Zeichen der Freundschaft: Mitternachtssnacks

Im Leben gibt es Schicksalsschläge, die man nur schwer verarbeitet. Genau in solchen Zeiten ist es schön Menschen an seiner Seite zu haben, die mit einem gemeinsam trauern. Das schweißt zusammen.

Es ist Donnerstag Nacht und ich habe am nächsten Morgen Colloquiumsbesprechung. Ich weiß, eigentlich sollte ich im Bett liegen. Dennoch sitze ich, eingeklemmt als dritte Person auf einem 2-Mann-Sofa in der randvollen Sendlinger Jungs-WG-Küche, ein Glas Rotwein und einen Heimweg von zwei Stunden vor mir, und bekomme einen Teller Nationalgericht von irgendwo, etwas mit Kichererbsen und Fladenbrot in die Hand gedrückt.

Wir sind ungleiche Freunde, die meisten hier über fünfundzwanzig, gerade dabei, ihr Leben in den Griff zu bekommen und ich seit ein paar Wochen achtzehn, beschäftigt mit dem Abi und völlig planlos für die Zeit danach.
Ich erinnere mich gut an unsere erste richtige Begegnung. Ich bin elf, zwölf, irgendwas um den Dreh und ich habe in dieser Zeit ziemliche Probleme mit dem Schlafen, bin stundenlang wach und kann die Augen nicht schließen.
Und man kennt das ja, nachts, im Dunkeln, sind Geräusche lauter und Gerüche intensiver. Ich liege also da, alle Sinne scharfgestellt, und versuche zu schätzen, wie viele Paar Füße da in unserer Küche herumlaufen. Und wundere mich über den Geruch. Knoblauch. Ich werde sowieso nicht einschlafen, also schleiche ich mich runter, nur um mal zu lauschen und vielleicht durchs Schlüsselloch zu schauen. Natürlich werde ich entdeckt. Und stolz wie Oskar sitze ich ein paar Minuten später am Tisch, mit meinem Bruder und seinen Freunden und einem Teller Nudeln vor mir.

Es sollte mein erster von vielen Mitternachtssnacks mit ihnen sein und die Hoffnung, Schritte in der Küche zu hören und etwas zu riechen, machte das Nicht Schlafen können um so viel weniger schlimm.

Im Nachhinein würde ich es keinem übel nehmen, hätte man mich einfach wieder rausgeworfen, die kleine nervige Schwester, sieben Jahre jünger und verknallt in jeden der coolen Freunde. Ich weiß noch so genau, wie ich meinen Bruder um sie beneidet habe. Große Jungs, die Sonntag früh in unserem Wohnzimmer aufwachten, die Augen ganz verquollen und den Kater so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass meine Mutter den Abgabetermin in der Bücherei sausen ließ, um allen Kaffee zu kochen. Große Mädchen, die auf dem Festnetz anriefen und ihn unbedingt sprechen wollten, die mit uns am Abendessen saßen und nur ganz wenig Reis aßen, und dafür viel Salat. Freunde, mit denen er klettern ging, in die Berge, feiern, spontan wegfuhr, nach Barcelona, Sardinien, Chamonix. So erwachsen, so locker. Er und seine Freunde kamen mir vor wie das Non Plus Ultra an Coolness und Reife. Ich weiß noch, wie ich meiner Mutter sagte, ich wolle auch mal solche Freunde. Freundschaft und Vertrauen sind eine seltsame Sache. Oft brauchen sie ewig in ihrer Entstehung.

Und dann kommt es manchmal von einen Tag auf den anderen. Als mein Bruder starb, da waren sie einfach da. Und mit ihnen diese Nähe. Und irgendwo auf
beiden Seiten Dankbarkeit dafür, jemanden zu haben, dem es genau so geht wie einem selbst. Sie standen weinend vor der Tür, saßen verloren in unseren Küchenstühlen, hielten Reden bei der Beerdigung und erstellten Playlists mit Musik, die uns an ihn erinnerte. Ließen sich von mir in den Arm nehmen, als ich noch nicht weinen konnte und taten später das selbe für mich. In einer Zeit,
als ich nicht wusste, wohin mit mir waren sie da. Und nahmen mich mit in ihre Welt aus ausgelatschten Kletterschuhen, Festivals und Drei Fragezeichen Hörspielen. Vor ein paar Monaten noch nannte ich sie „die Freunde von meinem Bruder“. Inzwischen sage ich einfach „Freunde“. Sie leihen mir die Ersatzschlüssel für ihre Wohnungen, für den Fall der Fälle, schmuggeln mich in Clubs und fragen mich, wo ich bleibe, wenn ich beim obligatorischen Donnerstag-Abend-Essen nicht da bin. Wir planen gemeinsam Urlaube und zicken uns an, wenn wir uns gegenseitig auf die Nerven gehen. Und irgendwie ist es normal geworden, mit Menschen abzuhängen, die gerade in einem völlig anderen Lebensabschnitt stecken als ich. Weil uns etwas zusammengeschweißt hat, was den Altersunterschied überwiegt.

Ich bin kein Ersatz. Und das sind sie auch nicht. Aber ich finde meinen Bruder in ihnen und sie finden ihn in mir. Und wenn sie mich heute abends noch heimfahren, dann kommen sie manchmal noch mit rein. Auf einen Mitternachtssnack.

Text: Magdalena Siebers

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Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Küchenliebe

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Essen verbindet. Gemeinsames Träumen auch. In ihrer Kolumne erzählen unsere beiden Autoren von einer ganz besonderen Küche, vollgestopft mit Gewürzen aus aller Welt und ganz viel positiver Stimmung.

Wir sind schon
ein wenig träge. Während sich die restliche Münchener Jugend in den neuesten,
abgefahrensten, teuersten und angesagtesten Clubs dieser Stadt tummelt,
entscheiden wir uns am Otto-Normal-Samstagabend – für Adams Küche. Kein Megaevent
im Blitz, keine Mondfinsternis und kein kostenloses Musikfestival können uns
umstimmen, wenn wir mal wieder richtig Bock auf Adams Küche haben. Und auf Ihn
natürlich.

Adam, der
immer schon die Wohnungstür öffnet, unmittelbar bevor man sie erreicht hat. Der
grinsende Lockenkopf empfängt uns mit einer dicken Umarmung und seinem
typischen „Naa?!“ in seiner kleinen, nach Ebenholz und sanften Gewürzen
duftenden Wohnung. Das Wohnzimmer lassen wir links liegen. Wir folgen ihm in
die kleine, meist mit Musik, Essen und Menschen prall gefüllte Küche.

Kitschige
Backformen in den verschiedensten Formen aus den verschiedensten Jahrzehnten
schmücken die Hinterwand. Die Fensterbank ist vollgestellt mit Kräutertöpfen,
auf dem Tisch steht eine Wasserkaraffe mit dem Schriftzug „Liebe“. Einmal quer
durchs Zimmer führt eine Leine, auf der seit vielen Jahren die verschiedensten
Kräuter, Chilis und undefinierbaren Naturprodukte trocknen. Wüsste man es nicht
besser, könnte man meinen, die Küche gehöre einem sesshaft gewordenen
Waldschamanen.

Soweit das
das äußere Erscheinungsbild. Das eigentlich Anziehende, der Grund warum wir beide
uns in Adams Küche noch wohler fühlen als in der Wasserbettenabteilung von Segmüller,
ist aber natürlich vor allem Adams Gesellschaft. Er ist nicht nur ein
unglaublich einfühlsamer und respektvoller Mensch mit unvergleichlichem
Gerechtigkeitssinn, dem man die merkwürdigsten Geschichten anvertrauen kann.
Adam ist für uns genialischer Gitarrenspieler, Schulbanknachbar der ersten
Stunde, unverzichtbarer Freund und Horizonterweiterer. Er liebt es, viele
Menschen um sich herum zu haben, sie zu bekochen und zu verwöhnen. Je mehr
Leute sich in seiner kleinen Wohnung versammeln, umso
fröhlicher ist er – egal zu welcher Tages- und Nachtzeit. Ausgedehnte
stundenlange Katerfrühstücke sind genau wie hitzige Schafkopfrunden oder
gemütliche Spieleabende nirgends so schön wie bei Adam in der Küche. Sie steht
dem Raum der Wünsche in Hogwarts in nichts nach. Sie stillt unseren Drang, die
Außenwelt auszusperren und ihre Absurdität einfach mal belächeln zu können.

Zu guten
Gesprächen gesellt sich noch besseres Essen – mal aus Polen, dem Heimatland
seiner Eltern, mal international. Immer viel. Immer lecker. Außer wenn jemand
wieder die getrockneten Chilis unterschätzt und eine Pizzaparty zum
tränenreichen Schärfekontest mutiert. Und da Essen nicht alles ist, laufen im
Hintergrund CDs. Blues aus Mali. Irgendwas wie Post-Rock aus den 80ern. Oder
eine Playlist, mitgebracht von einem Roadtrip nach Polen.

Es ist aber
nicht nur ein Ort der Völlerei, der Wollust und der Exzesse. Sie ist gleichzeitig
eine Wohlfühloase, ein Ort der Einkehr und der vollkommenen Zufriedenheit. Sie
bedeutet für uns Konstanz in einer sich viel zu schnell drehenden Welt. Und ist
vielleicht sogar der Grund, warum unser Freundeskreis in zehn Jahren noch nicht
auseinandergebrochen ist.

Man kann das
durchaus als Kleister einer Freundschaft ansehen, die uns ganz bestimmt zu den
Menschen geformt hat, die wir heute sind.
Anfangs lernten wir dort Lateinvokabeln. Irgendwann wurde Liebeskummer
dort geheilt, Reisepläne geschmiedet und neue Musiker-Idole entdeckt. Als wir
noch zusammen zur Schule gingen, heckten wir Pläne für die Zeit nach dem Abitur
aus. Wir wollten alle Dasselbe – Musikkarriere machen oder zumindest
Musikjournalist werden, mit dem Bus nach Marokko fahren, die Welt erkunden und
verbessern. Die Klassiker eben. Die Realität macht einem dann doch immer einen
Strich durch die Rechnung – diese Küche übt einen seltsamen Sog auf uns aus. Dass
sich all das in einem gerade so zehn Quadratmeter großen Zimmer abspielt, macht
nichts. Denn selbst Trägheit kann wunderbar sein, ist man nur von den richtigen
Menschen umgeben.

Text: Tilman
Waldhier und Louis Seibert

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Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Rote Couch

Möbel und Dekoration werden für gewöhnlich erst interessant, wenn ein Umzug ansteht. Unsere Autorin erzählt, warum sie eine gewisse rote Couch mit Keksen an Neujahr und einer schon lange andauernden Freundschaft verbindet.

„Komm rein!“, begrüßt mich Regina herzlich, aber ein wenig
verschlafen. Meine blonde Freundin steht im Türrahmen. Eine Perle ist in ihr
dickes Haar eingeflochten, sie trägt Goahose und Pyjamaoberteil. „Tee, Wein,
Radler?“ Ich runzle die Stirn. „Hm, ich glaube mir reicht ein Wasser“, antworte
ich. „Gut, du weißt ja wo alles ist! Ach, und nimm mir doch bitte`ne
Apfel-Kirsch-Schorle mit.“ Grinsend laufe ich in die Vorratskammer. Eigentlich
habe ich mich schon lange an diese besondere Art der Gastfreundschaft gewöhnt
und doch machen mich Reginas Aussagen jedes Mal wieder ein wenig stutzig. Einen
Augenblick später kehre ich mit zwei Flaschen in der Hand zurück ins
Wohnzimmer. Oder Fernsehzimmer? Gästezimmer? Oder so wie ich diesen
Allzweckraum gerne nenne: Das Zimmer mit der roten Couch und genau auf dieser
nehme ich nun Platz.

Hätte diese rote Couch Ohren und einen Mund, dann könnte sie
viele Geschichten erzählen. Auf ihren Polstern wurden schon allerlei Themen
besprochen. Unwichtiges und Weltbewegendes. Von den Schwärmereien einer 13-Jährigen,
bis hin zu den Sorgen einer werdenden Studentin. Diskussionen, Streitereien,
tröstendes in die Arme fallen, Lachanfälle von der
Man-Bekommt-Bauchmuskelkater-Sorte und ruhige Abende. Auf dieser Couch haben wir
am Neujahresmorgen glücklich und betrunken Kekse gemampft und „Harry Potter“
geschaut, nachdem wir von einer Party nach Hause kamen. Auf dieser Couch wurde
eine Menge Wein und Tee konsumiert. Auf dieser Couch wurden Geschichten erzählt
– so auch heute.

Ich nehme Platz neben Regina auf den knallroten Polstern und
beginne von meinen Sorgen zu erzählen, die mir mein Umzug bereitet. Regina
berichtet von Schwierigkeiten im Arbeitsalltag. Und für Liebesfragen wird man
auch nie zu alt, auch diese werden diskutiert. Manchmal führen wir uns auf wie
kleine Hobbypsychologinnen und meinen, alles und jeden durchschauen zu können.
Das geht so lange gut,  bis eine von uns bitter
auf die Schnauze fällt. Dann wird klar: Wir hatten doch keine Ahnung. Und ab
und zu sind wir dann nicht gleicher Meinung. Weil wir aber beide gerne Recht
behalten, drehen und schrauben wir hier und da an unseren Argumenten, sodass
wir dennoch auf einen grünen Zweig kommen.  Sei es, wenn sich eine Diskussion um die
Medienlandschaft in Deutschland oder das politische System dreht . Dann klopfen
wir uns gegenseitig auf die Schultern. Naive Möchtegernallwissenheit.

Und so geht das nun seit Jahren schon. Regina und ich sind
beide von Zuhause ausgezogen und die rote Couch steht noch immer im Haus ihrer
Eltern. Aber manchmal, wenn wir beide einen höflichen Familienbesuch am
Wochenende machen und wir wieder zurück in unserem Heimatdorf sind, dann
treffen wir uns gerne wieder auf dieser roten Couch. Reden, diskutieren und
bilden uns ein, die Welt zu verstehen.

Text: Anastasia Trenkler

Foto:
Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Best-Of-Playlist unseres Lebens

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Unsere Autorin und ihr bester Freund aus Kindertagen sehen sich nicht mehr oft, seit er in Wien studiert. Ihre Freundschaft aber hält sich durch ganz viel Musik und ausufernde Gespräche darüber am Leben. Immer dann fühlen sie sich wie im siebten Musikhimmel.

Moritz
zu treffen, ist Musik für meine Seele. Die Gewissheit, dass das Leben
mir schon die richtige Melodie spielt und ich so durch die Welt tanzen
darf, wie ich möchte. Wir verlieren uns im Farbenrausch der Musikvideos von Tame Impala,
die so tiefgründig, bunt und wirr sind wie unsere Gespräche nach dem
dritten Glas Rotwein. Unsere Füße halten nicht mehr still, und ehe ich
mich versehe, werfen wir im Unter Deck die Sorgen von uns ab und tanzen
die Nacht durch nebeneinander her, jeder in seinen eigenen Rausch
versunken.

Solche befreiten Abende sind selten und deshalb erst recht Ereignisse
überschwappender Emotion, immer begleitet von einem passenden Liedtext
oder Rhythmus. Denn seit Moritz in Wien wohnt, beschränkt sich unsere
gemeinsame Zeit auf Konzertabende, mit denen ich ihn ab und an in mein
lieb gewonnenes München locken kann. Dann kommt er in meine Wohnung
gestolpert, mit der ersten Frage “Kennst du Parcels?”. Ehe ich
antworten kann, hat er schon Hideout, die EP der Parcels, bei Spotify
gefunden und spielt mir den ersten Track vor. Bei Schnipo Schranke
gröhlen wir uns die Songtexte entgegen. Das Feierwerk wird zu unserem
Musikhimmel, den die LEDs in Form von zwei riesigen Wolken, welche die
Bühne der beiden Hamburger Musikerinnen schmücken, suggerieren.

Als wir uns kennenlernten, gingen wir noch zur Schule – in der
überschaubaren Stadt Friedrichshafen am Bodensee, wo früher oder später
eben doch jeder jeden kennt – und fanden uns plötzlich auf einer Hütte
wieder, wie wir im Kabel-Wirr-Warr gefangen verschiedene
Steckkombinationen ausprobierten und Knöpfe drückten, bis wir endlich
die Musikanlage in Gang brachten und uns Milky Chance beschallte. Die
kannte damals noch niemand – außer Moritz. Euphorisiert verbrachten wir
den Abend neben den Musikboxen, diskutierten über Bands und erteilten Albenempfehlungen, bis schließlich im Morgengrauen jemand die Stecker
aus der Anlage zog und wir betrunken und bereichert in unsere Betten
fallen konnten.

Seitdem gleicht unser Whatsapp-Chat-Verlauf einer
Best-Of-Playlist unserer Leben. Ich kriege nicht sehr viel von Moritz’
Alltag in Österreich mit, aber wenn er auf einem Konzert war, erkenne
ich das an einem Youtube-Video, das am nächsten Morgen auf meinem Handy
aufploppt und Mommele – so habe ich Moritz eingespeichert – schreibt: “Hör dir das an, die sind richtige nice!“ Nice sagt Moritz übrigens
ziemlich oft. Zu oft, wie ich finde. Anfangs habe ich noch immer nur das
Gesicht verzogen, wenn er mit seinen Anglizismen einen Satz ruinierte. Irgendwann habe ich damit begonnen, die Zeile "Das ist nice, das ist
nice” aus Von Wegen Lisbeths Song Bitch zu singen. Deshalb hat er
trotzdem noch nicht aufgehört, dieses Wort zu benutzen, aber wenigstens
laufen wir dann eine Weile nebeneinander her und fragen uns singend: “Und
was ist sonst noch so passiert?”

Wenn ich Moritz vermisse, kann ich abwarten, bis endlich wieder
Weihnachten ist und wir gemeinsam in der winterlichen Idylle des
Bodensees der Langeweile trotzen. Oder ich zaubere mir einfach ein
bisschen Moritz-Energie in mich hinein. Dann packe ich mir Bilderbuch
auf die Ohren und stelle mir selbst die Fragen, auf die ich Moritz’
Antworten hören will. Und wenn ich genau hin höre, dann singt er mir diese vielleicht.


Text: Jana Haberkern

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Kippen-Kaffee-Kränzchen

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Aus der regelmäßigen Flucht vor schlechten DJs und Alkoholleichen hat sich die Freundschaft unserer Autorin und ihrer Freundin heraus entwickelt. Mittlerweile sind sie dickste Freunde. Ein bestimmtes Ritual verbindet sie besonders.

„Geh’n wir noch eine rauchen?“ Ich nicke. Irgendwie ganz selbstverständlich. Mechanisch stehe ich auf, und Mimi folgt mir nach draußen zur Tür. Wir schlüpfen in unsere Jacken und verlassen den kleinen Tisch unseres Lieblingscafés, dem Ort, an dem wir uns regelmäßig zum Reden und zur Suchtbefriedigung treffen. Mimi und ich teilen die selben Laster: Tabak, schwarzer Kaffee und gute Gespräche.

Gerne bezeichne ich Mimi als meine Raucher-Freundin. Wahrscheinlich weil damit alles begann. Auf Partys wurde uns das sinnlose Betrinken manchmal zu viel. Und wenn die Alkoholleichen begannen, hin und her zu wanken und sich taktlos und ohne Taktgefühl zu den schlechten Beats des DJs zu bewegen, dann suchten wir zusammen oftmals schnell das Weite. Oder die nicht all zu
weit entfernte Raucherecke. Dort konnten wir stundenlang gemeinsam quatschen und die Welt um uns herum vergessen.

Wir haben uns nicht gesucht und doch irgendwie gefunden. Vielleicht sind wir uns anfangs auch ein bisschen aus dem Weg gegangen. Und doch treffen wir uns mittlerweile ein Mal die Woche auf so eine Art Kippen-Kaffee-Kränzchen.
Da stehen wir nun also draußen vorm Café. Mimi in Chucks und Hippie-Hose. Ich im schwarzen Seidenkleid mit rot bemalten Lippen. Zwei Mädchen, auf den ersten Blick so unterschiedlich und doch verdammt gleich. Ein wenig seelenverwandt. Wir leben in ein und derselben Welt. Einer Welt, die so manch einer nicht verstehen kann.

Zurück am Tisch. Wir schlürfen beide unser schwarzes Glück aus großen weißen Tassen und reden. Denn wenn Mimi und ich reden, dann reden wir auch wirklich miteinander. Nur selten um den heißen Brei herum. Smaltalk, der liegt uns nicht. In jedem Gespräch wird ins Detail gegangen. Die eine erzählt, die andere hört gespannt zu. Wir berichten vom stressigen Arbeits- und
Schulalltag. Wir reden über Beziehungstiefen und Singlehöhen. Ich bringe Mimi Optimismus bei und lerne Pessimismus zu verstehen. Wir reden über den Sinn des Lebens und die Gesellschaft, die wir viel zu oft verfluchen. Wir schimpfen über Leistungsdruck und ständigen Konsum und wir lesen uns gegenseitig unsere Gedichte und Texte vor.

Mimi und ich sind manchmal so unterschiedlich wie Tag und Nacht, hip und Hippie, bunte Muster vs. schwarz und düster, Partynacht vs. neben dem Freund am nächsten Morgen aufgewacht, positive Gedanken vs. Schultern sacken. Und doch sind wir Aliens vom selben Stern, die sich von Kaffee und Kippen ernähren, viel zu gern.

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Tag, Nacht und Abenddämmerung

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Unsere Autorin hat das Gefühl, immer weniger mit ihren zwei besten, langjährigen Freundinnen gemeinsam zu haben – fühlt sich jedoch so wohl wie eh und je in ihrer Gesellschaft. Das Eine schließt eben das Andere nicht aus.

„Und, wie findet ihr das?“, fragt Michelle und schaut uns mit vor Begeisterung leuchtenden Augen und vor Freunde aufgerissenem Mund an. Wir sind in irgendeinem H&M-, Zara- oder Pimkie-Laden am Berliner Kudamm. „Das sieht aus wie eine Tischdecke“, sagt Caro, die bei Kleidung hohe Ansprüche hat, man könnte sie fast schon als Mode-Nazi bezeichnen, während ich versuche, zu überspielen, dass mir das alles eigentlich total egal ist und ich hoffe, dass unser Shopping-Tag endlich bald vorbei ist. Ich bestärke Michelle darin, das zu tragen, was sie will und nicht auf andere zu hören, schon gar nicht auf Caro, die inzwischen schon genervt mit den Augen rollt.

Während beide noch die Pro und Kontras des vielleicht bald neuen Kleids von Michelle diskutieren, denke ich darüber nach, wie wir hier gelandet sind. Die beiden sind schon seit der Schulzeit meine besten Freundinnen und ich konnte viele erste Male meines Lebens mit ihnen teilen: meinen ersten Liebeskummer, meine erste schlaflose Nacht aufgrund eines schrecklichen Horrorfilms, mein erstes Mal in einem Club, bei dem wir offiziell eigentlich nur bei einer Pyjama-Party bei Michelle Zuhause waren.

Ein paar Stunden später wollen wir, nachdem wir auf einem Konzert einer meiner Lieblings-Alternative-Rock-Bands aus New York waren, ein bisschen Berlin erleben und gehen natürlich in einen Techno-Club. Keiner gefällt das so richtig außer mir, und so finde ich mich nur ein paar Stunden später nach vielen Bier und langen Diskussionen um 4 Uhr morgens mit Caro am Rand im Matrix-Club wieder, bekannt aus der Serie “Berlin Tag & Nacht", und wir schauen Michelle kopfschüttelnd beim Tanzen und Grölen zu.

So viel uns damals miteinander verbunden hatte, heute sind wir umso unterschiedlicher. Während Michelle und ich inzwischen kaum noch etwas gemeinsam haben, fast schon wie Tag und Nacht sind, findet sich Caro irgendwo in der Mitte, ich würde sie als Abenddämmerung bezeichnen.

Was uns heute noch verbindet, ist nicht mehr die Liebe zur gleichen Musik, zu den gleichen Filmen oder die gleichen Hobbys. Heute ist es eine Vertrautheit, die uns zusammenhält, sich miteinander wohl zu fühlen, alle Sorgen hemmungslos teilen zu können und sich ohne Probleme auf liebevolle Art und Weise übereinander lustig zu machen. Wir kennen unsere Fehler, wir sagen uns alles ehrlich ins Gesicht.

Manchmal, wenn wir so zusammen sitzen, dann können Caro und ich uns nur lachend anschauen, während Michelle uns gefühlt wieder von jeder einzelnen Sekunde der letzten Party mit ihren neuen Freunden aus der Uni erzählt. Wir unterbrechen sie nur, um irgendeinen blöden Kommentar einzuwerfen. An solchen Abenden finde ich es schön, zusammen rumzublödeln ohne sich Gedanken zu machen, wie peinlich und kindisch wir von außen wirken könnten. Ich fühle mich irgendwie einfach wohl, irgendwie sorgenlos, irgendwie vertraut, irgendwie so, als wäre ich wieder 16.


Text: Gabriella Silvestri

Foto: Yunus Hutterer

Pizza für zwei

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Bei allen erdenklichen Situationen unserer Autorin mit ihrer Freundin Pati gibt es nur eine Lösung: die Pizza muss her. Ob an glücklichen oder unglücklichen Tagen, die Pizza ist Zeichen der Beständigkeit der Freundschaft zwischen den beiden.

Es ist bereits vier Uhr morgens, aber die Wimperntusche hält. Ein Erfolg war der Abend trotzdem nicht. Ich hatte Pläne, Strategien, aber irgendwie lief alles völlig schief. Pati schmeißt ihre Michael Kors auf ihr Bett und blickt mich traurig an.

„Pizza?“, fragt sie mich aufmuntert. „Pizza!“, bestätige ich. Schon sprintet sie in den Keller, dort wo sie die beste Pizza der Welt hervorkramen wird. Es ist eine billige Pizza Margherita, aber bei keinem schmeckt sie so lecker wie bei meiner Freundin Pati. Wir kennen uns seit der Schule und können auf eine jahrzehntelange Freundschaft zurückblicken, in der wir schon viel gelacht und geweint haben. Pizzaessen auf Patis Bett hat bei uns schon seit Jahren Tradition.

Wir essen Pizza, wenn wir hungrig sind. Und wir essen Pizza wenn wir traurig oder glücklich sind. Wir finden immer Gründe, um eine Pizza zu essen. Zum Beispiel nach dem Weggehen, wenn sich eigenartige Dinge ereignet haben. Wenn Tränen geflossen sind oder eine Beziehung zu Bruch ging. Wo Worte wenig Sinn machen, und nur die Pizza und die Anwesenheit des anderen uns den Halt geben, den wir brauchen.

Pizzaessen bei Pati vermittelt Geborgenheit. An schlechten wie auch an guten Tagen und Abenden. Es ist diese liebevolle Art, wie sie sich um mich sorgt, wenn sie auf dem Nachhauseweg eines Festes oder einer Party versichert: „Ich mach uns noch eine Pizza, ok?“ Es hat etwas sehr mütterliches, wenn sie in der Küche steht, extra Käse darüber streut, und mir verspricht, dass ich die größere Hälfte haben kann. Das sind die Momente, wenn Pati und die Pizza Trost spenden.

Aber auch an heiteren Tagen darf die Pizza Margherita nicht fehlen: Wenn wir Urlaubspläne schmieden oder im Internet sinnlose Dinge googeln – diese sakralen Momente untermauern wir mit einer gemeinsamen Pizza. Sie ist ein Symbol unserer Freundschaft, ein Ausdruck von Beständigkeit. Etwas zeitloses, dass auch in zehn Jahren niemals aus der Mode kommen wird.

Vielleicht ist es dann irgendwann nicht mehr die Mitternachts-Pizza nach dem Weggehen. Aber dieses Gefühl von Geborgenheit wird immer bleiben.


Text: Barbara Forster

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Der Breakfast Club

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Wenn die Großstadt ruft, werden Freunde zu Familie. Diese schöne Erfahrung macht unsere Autorin jeden Sonntagvormittag aufs Neue: beim familiären, ausgedehnten Frühstück mit ihren Liebsten.

Egal in welcher Stadt – neue (und beständige) Freunde zu
finden, ist nicht immer so einfach wie es scheint. Ich lebe nun seit knapp drei
Jahren in München und kann einen kleinen, aber für mich unverzichtbaren Freundeskreis
mein Eigen nennen. Genau aus dieser kleinen Ansammlung von Freigeistern,
Vollblut-Freiberuflern und angehenden Hobby-Psychologen hat sich im Verlauf der
vergangenen Wochen der „Breakfast Club“ entwickelt und geformt. Eines verrät der
Name schon im Vorfeld – es wird gefrühstückt.

Kaum ein Sonntag wird ausgelassen, um dem Alltagstrott zu
entfliehen und um ausgiebig mit seinen Freunden zu brunchen. Von Woche zu Woche
wird das Angebot immer reichlicher. Selbst Motto-Sonntage wurden schon
eingeführt. Von der Pancake-Party bis hin zum Weißwurst-Frühstück war bereits
alles schon dabei. Honigmelone mit Parmaschinken, Tomate mit Mozzarella und
geräucherter Lachs gehören schon längst zum Standardrepertoire. Besonders beim
Orangensaft muss ich gebremst werden – hohe Suchtgefahr.

Bei einem ganz spontanen sonntäglichen Treffen mit paar Brötchen
und bisschen Aufschnitt wurde die Idee zum „Breakfast Club“ ins Leben gerufen. „Lass
das mal öfters machen“ oder „das nächste Mal bring ich die Brötchen mit“ wurde
nicht nur einmal an besagtem Vormittag ausgerufen. Das sogenannte „Clubhaus“
unseres Frühstück-Komitees befindet sich in einer WG im guten alten Schwabing.
Anlaufstelle für alle, die auf der Suche nach sozialen Kontakten sind. Funfact
zur Wohngemeinschaft: vergangenes Jahr zu dieser Zeit wohnte noch ich dort in einem
der Zimmer. Wie es das Schicksal so wollte, löste sich meine WG auf und ich
vermittelte sie an Freunde von mir weiter – Mike, Jess und Marcello – der
„harte“ Kern des „Breakfast Clubs“. Keine andere Konstellation an Menschen
hätte der Wohnung mehr Leben und Liebe einhauchen können als diese.

Von den bereits angesprochenen Freigeistern und Co. findet
sich auch die ein oder andere Person an der sonntäglichen Tafel wieder. Marcello, der italienische Chefkoch – seine Rühreier gelingen immer und „tutto bene“ -, beschreibt es nicht mal ansatzweise. Amelie mit dem trockensten und
schwärzesten Humor glänzt durch perfekte Assistenz in der Küche. Mike, unser Businessman
in der Runde, auch bekannt als „Ohne Nutella geht gar nichts“, brilliert durch seine
Fachkenntnisse im Bereich „Eigentlich Alles“. Nicht zu vergessen wäre da noch
Michaela – unsere allseits beliebte Avocado-Fanatikerin. Schon jegliche Avocado-auf-Brot-Variante wurde verköstigt. Sandrin weiß zwar laut Michaele nicht, wie
es sich gehört, die Butter richtig abzustreichen – dennoch lieben wir sie durch
ihren Frohgemut (und ihre Locken). Ihre ganz eigene „Bruncher-Uniform“ hat sich
Jess zusammengestellt. Mit wehendem Kimono und Kaffeetasse in der Hand wird
erstmal auf dem Balkon Sonne getankt, bevor es danach voller Elan an die
Brötchen geht. Und zu guter Letzt meine Wenigkeit – die immer ein leeres
Orangensaftglas vor sich stehen hat und am Ende meistens dazu auffordert, „Heads
Up“ zu spielen.

Natürlich gibt es immer wieder mal „Gast-Bruncher“. Freunde und
Freunde von Freunden werden nach und nach dazu eingeladen. Schon des Öfteren
kam es vor, dass der große Tisch uns zu klein wurde. Wirklich jeder ist
willkommen und steuert auf seine ganz eigene Art und Weise etwas zu unserer
bunt gemixten Runde bei. Die eine bringt selbstgebrachten Hummus mit, der
andere kümmert sich um weitere Brötchen und andere bringen ein dutzend
Croissants oder Apfeltaschen mit. Langweilig wird es Sonntagvormittag nie –
egal an welche Ecke des Tisches man sich zuwendet: überall wird sich zu den
unterschiedlichsten Themen ausgetauscht.

Selbst Ausflüge zu den spektakulärsten Orten (Bayernpark,
Partnachklamm und Co.) sind schon geplant. Gemeinsame
Abendprogramme in Bars und Konsorten schweißen schon nach so kurzer Zeit
zusammen –  es artete schon so weit aus,
dass sogar eine eigene What’s-App-Gruppe mit dem Namen „Breakfast Club“ existiert.

Warum eigentlich das Ganze? Es ist ganz einfach: Wenn die
Großstadt ruft, werden Freunde zu Familie.


Text: Lisa Katharina Spanner

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Stangenfreundinnen

Unsere Autorin und ihre Freundin verbindet ein besonderes Hobby: der Poledance. Sie zeigen sich die neuesten Moves, die schmerzendsten blauen Flecken – und ihre jeweiligen Kochkünste.

Elegant
läufst du zur Stange hin. Du machst zunächst den „Polestep“, auf den der
„Flamenco“ folgt, bevor es dann zum „Bodenwischer“ geht und du wieder
aufstehst. Unsere erste gemeinsame
Stunde Poledance. Immer den Anweisungen der Trainerin folgend setzen wir
synchron die Choreographie zusammen. Ich habe mir gleich gedacht, dass du
bereits mehrere Kurse besucht haben musst, da die Bewegungen bei dir so mühelos
aussahen. Ich hatte recht: Auf dem Weg zur U-Bahn habe ich dich gefragt, den
wievielten Kurs du besuchst – eine obligatorische Frage, die sich alle
Teilnehmerinnen stellen, wenn sie sich das erste Mal sehen. Dies wäre dein
sechster Anfängerkurs, wir hatten also Gleichstand. Ich bewunderte dich, wie gut
du schon warst: Du hast schließlich schon „Spinning“-Kurse besucht, bei der man
Choreographien an der rotierenden Stange übt und standest kurz vor einem
Aufbaukurs, mit dem man schon zu den Fortgeschrittenen gehört.

In der U-Bahn
haben wir uns dann sofort darüber ausgetauscht, welche Kopfüber-Figuren wir
bereits können und welche wir unbedingt noch lernen möchten. Du hast mir Tipps
gegeben, wie der „Cross Ankle Release“ funktioniert und ich habe dir von den
unendlichen vielen blauen Flecken vom „Gemini“ berichtet. Immerhin sind wir
beide uns einig, dass uns noch ein langer und schmerzhafter Weg bis zum Spagat
bevorsteht.

Aline und ich
wurden schnell zu Poledance-Buddies. Drei Tage nach unserer ersten gemeinsamen
Stunde trafen wir uns in einem anderen „Floor and Pole“-Kurs wieder, bei dem
der tänzerische Aspekt im Vordergrund steht – zufällig. Wir freuten uns riesig
und von da an teilten wir uns immer gemeinsam eine Stange. Wir übten gemeinsam
die Choreos und gaben uns gegenseitig Feedback. Gemeinsam regten wir uns auf,
dass uns einfache Figuren wie der „Stand up“ oder „Ballerina“ einfach nicht
gelingen wollten. Und nach jeder Woche tauschten wir uns darüber aus, wo man
überall Muskelkater bekommen hat und welcher blaue Fleck besonders schmerzvoll
war.

Nach den
Kursen fuhren wir immer gemeinsam bis zum Sendlinger Tor. Wir verstanden uns
immer besser, tauschten Nummern aus und irgendwann hast du mich zum Crepes-Essen
eingeladen und meintest, dass du selbstgemachten Schokoaufstrich hättest. Ein
Schokojunkie wie ich sagt da natürlich nicht nein. Wenn ich an die Crepes mit
dem Aufstrich denke, läuft mir heute noch das Wasser im Munde zusammen. Bis
spät am Abend haben wir Crepes gegessen und du hast mir stolz deine
selbstgenähten Kleider gezeigt und erklärt, welche Stoffe du benutzt hast und
was du noch planst. Ich bleibe der Überzeugung treu, dass aus dir irgendwann
eine berühmte Designerin werden wird.

Ein paar
Wochen später stehe ich in der Küche und lege Paprika ein. Nun bin ich an der
Reihe, dich zu bekochen und möchte dir die albanische Küche näherbringen. Als du
ankommst, fällt dir lachend auf, dass der ganze Gang nach Paprika riecht und
wir müssen beide grinsen. Immerhin schmecken dir die Paprika, wenn sie
auch mit Joghurt leckerer waren als pur. Bis spät am Abend unterhalten wir uns.
Über viele persönliche Dinge. Über das, was wir für die Zukunft planen. Und
welches französische Gericht du für den nächsten Kochabend planst.

Neulich trafen
wir uns zufällig in der Uni wieder. Und siehe da: Ohne sich abgesprochen zu
haben, haben wir beide denselben Aufbaukurs gebucht – ganz zufällig.
Ich freue mich schon sehr darauf, mit dir wieder eine Stange zu teilen und sie
zu rocken.

Irgendwann
werden wir beide so gut sein, dass wir unseren eigenen Kurs halten und bringen
den Teilnehmerinnen den „Gemini“ und den „Cross Ankle Release“ gemeinsam bei.

Text: Serafina Ferizaj

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Automatische Tränendrüse

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Wenn unsere Autorin mit ihrer besten Freundin Kitschfilme guckt, muss niemand Stärke beweisen: Die Tränen rollen die Wangen runter, die Wimperntusche löst sich auf – und beide sind froh, vor dem anderen echte Gefühle zeigen zu dürfen.

Mein Blick wandert nach links. Auf Annas Wange hinterlässt
gerade eine Träne eine schwarze Spur Mascara auf ihrer Wange. Ihre Hand  tastet nach der Taschentuchbox, die in
Reichweite auf dem Tisch steht. Auf dem Bildschirm meines Laptops liest Louisa
Clark gerade einen Brief ihres vor kurzem verstorbenen Geliebten Will Traynor
vor, indem er ihr viel Glück für einen Neubeginn ohne ihn wünscht. So kitschig.
Aber auch so traurig. Automatisch steigen auch mir Tränen in die Augen.

Schon seit wir im Teenager-Alter zusammen das erste Mal den
Film „P.S. Ich liebe dich“ gesehen haben, ist es unser Ritual, gemeinsam
besonders kitschig-traurige Filme zu schauen. Wir beide sind, wie man so schön
sagt, etwas nahe am Wasser gebaut. Ein Merkmal, das mir sonst immer eher
peinlich ist. Denn so schnell möchte niemand als Sensibelchen abgestempelt
werden. Doch bei den Filmabenden mit Anna wird diese Eigenschaft zu einer
schönen Gemeinsamkeit. Die kleinen Gefühlsausbrüche werden geteilt. Und unser
Zusammengehörigkeitsgefühl wächst mit jedem Taschentuch, das vollgeschnäuzt auf
dem Tisch landet.

Es schweißt zusammen, wenn man ein paar Mal gemeinsam so
richtig schön bei einem kitschigen Liebesfilm geweint hat. Doch nicht nur
weinen kann ich mit meiner besten Freundin. Auch herrlich kindische Lachanfälle
gehören zur Tagesordnung, wenn wir zusammen Zeit verbringen. Und vor ihr kann
ich nicht nur offen und ehrlich meine Emotionen zeigen, sondern auch über meine
Gefühle sprechen. Denn Liebesdramen à la „Er steht einfach nicht auf dich“ oder
„Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ finden nun mal auch im echten Leben
statt. Und müssen mit einer guten Freundin beredet und analysiert werden. Anna
ist so eine Freundin, mit der ich solche Dramen durchstehen kann. Ob nun als
Zuschauer vor dem Bildschirm oder im realen Leben.  

Wenn der Abspann läuft, nach einem besonders traurigen Film,
verweilen wir beide noch ein paar Momente auf meinem Sofa. Mit geröteten Wangen
und glasigen Augen. Irgendwann schauen wir uns dann an und müssen etwas
verlegen grinsen. Denn dann wird uns wieder bewusst: Die soeben tränenreich
gewürdigten Geschehnisse finden im fiktionalen Raum statt. Also ist es
eigentlich völlig übertrieben, darüber so viele Tränen zu vergießen. Und doch
werden wir beim nächsten traurigen Nicholas-Sparks-Film wieder gemeinsam
heulend auf meinem Sofa sitzen. Ganz bestimmt.

Text: Amelie Völker

Foto: Yunus Hutterer