fast jeden Mittwoch, kleines Kino,
kleine Filme, danach ein kleines Bier, oder zwei.

Mittlerweile studieren wir beide seit mehr als dreieinhalb
Jahren, etwa 500 Kilometer voneinander entfernt, ich hier, er in Lausanne. Wir
sehen uns an Weihnachten, in den Semesterferien – und wenn Philippe nach
München kommt. Das macht er gerne. Mittwoch gehen wir dann ins Kino. Nicht aus
Nostalgie, nicht gezwungen. Es ist halt einfach so. Mittwochabend, kleines
Kino, kleiner Film. Nur das Bier ist in München größer als in der Heimat, auch
das zweite, aber das stört uns nicht. 

Foto: Yunus Hutterer

Von: Matthias Kirsch

Zeichen der Freundschaft: Nicht die Upper East Side

Ob New York oder nicht: Die vier Charaktere aus Sex and the City sind Vorbild für so manche Freundinnen-Clique.

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Für uns sind Orgasmen bislang graue Theorie, doch
das hindert uns nicht im Geringsten daran, uns in der Welt der vier New
Yorkerinnen mit ihren Sexeskapaden und Männergeschichten wiederzufinden. Bin
ich Carrie oder doch eher Samantha? Du bist auf jeden Fall Miranda!

Es ist Samstag Abend. Lena, Mardjan, Ann-Kris und
ich sitzen in Jogginghosen im Keller vor dem Beamer und schieben die Hand immer
wieder in die Chipstüte, im Anschluss führen wir sie fast mechanisch zum Mund.
591 Minuten Serienvergnügen liegen vor uns.

Wir sind vier Freundinnen. Die Besten.
Stundenlang könnten wir über Gott und die Welt reden, meistens analysieren wir
aber gerade das Verhalten des männlichen Geschlechts. Realistisch betrachtet
hört es dann aber auch schon auch wieder auf mit den Parallelen zu Sex and the
City. Ok, Ann-Kris hat mindestens so rote Haare wie Miranda. Dennoch: Unser
Leben ist im Vergleich unglamourös. Das lässt sich einfach nicht leugnen.
Schließlich ist es Samstagabend und wir sitzen hier im Keller und nicht in
einer hippen Bar. Wir tragen keine Manolo Blahniks sondern dicke Socken mit
Loch. Und unser Brunch ist ein Frühstück. Minus Champagner. Das alles mag kaum
verwunderlich sein, wenn man bedenkt, dass wir in die 7.Klasse eines Gymnasiums
in Nordrhein-Westfalen gehen. Trotzdem träumen wir uns oft nach Manhattan.

Wir sitzen auf der Tischtennisplatte und
überblicken den Pausenhof. Simon kommt. Lena drückt meine Hand, cool bleiben.
Er grinst linkisch und geht weiter in Richtung Raucherecke.  Sie
schaut uns an, wir nicken und laufen betont lässig hinterher. In
sicherer Entfernung bleiben wir stehen, Mardjan holt unsere Schachtel Marlboro
umständlich aus ihrem Rucksack. Ich denke, Mama kommt, atme den Rauch ein und
unterdrücke ein Husten. Das ist nicht die Upper East Side, aber hätte Carrie
wirklich cooler reagiert, wenn Mr.Big zwei Meter entfernt von ihr gestanden
hätte? Unwahrscheinlich. 

Ein gefühltes Leben liegt zwischen damals und
heute. Während meiner Bachelorarbeit saß ich oft in der Bibliothek und habe mir
wieder Sex and the City angeschaut. Aus wissenschaftlichen Gründen diesmal,
versteht sich. Ein Vergleich zwischen Sex and the City und Girls im Bezug auf
ihre feministische Lesbarkeit. Mit 13 wussten wir nicht mal, was das überhaupt
ist. Und selbst, wenn wir es gewusst hätten, es hätte uns wohl kaum
interessiert. Es gab schließlich wichtigere Themen zu besprechen.

Von: Jacqueline Lang

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Innstraße 22

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3 Zimmer, Küche, Bad. Vor allem aber eine Küche. Eine Küche in der immer ein Bier im Kühlschrank steht und in der es immer nach Heimat riecht. Sie war während des Studiums das Zentrum von Jackie und ihren Freundinnen. Ob es so einen Ort in der Zukunft wieder geben wird? Träumen muss erlaubt sein. Eine weitere Kolumne aus der Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Seit zwei Jahren trennen uns mehr als ein paar Wände, manchmal sogar ein ganzer Ozean. Wo steckst du gerade? Indien, aha. Niemand von uns kennt den Typ mit dem du gerade schläfst. Seit wann erzählen wir uns unser Leben nur noch in Anekdoten? Warum hat der Alltag in unseren Leben so viel Platz und die wichtigsten Menschen so wenig? Wir saßen in der Küche und mussten nichts sagen, nichts fragen – und wussten doch alles von einander. Jetzt müssen wir uns jedes Mal erst neu definieren. Manchmal ist das anstrengend. Aber eines zumindest weiß ich: Ihr werdet es immer wert sein. Und vielleicht, ja vielleicht, leben wir irgendwann alle gemeinsam auf einem Bauernhof, bauen unser eigenes Gemüse an, trinken zu viel Wein in der Küche und lachen über früher. Träumen muss erlaubt sein.

Anfangs nur eine Wohnung in einer noch fremden Stadt. Nach drei Jahren Studium mehr als nur 3 Zimmer, Küche, Bad.  Und ein Klo. Vor allem aber eine Küche.

Die Ausflusstabelle an der Klotür klärt auf: Bröckelig, grün-schleimig, übelriechend? Im Zweifelsfall hat man wohl einen Fremdkörper vergessen. Haben Sie das schon länger? Dank Eva wissen wir bestens Bescheid. Wir und der ein oder andere Untermieter und Informatiker. Kann schon mal passieren, wenn man nichts ahnend in der Wohnküche sitzt und eigentlich nur Ändys Linseneintopf mit veganen Würstchen und schwäbischen Spätzle genießen will. Irgendwann schlurft dann schließlich auch Sabine durch die Küchentür. Tiefe Augenringe in Kombination mit verlaufener Schminke  skizzieren unscharf die Bilder in unseren bleischweren Köpfen. Geht es dir gut? Ja klar, äh nein, ich meine Jein. Kein Abend an dem wir uns für dieses Lied nicht auf die Tanzfläche kämpfen. Auf die Playlist in der CAM ist immer Verlass. Ari kommt, Amaretto und Apfelsaft unterm Arm. Wir werden halt nicht älter, sondern besser. Und selbst wenn nicht, es ist uns egal. Denn wir haben ein Stück Heimat in der Fremde gefunden.

Einen Ort, an dem immer ein Bier im Kühlschrank steht. Für den Fall, dass das Leben grausam ist und wir uns gegenseitig Alkohol als Medizin verschreiben. Oder um auf das beste aller Leben anzustoßen. Ein Ort, an dem es immer nach Essen riecht. Für den Fall, das wir Heimweh bekommen. Oder wenn das Leben unseren Hunger nicht stillen kann. Einen Ort an dem immer jemand auf einen wartet. Für den Fall das man reden oder schweigen, die Welt umarmen oder verfluchen will. Für manche mag es nur eine Küche sein, für Eva, Ändy, Sabine, Ari und mich war es drei Jahre lang das Zentrum unserer Freundschaft.

Von: Jacqueline Lang

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Mupfeltanz

Mupfel. So nennt der Pinguin aus “Urmel aus dem Eis” die Muschel in der er liegt und die Welt beobachtet. Auch Steffi und ihre Freundin Sharon haben einen solchen Zauberort gefunden. Eine neue Kolumne aus unserer Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Sie tanzt barfuß auf Zehenspitzen am Strand. Hinter ihr das Meer und die Sonne die langsam den Morgen einläutet. Die Strandparty auf der indonesischen Insel ist vorbei, nur noch ein paar Menschen sind geblieben. Jene die diese wunderbare Nacht nicht enden lassen wollen .
Ich sitze im Sand, beobachte sie, meine Sharon die mich, nachdem ich ein halbes Jahr auf Reisen war nun an meinem letzten Stopp besucht. Die Farben in die die aufgehende Sonne den Himmel taucht rauben mir den Atem. Der schönste Sonnenaufgang, die schönste Freundin. Ich rufe ihr zu, was sie da macht und ob die vielen Korallen am Strand nicht weh tun an den Füßen. Sie erklärt fröhlich, dass sie um jede Muschel herumtanzt . Es macht in diesem Moment Sinn. Ein Mupfeltanz kommt es mir.

Mupfel, das Wort, dass der Pinguin mit Sprachschwierigkeiten bei „Urmel aus dem Eis“ der Muschel gab in welcher er immer lag und die Welt beobachtete. Einen solchen Ort hatten wir zwei auch vor kurzem auf der Insel entdeckt. Versteckt zwischen Ästen, Sand und Bäumen, direkt am Strand. Dort lagen wir immer und freuten uns über diesen geheimen, verwunschenen Ort von welchem wir aus all das Treiben um uns herum versteckt beobachten konnten. Unsere Mupfel – ein schönes Wort, ein schöner Ort.

Ich glaube nicht, dass man mit jedem Menschen reisen kann. Aber mit Sharon würde ich ohne zu zögern und jederzeit in das nächste Flugzeug steigen.  Sie hegt die gleiche Abenteuerlust und ist genauso offen für neue Kulturen wie ich. Wir können stundenlange Unterhaltungen durch alle Themengebiete führen ohne, dass es langweilig wird. Haben beide kein Problem, wenn nicht jeder Tag auf Reisen vollgepackt mit Unternehmungen ist und wir stattdessen tagelang nur in unserer Mupfel liegen und Schokolade naschen.

Am nächsten Tag ist Sharon verwundert, weil ihre Füße so weh tun. Wir werfen einen Blick auf die schmerzenden Stellen und entdecken kleine Korallen die sich in die Fußsohlen gebohrt haben. Wir schütteln beide verwundert den Kopf, wie konnte das denn passieren? Trotz Mupfeltanz?

Von: Stefanie Manna

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Die Große und die Kleine

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Jenny ist klein, ihr Freundin Marie ist groß. Das ist es, was sofort auffällt, wenn man die beiden nebeneinander stehen sieht. Und vielleicht sieht das für Außenstehende komisch aus. Doch Jenny und Marie stehen da schon lange drüber – ungeachtet ihres Größenunterschiedes. Eine neue Kolumne aus der Reihe “Zeichen der Freundschaft”.

Ich war schon immer die Kleinste, überall. Manche erzählen, dass sie in der Grundschule zu den Größeren gehört haben und erst nach und nach vom Wachstum der anderen überholt wurden. Bei mir war das nie so. Ich war immer die Kleinste, egal wo. Ich bin es heute noch. Eine, auf deren Schultern man gut seinen Arm ablegen kann. Wenn einer meiner Bekannten mir Musik auf einen USB-Stick zieht, heißt der betreffende Ordner „Musik für den Zwerg“.

Ich finde das inzwischen nicht mehr schlimm. Ist ja auch nicht so, als könnte ich etwas daran ändern. Es gibt nur eine Person, die das versteht. Versteht, was man so alles durchmachen muss, wenn die Körpergröße aus der Norm fällt: Marie. Marie ist kein Zwerg, nein. Im Gegenteil. Wenn man beim Märchenvokabular bleiben möchte, dann ist sie mein Gegenstück: ein Riese. Ich bin nicht mal 160 Zentimeter hoch, Marie ist dafür über 180 Zentimeter groß. Sieht das komisch aus, wenn wir nebeneinander stehen? Ja, ich glaube schon.

Aber das Schönste an Marie und mir ist, dass wir uns so gut kennen, so aneinander gewöhnt haben, so viel gemeinsam unternommen, dass wir unseren Größenunterschied nicht mehr bemerken.

Wenn wir gelegentlich Fotos von uns betrachten, erschrecken wir. „So sieht das doch nicht wirklich aus, wenn wir nebeneinander her laufen oder?“ Doch, genau so! Macht nichts. Nerven Marie die Sprüche über ihre Größe, wenn sie einen Raum betritt? Ja, aber auch nicht mehr so wie früher. Trotz Größenunterschied stehen wir beide drüber. Weit drüber. Und wir haben ja einander. Wir verstehen uns.

Und das Bild, das am besten zeigt, was und verbindet, das wurde nie auf Fotopapier gedruckt, aber es hat einen festen Platz in unserer gemeinsamen Erinnerung: Ich auf dem Gepäckträger von Maries Fahrrad – die Beine musste ich dabei ja kaum einziehen – Marie vor mir auf dem Sattel. Wir fahren lachend und singend durch die Maxvorstadt, mein Hintern tut weh, Marie bekommt vom treten Hitzewallungen, aber wir genießen unser Jugendtage in vollen Zügen. Und wenn auch das Fahrrad gelitten hat, wir sind immer angekommen!

Noch heute, bin ich die einzige, die Marie fragen darf, ob sie mir etwas vom obersten Regal runter reichen kann, ohne dass sie genervt ist. Ich wiederum würde für Marie unter jeden Schrank und jedes Regal kriechen. Klein genug bin ich ja. 

Von: Jennifer Lichnau

Foto: Yunus Hutterer