Zeichen der Freundschaft: Analog connected

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Seitdem der technikverweigernde Jugendfreund unseres Autors nach Leipzig gezogen ist, herrscht so gut wie Funkstille zwischen den beiden. Trotzdem schaffen sie es, ihre Freundschaft am Leben zu halten – durch eine eher analoge Herangehensweise.

Er ist mehr Neandertaler als Weltenbürger des 21. Jahrhunderts. Einen
Computer besitzt er nicht, auch keinen Laptop, geschweige denn ein Tablet oder
ähnlich smarte Scheiben. Sein Mobilfunkgerät stammt noch aus Zeiten, in denen
dieser altertümliche Begriff noch üblicher war als das Wort Handy oder gar
Smartphone. Aus einer Zeit weit vor der Erfindung des World Wide Web. Einen
Festnetzanschluss besitzt er auch nicht, und somit bleibt im Grunde nur der
Briefkasten als Pforte zur Außenwelt.

Und auf den
bin ich im Fall meines Freundes Philipp ziemlich angewiesen, um mit ihm nur
irgendwie in Kontakt zu bleiben. Denn er ist weggezogen, nach Leipzig, um dort
seinen Weg als Theaterschauspieler zu machen.

Damals,
bevor er aus meinem Leben so plötzlich verschwand, wie die Sonne hinter den
Wolken an einem windigen Oktobertag, taten wir beide nie viel um uns zu sehen.
Es geschah einfach. Man traf sich zufällig im Viertel und ging spontan Eis
essen. Man sah sich auf Jamaram-Konzerten, zu denen eh der gesamte
Freundeskreis pilgerte. Man klingelte mal schnell an die Haustüre, wenn man
gerade zu hochgradig lebensentscheidenden Themen einen engen Vertrauten brauchte.
Wie viele laue Sommernächte verbrachten wir gemeinsam an den verschiedensten
Lagerfeuern dieser Welt. Mal ganz stumm, jeder für sich in den Bann des Meeres
aus Flammen, Glut und Funken gezogen. Mal lauthals johlend: „Country roads,
take me to my sweet home Alabama, on a stairway to heaven“. Er über seine
Cajon, ich über meine hoffnungslos verstimmte Gitarre gebeugt. Unendlich
glücklich. Und wissend, dass auch diese Phase unseres Lebens mal vorbei sein
wird.

Kennengelernt
hatten wir uns mit 14 in der Konfirmationsgruppe, in einer Phase voller
pubertärer Verwirrung und geistiger Umbrüche, und ich denke wir halfen uns
damals gegenseitig, in dieser zunehmend absonderlich erscheinenden Welt Fuß zu
fassen. Von daher rührt noch dieses Urvertrauen, das wir seitdem ineinander
hatten und ihn zu einem meiner engsten Freunde machte.

Doch seit uns
diese eigentlich läppischen 430 Kilometer trennen, existiert unsere
Freundschaft in der Praxis so gut wie gar nicht mehr. Unser, jedoch vor allem
sein Alltag, hat mich einfach aus dem Kalender gestrichen. Ich verliere so
langsam die Hoffnung auf einen Brief, eine Mail oder zumindest eine
klitzekleine SMS von meinem guten alten Freund – und frage ich mich, was ich
wohl falsch gemacht habe, um nach Jahren voller Dauerpräsenz scheinbar so
austauschbar geworden zu sein.

Und doch,
während ich so in meinem Gedächtnis grabe und dem Menschen Philipp nachforsche,
fällt mir etwas auf: Es musste so kommen. Und es ist gut so. Denn ein
gezwungenes Kontakt-Aufrechterhalten durch regelmäßiges Schreiben und Telefonieren
hätte unsere Freundschaft auf Dauer nur belastet. Er ist einfach ein ewiger
Eigenbrötler, und ich bin es vermutlich auch. Sobald beide Seiten diesen
Charakterzug nicht allzu persönlich nehmen, kann auch solch eine Freundschaft
gleiche Intensität behalten – nur eben ist sie die meiste Zeit im
Stand-by-Modus.

Und je öfter
Philipp mal eben ganz spontan nach vier Monaten ohne jegliches Lebenszeichen im
eigenen Wohnzimmer auftaucht, die Stimmung zwischen uns genauso ausgelassen ist
wie vor fünf Jahren, er ebenso schnell wieder nach Leipzig abhaut und für eine
Zeit lang komplett abtaucht, bis sich das Ganze nach fünf Monaten wiederholt;
ja, desto weniger Sorgen mache ich mir um unsere Freundschaft. Denn es ist ein
Irrglaube, permanente gegenseitige Informationsflut über WhatsApp, Facebook
oder Skype würde eine echte, mit Händen zu greifende Freundschaft nur
ansatzweise ersetzen. Die sozialen Medien helfen dabei, gegenseitig auf dem
Stand zu halten, manchmal auch sich nicht komplett aus den Augen zu verlieren.
Doch tiefe freundschaftliche Verbundenheit können sie auch nicht erhalten –
darum muss man sich schon selber kümmern.

Und bei all
dem Sinnieren überwiegt dann doch immer wieder die Vorfreude auf den Moment,
wenn Philipp urplötzlich vor mir steht und ich erst mal drei Sekunden brauche,
um die Erscheinung vor mir zu begreifen.

Er ist meine
Sonne an einem windigen Oktobertag.


Text: Tilman Waldhier

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Im Namen des Döners

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Unseren Autoren und seinen alten Schulfreund verbindet außer der
Liebe zu Musik und Sport noch eine andere Leidenschaft: der Döner. So
verbringen sie stets die letzten gemeinsamen Minuten nach einer
durchgefeierten Nacht in der Dönerbude – und zelebrieren diese wie eine
heilige Prozession.

Spätnachts, irgendwo am Sendlinger Tor. „Gibst du heut ‘ne
Runde aus?“, ruft mir Lorenz mit Blick in seinen Geldbeutel quer durch den
Raum zu. Ich zwinkere ihm zu und strecke meinen Zeige- und Mittelfinger dem
Typen hinter dem Tresen entgegen. Zweimal bitte. Mit extra scharf. Er nickt.
Ich nehme die Bestellung entgegen und setze mich zum Lockenschopf in die Ecke
des stickigen, würzig parfümierten Raumes. Unsere Prozession kann beginnen.

Irgendwann haben Lorenz und ich begonnen, statt des letzten –
oft fatalen – Bieres unsere gemeinsamen Konzertabende rituell in der Dönerbude
ausklingen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir beide nicht nur dieselbe
bedingungslose Liebe zu dieser fleischgewordenen Droge entwickelt. Nein, die
gefüllten Fladenbrote waren schon längst zu so etwas wie dem Kleister einer
wunderbaren musik- und sportgeprägten Freundschaft geworden.

Die gesamte Schulzeit über saßen Lorenz und ich im selben
Backsteinklotz. Doch es geschah in den – dönergeprägten – Mittagspausen, in
denen aus einfachen Pausenbekannten sehr gute Freunde wurden. Mit geteiltem Leid
und geteilten Leidenschaften. Lorenz spielte schon immer weitaus besser Klavier
als ich. Dafür gab es immer ein paar Moves, mit denen ich ihn beim Basketballspielen
in den Wahnsinn treiben konnte. Trotz seiner Größe und seiner um einiges
sportlicheren Statur.

Eine ganz besondere Sehnsucht zieht uns allerdings immer
wieder in diese nach Knoblauch und Grillfleisch riechenden, von orientalischer
Musik und fremden Sprachen beschallten Imbiss-Schuppen. Für diese seltsame,
fast schon sakrale Leidenschaft werden wir selbst von unseren besten Freunden belächelt. Und irgendwie haben sie ja Recht. Eine klassische
Döner-Diät ist meilenweit davon entfernt, besonders gesund oder ökologisch
sinnvoll oder gar irgendwie attraktiv zu sein.

Doch gibt es etwas, das mich beim ersten Bissen in das
ofenfrische Fladenbrot alle Zweifel und logischen Argumentationen vergessen
lässt. Wenn sich der Fleischgeschmack im Gaumen entfaltet und die Mundwinkel
ganz weiß sind von der Knoblauchsauce, dann ist alles andere nebensächlich.
Dann ist die Welt für einen kurzen Moment in bester Ordnung. Sie ist so schön.
So friedlich. Es ist wie im Rausch.

Dieser Rausch ist immer dann am schönsten, wenn ihm ein ganz
anderer bevorstand. Der aus Musik, schweißtreibenden Tanzeinlagen und massigem
Bierkonsum. Nach solchen Exzessen betreten wir auch heute die halbleere
Dönerbude mit einer Demut, die eigentlich in die Kirche gehört. Lorenz und ich
sind beide weit davon entfernt, religiös zu sein. Und so verehren wir lieber
den Mann hinterm Tresen, der uns Nacht für Nacht mit unserem Stoff versorgt.
Der Stoff, mit dem wir die besten und lustigsten gemeinsamen Momente hatten.
Und so beenden wir schweigend, jeder in seiner seligen Döner-Welt vertieft, den
sakralen Akt. Schwingen uns durch die Tür in die Münchner Nacht hinaus. Satt
und glücklich. Und mit dezentem Knoblauchatem.

Text: Louis Seibert

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Ferne Freunde

Unsere Autorin erinnert sich diese Woche an die Zeit mit ihrer ehemals beste Freundin. Die Betonung liegt ein wenig auf dem Wort ehemals. Denn manchmal werden auch die früheren besten Freunde im Laufe der Jahre nur noch zu Bekannten.

„Wir waren mal beste Freundinnen“ – mit diesem Satz eine
Geschichte über Freundschaft zu beginnen, ist wohl nicht das beste Zeichen. Und
dennoch ist es ein Zeichen der Freundschaft. Der Freundschaft zwischen Lara und
mir. Meiner ehemals besten Freundin und immer noch Freundin.

Wir kennen uns schon seit der 6.Klasse, da waren wir aber
noch in verschiedenen Cliquen und kamen nicht wirklich viel in Kontakt. So
richtige Freundinnen wurden wir dann in der 10. Klasse und da wurde es gleich
eine sehr enge Freundschaft. Wir hatten fast nur noch gemeinsame Freunde,
telefonierten jeden Abend etwa zwei Stunden – obwohl wir uns manchmal den
ganzen Tag schon in der Schule gesehen hatten – und scherzten
irgendwann nur noch über Insider-Witze. Ständig steckten wir zusammen, halfen
uns gegenseitig mit der Schule, Lara war gut in Chemie, ich in Mathe. Wir
machten gemeinsam Abitur und schworen uns auf dem Abschlussball die ewige
Freundschaft. Natürlich war auch damals nicht immer alles „Friede, Freude,
Eierkuchen“ aber wir waren einfach auf einer Wellenlänge. Nach dem Abitur
reisten wir noch gemeinsam nach Bali und hatten eine super Zeit mit Partys am
Strand, Entdeckungstouren durch Tempel und Affen auf der Schulter.

Doch irgendwann, ich weiß gar nicht mehr genau wann, entwickelten
sich nicht nur unsere Vorstellungen vom Leben, sondern auch unsere Charaktere auseinander. Ich zog erst für einige Monate nach Spanien und dann
nach München, Lara blieb bei ihren Eltern in einem Vorort wohnen, wechselte den
Studiengang und hatte immer noch ihren Freund in unserem Heimatdorf. Ich lernte
viele neue Leute kennen, Lara blieb eher bei unseren Kumpels von zuhause.

Es ist wohl einfach ganz normal, dass sich Kinder- und
Jugendfreundschaften auseinander entwickeln. In der Schule hat jeder die
gleichen – oder zumindest ähnlichen – Probleme, Träume und Lebensweisen.

Und das ist keine Geschichte über eine ehemalige
Freundschaft: Lara und ich sind immer noch Freundinnen und werden es wohl auch
immer bleiben. Uns verbindet so viel, so viele Erinnerungen und Geheimnisse.
Immer wenn ich ein Lied höre, zu dem wir damals getanzt und mitgesungen haben, dann
schicke ich es sofort an Lara: „Hey weißt du noch als wir in London waren und
dieser komische Typ uns geholfen hat in den Club reinzukommen? Da war das doch
das erste Lied, das drinnen lief.“ Und sie antwortet: „Haha ja klar erinnere
ich mich. Das war so ein guter Abend.“ Dann bringen wir uns auf den neusten
Stand und schwören uns, dass wir bald mal wieder was unternehmen. Meistens gerät
das dann wieder in Vergessenheit, aber das ist schon okay so. Wir haben eben irgendwie beide unser eigenes Leben ohne allzu viele Schnittstellen. Aber zu
jedem Geburtstag laden wir uns ein und auch mit unseren alten Freunden
unternehmen wir bei Gelegenheit was. Und wer weiß, vielleicht sage ich ja irgendwann
wieder „meine beste Freundin Lara“.

Text: Antonia Franz

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Heitere Heiratsanträge

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Kitschige Teenie-Filme in Endlosschleife und unverkrampftes Philosophieren über die ungewisse Zukunft: Unsere Autorin steht ihrer guten Freundin so nah, dass bei den beiden sogar schon Hochzeitsstimmung aufkommt.

Sie fällt vor mir auf die Knie. Mitten auf der
Tanzfläche. Und streckt mir einen meiner eigenen Ringe entgegen. „Willst Du
mich heiraten, Kathi?“ ruft mir Heide über Bilderbuchs
„Maschin“ hinweg zu. Ich nicke, hüpfe vor Freude auf und ab und falle ihr
stürmisch um den Hals. Von den umstehenden Menschen ernten wir verwirrte
Blicke.

Es ist Samstagabend. Oder wahrscheinlich eher
Samstagnacht. Eine gewisse Menge Bier und die aus den Boxen strömende Euphorie
der Musik sind uns ein wenig zu Kopf gestiegen und haben uns wohl graduell
übermütig werden lassen. Es ist nicht der erste Spaß-Heiratsantrag, den Heide
mir macht. Es gab schon einige. In ähnlichen Situationen und ähnlicher
Umgebung. Und das, obwohl es gerade einmal knapp drei Jahre her ist, als wir
uns einander als schüchterne Erstsemester vorstellten.

Heute wohnen wir im gleichen Haus – nur drei
Stockwerke voneinander entfernt – und verbringen so viel Zeit miteinander, dass
es uns tatsächlich manchmal wie eine Ehe erscheint. Ich wüsste nicht, mit wem
ich sonst zum eintausendsten Mal die gleichen kitschigen Teenie-Filme anschauen
würde. Wem ich lieber die Reste meiner in maßloser Selbstüberschätzung
gekochten, viel zu großen Portion Nudelauflauf geben würde. Wer mir sonst die
herrlichsten und kuriosesten Geschichten der letzten Nacht erzählen würde. Und
mit wem ich sonst so unverkrampft und offen über die Zukunft, die Liebe und die
grausame Welt philosophieren könnte.

Ernsthaftes Heiraten und die Ehe sind in unserer
Generation irgendwie out. So kommt es mir jedenfalls vor. Die Menschen haben
Angst, sich aneinander zu binden oder erachten das Ganze als ein
rückschrittliches Konstrukt. Auch Heide erklärt mir jedes Mal, wenn wir das Thema
in ewigen Diskussionen über unsere jeweilige Zukunft anschneiden, dass sie niemals
heiraten will, während ich an meinen vielleicht etwas naiv-spießigen Träumen
von einer Zukunft mit Mann und Kindern festhalte. „Es gibt doch eh keinen
G’scheidn“, stellt sie dann seufzend fest.

Trotzdem und eigentlich gerade deshalb freue ich
mich jedes Mal über den immer wiederkehrenden, alkoholgeschwängerten Heiratsantrag
von Heide. Wenn sich die Menschen in unserer Generation nicht mehr dazu
entschließen aus Liebe zu heiraten, warum dann nicht einfach aus Freundschaft?


Text: Katharina Würzberg

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Diktate und Diddl-Blätter

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Die frühere Konkurrentin in der Schule entpuppt sich im Laufe der Jahre als sehr gute Freundin. Unsere Autorin beschreibt eine Reise

über Umwege

hin zu einer Freundschaft, die auch trotz Entfernung immer noch standgehalten hat.

Erste
Klasse, Deutschunterricht. Die Lehrerin teilt die verbesserten Diktate aus und
du bekommst ein großes Lob. Nur ein Fehler, Klassenbeste. Dein Blick geht in
meine Richtung und du schaust mich triumphierend an. Ich schaue mit bösem Blick
zurück. Auch ich bekomme ein Lob, bei mir sind es aber zwei Fehler. Dieses
Erlebnis war der Auftakt eines vierjährigen Kampfes in der Grundschulzeit: Wer schreibt
die besseren Diktate? Mal hast du gewonnen, mal ich. Einmal waren wir beide die
Besten: „Helene und Serafina, ihr könnt stolz auf euch sein, ihr habt keinen
einzigen Fehler gemacht.“ Anstatt vor Freude zu strahlen, haben wir uns aber wieder
gegenseitig böse angeschaut, weil dieses Mal keine über die andere triumphieren
konnte.

Irgendwann
haben wir dann gemerkt, dass wir beide Diddl-Blätter lieben. Wir trafen uns
mehrere Nachmittage in der Woche, tauschten bunte Blätter aus und diskutierten
fachmännisch, welche davon mehr Wert hätten und welche man nicht gebrauchen
könnte. Natürlich kam der ein oder andere neidvolle Blick, wenn ich den neusten
Diddl-Radiergummi hatte oder du deinen neuesten Diddl-Kalender gezeigt hast.
Aber wir fingen an uns zu mögen und haben dann auch eine andere gemeinsame Leidenschaft
entdeckt: Das Tanzen. Jeden Dienstagnachmittag sind wir zur Tanzschule gefahren
und waren immer bei Auftritten oder während des Trainings Tanzpartnerinnen.
Noch heute hab ich die Anweisungen der Tanzlehrerin im Kopf: „Vor, rück, cha
cha cha, rück, Platz, cha cha cha, Drehung kommt, cha cha cha…“.

Auf dem
Gymnasium haben wir beide jeweils einen eigenen Freundeskreis gefunden. Wir
haben dadurch zwar wenig miteinander unternommen, uns aber nie aus den Augen
verloren. Sei es wegen eines gemeinsamen Referats, um unsere Geschichtsnote mit
Napoleon aufzubessern, oder weil wir auf Geburtstagspartys Klingelstreiche
gemacht haben. Mal haben wir uns fürchterlich gestritten und dann waren wir die
besten Freundinnen. Diese Freundschaft wurde auch nach der zehnten Klasse
weitergeführt, als wir beide die Schule wechselten. Wir haben uns nicht mehr
täglich gesehen, doch wir konnten uns immer auf die Andere verlassen.

Nach dem
Abitur ging jede ihren eigenen Weg. Du bist zum Studieren nach Hessen gezogen
und ich in die bayerische Landeshauptstadt. Wir haben uns deutlich seltener
gesehen. Doch trotz der größeren Distanz wurde die Freundschaft enger als je
zuvor, was daran lag, dass wir uns über mehrere Jahre seitenlange Briefe
geschrieben haben – der Rekord liegt bei 70 Seiten. Gerne denke ich an meinen
Weg zum Briefkasten zurück: Mit der Hoffnung, dass der Postbote den sehnlichst
erwarteten Umschlag dabei hat. Die Freude, wenn die „Lach-
und Sachgeschichten“ dann endlich angekommen waren und ich dazu kleine
Geschenke in Form von Fotos, Karten oder Süßigkeiten bekommen hatte. Jedes Mal
habe ich mich auf deine Geschichten gefreut: Seltsame Begegnungen,
Missgeschicke oder Flüche, weil der Lieblingskugelschreiber beim Schreiben seinen
Geist aufgegeben hatte. Dank dieser Briefe hat es sich nie danach angefühlt,
dass 300 Kilometer zwischen uns lagen.

Nun hat es
dich auch nach Bayern verschlagen (auch wenn ich dank dir gelernt habe, dass die
Franken keine Bayern sind): Wir sehen uns endlich wieder häufiger und stoßen
mit Weinschorle auf unsere Freundschaft an. Wir ernten entgeisterte Blicke vom
Türsteher, wenn wir bei der Taschenkontrolle vor einer Bar unsere vollen Tüten
mit den Schuhen von unserer Shoppingtour zeigen. Nachts um drei gönnen wir uns
dann Pommes. In solchen Momenten bin ich dankbar für diese wertvolle
Freundschaft und die vielen gemeinsamen Erinnerungen. Ich kann es kaum glauben,
dass wir uns vor 17 Jahren mal böse angeschaut haben.

Wir haben
uns beide weiterentwickelt, aber eine Sache ist gleich geblieben und wird
hoffentlich immer gleich bleiben: unsere Begrüßung. Wir schauen uns damals wie
heute beim verabredeten Treffpunkt verwirrt um, laufen ein paar Mal aneinander
vorbei. Nach einigen Minuten sehen wir uns dann endlich, brüllen zeitgleich
„Sirraaaa“, „Heliiii“ und rennen aufeinander zu. Wer hätte gedacht, dass aus zwei
Konkurrentinnen mal so gute Freundinnen werden können?

Text: Serafina Ferizaj

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Aller guten Dinge sind drei!

Ein Dreiergespann in einer Freundschaft kann kompliziert, oder aber auch ganz zauberhaft sein. Unsere Autorin hat das Glück, ein solches Gespann von der zweiten Sorte zu haben, das sie schon ihr ganzes Leben lang begleitet.

Ein warmer Sommertag – irgendwann
zwischen 1996 und 2017. Wir stehen nackt im grünen Garten. Dicht
aneinandergereiht und unter großen, gelben Sonnenschirmen. Hinter
uns ein türkisfarbenes Planschbecken, nicht größer als das darin
liegende orangefarbene Schlauchboot. Die Sonne kitzelt uns auf
unseren kleinen Bäuchen. Wir beißen unbeschwert in Amerikaner mit
viel Zuckerguss und lachen dabei verschmitzt in die Kamera. Es
schmeckt uns sichtlich und wir genießen den Moment.

Wir, das sind Amelie, Isabella und ich.
Drei Mädchen, die sich mit ihren unschuldigen Locken, dem
Topfhaarschnitt und den zarten Sonnenstrahlen im Gesicht auf dieser
Aufnahme so ähnlich sehen. Und doch könnten wir unterschiedlicher
nicht sein. Ein Moment aus den vielen Momenten unseren bisherigen
Lebens, die wir miteinander teilen durften und in denen wir wohl alle
drei das gleiche Glück empfanden: das Glück über eine tiefe und
enge Freundschaft.

Den Beginn unserer langen Freundschaft
haben wir unseren Müttern zu verdanken, die uns vor über 20 Jahren
fast zeitgleich auf die Welt brachten. Bei wöchentlichen Treffen
unserer sogenannten „Krabbelgruppe“ wurden wir liebevoll
miteinander bekannt gemacht. Uns wurden nebeneinander die Windeln
gewechselt, wir sind zusammen um die Wette gekrabbelt, haben zusammen
das Sitzen, das Laufen und die ersten Worte sprechen gelernt.

Auch wenn wir uns alle drei nur wenig
an unsere frühesten Kindheitstage erinnern können, so gibt es viele
Fotos und Erzählungen unserer Mütter, die uns glauben lassen, dass
wir bereits damals das Gefühl von starker Freundschaft verspürten.
Es sind die tiefen Wurzeln, die vielen gemeinsamen Erinnerungen, das
Wissen, dass wir immer füreinander da sind und immer da sein werden,
die unsere Freundschaft zu etwas ganz Besonderem machen. Und so ist
es heute nicht schlimm, wenn sich unsere Wege auch einmal trennen. Es
ist sogar gut so, denn wir sind erwachsen geworden. Eine jede hat
andere Ziele und Träume im Leben, die sie erreichen möchte. Eine
jede verfolgt ihren eigenen Weg und entwickelt sich weiter. Wir
werden älter. Umso schöner ist es, wenn wir es schaffen, uns zu
sehen. Stundenlang erzählen wir uns von unseren unterschiedlichen
Wegen, den jede von uns für sich geht. In diesen Momenten sind wir
uns wieder ganz nah. Wir erinnern uns gerne an die frühere,
gemeinsame Zeit zurück: Amelie war beliebt für ihr großes Barbie &
Ken-Equipment. Von Isabella konnte man lernen zu turnen oder es
zumindest versuchen. Bei mir wurde auf Vorrat für die Liebsten
gebastelt und gezeichnet. Wir bereicherten uns gegenseitig und sind
heute dankbar für die gemeinsamen Momente.

Dicht nebeneinander, nicht nackt,
sondern im Bikini, nicht mit zuckersüßen Amerikanern, sondern mit
Hugo und Aperol Spritz, sitzen wir bei Sonnenuntergang in der Beach Bar am Chiemsee. Wir lächeln noch genauso verschmitzt wie damals in
die Kamera. Man sieht uns an, dass wir den Moment genießen.
Vergleicht man die Bilder von früher und heute, so hat sich einiges
verändert. Nicht nur optisch haben wir uns gemacht, sondern auch
persönlich haben wir uns weiterentwickelt. Wir tragen keinen
Topfhaarschnitt mehr. Wir spielen nicht mehr mit Barbie & Ken.
Wir können bei weitem nicht alle turnen oder mit selbstgebastelten
Kunstwerken Geld verdienen. Und die Amerikaner sind auch nicht mehr
so lecker wie früher.

Trotz vieler Veränderungen ist Eines
gleich geblieben, das uns keiner nehmen kann: das Empfinden vom Glück
über eine tiefe und enge Freundschaft und das Gefühl, eine Basis
gelegt zu haben, die so schnell nicht in die Brüche geht. Eine
Freundschaft, die uns seit 20 Jahren miteinander verbindet und die
hoffentlich für immer anhalten wird.

Text: Laura Schurer 

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Im Shopping-Wahn

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Lippenstift in Lachsfarben und Nagellack in der Frühlingsfarbe Weiß: Eine gute Freundin unserer Autorin hat sich längst auch zu ihrer ganz persönlichen Shopping-Beraterin entwickelt.

Ich lackiere noch meinen letzten Fingernagel zu Ende. Ein
Seitenblick auf die Uhr verrät mir, dass ich wieder einmal unpünktlich bin.
Caro wird es mir wie jedes Mal nachsehen, dass ich zu unserer Verabredung zu
spät komme. Sie ist meine liebste Shoppingbegleitung, und es ist wieder einmal
Zeit für unser gemeinsames Ritual: Mittagessen beim Chinesen mit anschließendem
Auskundschaften der neuesten Lippenstift- und Nagellacktrends für den Frühling. 

Mit Caro ist es geradezu unmöglich aus einem Laden mit leeren Händen wieder
rauszugehen. Caro fühlt sich in Kosmetikläden so, wie ein Affe in der freien
Wildbahn – sie ist ganz in ihrem Metier und avanciert unweigerlich zur
Verkäuferin: „Barbara, weißer Nagellack ist DIE Trendfarbe, ich weiß es und du
weißt es jetzt auch.“ Ich bin ihr dankbar für diese Information und greife
instinktiv zu einem weißen Nagellack. Meine shoppingsüchtige Freundin führt mir
immer wieder vor Augen, was in meiner Kosmetikabteilung alles noch fehlt – und
bemerkt dabei, was bei ihr selbst noch alles auf der ‚to-buy-Liste‘ steht: „Ich
will einen neuen Lippenstift, aber ich weiß nicht welche Farbe, ich brauche sie
alle!“ Mit weitgeöffneten Augen und zittrigen Händen greift sie nach einem
lachsfarbenen Lippenstift, von dem ich ihr dann aber abrate. Nach langem Durchprobieren
landen wir bei einem frechen Pinkton, den wir uns ehrfürchtig auf den
Handrücken tupfen. Mein anfängliches Zögern, ob ich auch einen Lippenstift
kaufen sollte, entkräftet Caro mit bestimmten Tonfall: „Barbara, einen Lippenstift
brauchst du unbedingt!“ Und ich finde, sie hat Recht: Dieses bunte Utensil macht
das Leben einfach farbenfroher. 

Mit wohliger Gänsehaut schreiten wir an die
Kasse – mit zwei Nagellacken – darunter die Frühlingsfarbe Weiß – drei
verschiedenen Lipplinern, einem Trockenshampoo, Haarpuder (laut Caro ein Must-have
für jedes Badezimmer) und Lippenstift in frechem Pinkton bewaffnet. Eine Stunde
Shoppen mit Caro ist wie ein einwöchiger Wellnessurlaub in Südtirol: Erfrischend
und wohltuend. Es macht mir Freude ihren malerischen Beschreibungen von
Kosmetikprodukten zu lauschen, und sie genießt es, wenn ich ihren Anweisungen Folge leiste: „Siehst du, wie butterweich sich dieser Kajal auftragen lässt?“

Dieses Produkt stehe laut ihrer Aussage überhaupt
nicht in Relation zu diesen fiesen, spitzen Billig-Eyelinern, die einem beim Auftragen
fast die Haut zerfetzen würden.

Ihre
Worte sind unbezahlbares Wissen, welches man nur mit den engsten Freundinnen teilt.
Ich wusste zum Beispiel nicht, dass man unter einem Lippenstift heutzutage
einen Lip Primer aufträgt, um unschöne Rillen zu verdecken. Genauso wenig
wusste ich, dass man gerötete Stellen im Gesicht mit grüner Concealerfarbe
wieder neutralisieren kann. Aber ich bin froh, dass Caro mir das alles erklärt. 

Einmal in den Semesterferien führen wir unser Shopping-Ritual fort und werden
dabei kontinuierlich übermütiger, was schlecht für meinen Geldbeutel ist. Einen
neuen Geldbeutel könnte ich übrigens auch gebrauchen. Caro hat mir bereits
einige Links geschickt – natürlich nur in den neuesten Frühlingsfarben.

Text: Barbara Forster

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: 10 Schwedische Kronen

Bei Erasmus-Aufenthalten entstehen oftmals ganz besondere internationale Freundschaften. Eine solche hat unsere Autorin bei ihrem Studium in Schweden mit ein bisschen Glück und Zufall auch gefunden.

Es ist eisig kalt. Bibbernd und Zitternd stapfe ich in
meinen dicken Fellstiefeln zur S-Bahn. Meine Hände stecke ich tief in die
Taschen meiner extra warmen Fjällräven-Daunenjacke. Die habe ich seit meinem Erasmusstudium
im bis zu -26 Grad kalten Winter Stockholms nicht mehr aus dem
Schrank geholt. Und da spüre ich es. Etwas kühles, glattes, das gegen meine
Fingerspitzen stößt. Ich ziehe das flache und glänzende Ding heraus und fühle
mich sofort an den ersten Tag in Stockholm zurückversetzt.

Der  „Welcome-Day“ auf
dem mir noch ziemlich unvertrauten Campus der Stockholm University.  In dem bunten Getümmel der Erasmusstudenten
in der großen Aula fühle ich mich fremd, unsicher und vor Allem eines: Alleine.

Meine Gedanken schweifen ab in die Heimat, nach München, zur
LMU. Meine liebgewonnen Mitstudenten haben sich sicherlich genau in diesem
Moment lachend und tratschend einen Kaffee am U-Bahn-Kiosk geholt und machen
sich gemeinsam auf den Weg ins nächste Seminar. Erst ein bisschen später fällt
mir auf, dass ich ja auch in der LMU einmal ein ganz ähnliches
Fremdheits-Gefühle hatte.

Ich lasse meinen Blick über die Masse der internationalen
Studenten schweifen. Dabei erkenne  ich neidvoll,
dass sich viele bereits so angeregt und unbekümmert miteinander unterhalten,
als wären sie schon Jahrelang die allerdicksten Freunde. Mir schießen gut
gemeinte Ratschläge durch den Kopf. Ehemalige Erasmus-Studenten hatten sie mir mit
auf den Weg gegeben: „Häng lieber nicht so viel mit deutschsprachigen Leuten
rum, du bist schließlich im Ausland, deutsch sprechen kannst du auch daheim. “
oder: „An einer ausländischen Uni  zu
studieren ist nicht einfach, zu viele Party-wütige Erasmus-Freunde zerstören
dir deinen Noten-Durchschnitt“.

Werde ich letztendlich einsam, Freunde-los und ohne jegliche
Zugehörigkeit meinen Erasmus-Aufenthalt überstehen müssen? Um zu überprüfen, ob
man mir diese ängstlichen Gedanken ansieht, mache ich mich auf den Weg zur
Toilette. Dort kommt es zu einer dieser zufälligen Begegnungen, die ich so am
allerwenigstens erwartet hätte: Eine italienische Erasmusstudentin versucht
verzweifelt und laut schimpfend ihre Toilettentür zu entriegeln.  Der Moment, in dem ich sie mithilfe einer
schwedischen 10-Kronen-Münze aus ihrem Gefängnis befreit habe, legt den
Startschuss zu meiner ganz besonderen Erasmus-Freundschaft. Lara, eine quirlige
Mathematikstudentin aus Mailand, die immer gleich sagt was sie denkt, fällt mir
sofort um den Hals. Ihr liebenswerter italienischer Akzent lässt mich augenblicklich
schmunzeln. Von nun an vergeht kein Wochenende, an dem wir nicht gemeinsam
unterwegs sind. Schnell ist der Lieblings-Burger-Laden gekürt oder eine Nacht
bis zum Morgengrauen durchgetanzt. Und plötzlich fühlt sich diese Stadt gar
nicht mehr so fremd an.

Aus diesem ersten Tag und auch in der gesamten, aufregenden
Zeit in Stockholm habe ich gelernt, dass es keine Rezepte für das Finden und
Festhalten von Freundschaften gibt. Und dass man auch immer ein bisschen auf
den Zufall und das Glück vertrauen muss, die Menschen zu finden, die einen auch
an zunächst fremden Orten vorm Allein-sein bewahren.

Bevor meine nackten Hände noch
blau werden vor Kälte, stecke ich sie zusammen mit der 10-Kronen-Münze schnell
wieder in meine Manteltasche. Die S-Bahn-Fahrt werde ich nutzen, um Lara eine
Sprachnachricht zu schicken, so beschließe ich. Denn auch wenn inzwischen
wieder viele Kilometer zwischen uns liegen, so fühle ich mich ihr gerade wieder
so nah wie damals, als uns eine 10-Kronen-Münze die Tür zu unserer
Freundschaft öffnete.

Text: Amelie Völker

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Vanilleeis und Frühlingsrollen

Ein hoch auf das Jungsein: Am liebsten nutzt unsere Autorin die Sonntagabende, um sich mit ihrer Freundin über die vergangene Partynacht auszulassen. Ganz un-ladylike und ohne schlechtes Gewissen.

Gähnend stehe ich hinter der Theke der kleinen Bäckerei. Es ist noch viel zu früh, kurz nach sieben Uhr morgens. Und um all das noch auf die Spitze zu treiben: es ist Sonntag. Wie jedes Wochenende arbeite ich hier als Aushilfe und versuche trotz Schlafmangel und durchgefeierten Samstagnächten ein paar Euro dazu zu verdienen. Bis jetzt waren erst drei Kunden im Laden. Meine Chefin ist gerade nach draußen gegangen, um eine Zigarettenpause zu machen. Müde und noch fast im Halbschlaf ziehe ich mein Handy aus der Schürzentasche. Ich stutze und muss gleichzeitig grinsen. Drei Sprachmemos von Sophia. Das kann ich mir erst nach Feierabend anhören und doch muss ich bereits jetzt den Kopf schütteln, denn ich habe so eine gewisse Vorahnung, was den Inhalt der Audiodateien betrifft.

Einige Stunden später, halb ein Uhr mittags.

Feierabend. Meine Vermutungen in Bezug auf die Sprachmemos haben sich bewahrheitet. Ich halte mein Handy gespannt ans linke Ohr während ich zum Parkplatz laufe.

Sophia

hebt sofort ab und ein lautes „Giiirl!“ ertönt am anderen Ende der Leitung. Erneut muss ich grinsen. Dieses Mal wegen der ironisch-liebevoll gemeinten Begrüßung. Meine Fingerspitzen kitzeln schon ein wenig vor Aufregung und Neugierde. Es ist Sonntagmittag und natürlich ist mir klar, dass meine Freundin mal wieder eine gute Geschichte von der letzten Partynacht zu erzählen hat. Lachend begrüße ich sie und mit verkatertem Oberbayrisch beginnt Sophia von der chaotischen Heimfahrt, wunderschönen blauen Augen und unfreundlichen Türstehern zu erzählen.

Das ist kein Einzelfall, keine Seltenheit, das ist beinahe schon gewohnte Wochenendroutine.

Sophia

und mich verbindet eine Vorliebe für’s lange-wach-bleiben, für’s spät-Heimkommen und für’s Geschichten-Erzählen am nächsten Morgen, wenn die Erinnerungen mit dem Tageslicht wieder ein wenig heller werden. Mit Vergnügen wird am Sonntag zusammen getratscht, gegähnt, gelacht und die Köpfe geschüttelt. So ein typischer Frauentratsch bei Kaffee, Kuchen und rot geschminkten Lippen. Nur das es bei uns etwas anders aussieht: Wir sitzen im Bett, mit zerzaustem Haar und essen Vanilleeis und Frühlingsrollen. Ganz ladylike. Oder auch nicht. Aber das ist egal, solange man gut reden kann. Für den letzten Tag der Woche vergessen wir gerne den gemeinsamen Schulstress und ich pfeif’ da auch auf’s schlechte Gewissen wegen dem Vanilleeis. Und den Frühlingsrollen. Sonntags geht’s bei uns um’s Jungsein. Darum, aus kleinen Geschichten ganze Buchbände zu basteln. Und darum, Screenshots zu verschicken und Audiodateien anzuhören. Mädchenkram, der irgendwie sein muss. Der dazu gehört.

Also sitzen wir gemeinsam zwischen den vielen Kissen und mit zwei Schalen Eis in Sophias Bett und erzählen. Dieses Mal bin ich diejenige, die mit weit geöffneten Augen angestarrt wird. Aussagen benötigen in diesen Momenten Erläuterung und man beginnt ins Detail zu gehen, weil man sich vor Freunden bekanntlich nicht zu schämen braucht. Keine Kleinigkeit wird weggelassen. Darum erzähle ich weiter während ich meine verstrubbelten Haare zum Dutt binde und Sophia mir einen Maskarafleck von der Wange wischt. Vielleicht braucht man das, brauchen wir das einfach. Weil es nicht immer nur um Abistress und Zukunftspläne geht. Am Montagmorgen werden wir eh wieder gemeinsam im Sozialkunde- oder Deutschunterricht sitzen müssen. Der Sonntagstratsch und verwirrende Audiodateien sind für uns ein Teil vom Jungsein. An Wochenenden dürfen auch mal Geschichten geschrieben werden, die nichts zu tun haben mit Gedankenganganalyse oder Stilmitteln. 

Text: Anastasia Trenkler

Foto: Yunus Hutterer

Zeichen der Freundschaft: Kurzweilige Dramen

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Unsere Autorin pflegt einen sehr energischen Umgang mit ihrer Kameradin: Sie ist der Meinung, eine Freundschaft, in der gerne die Fetzen fliegen ist eine echte Freundschaft.

Irgendwo in Vietnam laufen wir einen Berg hoch, es hat etwa
35 Grad und es liegen noch einige Stunden Wanderung vor uns. Julia und ich
können sonst eigentlich beide nie unsere Klappe halten, aber gerade ist es
verdächtig ruhig. Wir schmollen und werfen uns Blicke zu, als würden wir gerade
jeweils überlegen, ob wir schon zu alt dafür sind, uns an den Haaren zu ziehen.
Ich halte es irgendwann nicht mehr aus und frage sie etwas angespannt, was los
sei. Julia antwortet nur: „alles gut.“ Aber „Alles gut“ wirkt gar nicht gut
in diesem Fall. Ich frage weiter, bis es dann eskaliert. Wir stehen nun am Fuße
dieses Berges namens Lang Biang und schreien uns für zehn Minuten an. Um uns
herum nur ein paar verwirrte Vietnamesen auf Sonntagsausflug und ein paar
Pferde, die auf der Suche nach einem verdorrten Grashalm sind. Irgendwann
fangen wir beide an zu lachen, es ist einfach so absurd. Wir umarmen uns und
laufen zusammen den Berg weiter hoch. Da wussten wir noch nicht, dass noch vier
Stunden bergauf und eine Begegnung mit einer Schlange vor uns liegen – was im
Nachhinein wahrscheinlich gut war, sonst wären wir niemals weiter
gewandert.

Ich kenne Julia jetzt seit drei Jahren. Es war keine
Freundschaft auf den ersten Blick, aber dafür auf den zweiten. Wir unternehmen
viel, schreiben uns fast jeden Tag und manchmal eskaliert es dann eben. Ich
weiß gar nicht mehr, wann wir uns das erste Mal so richtig in die Haare gekriegt
haben. Und ich weiß auch die Gründe unserer Auseinandersetzungen manchmal zwei
Tage später schon nicht mehr.

Als wir zusammen für einen Monat nach Vietnam geflogen sind,
haben unsere Freunde Wetten abgeschlossen, wann wir uns wohl zerstreiten
werden. Und ein kleines bisschen Recht hatten sie ja – man siehe den Vorfall auf
dem Berg. Aber trotz unserer Streitigkeiten haben wir immer eine unfassbar gute Zeit
zusammen. Und können uns wunderbar nach der ein oder anderen
Diskussion über die unwichtigsten Sachen der Welt
wieder versöhnen. Manchmal, wenn wir uns
zanken, klären wir es auch nicht sofort. Spätestens, wenn dann wieder etwas
Spannendes im Leben passiert und man das unbedingt der anderen erzählen muss,
überwinden wir dann aber unseren Stolz – davon haben wir wohl beide viel – und
rufen die Andere an. 

Und genau das macht unsere Freundschaft aus: dass wir uns
streiten können. Ich wünsche jedem eine so gute Verbündete wie Julia. Was wäre
das Leben schließlich ohne Drama und ehrliche Freundschaft.

Text: Antonia Franz

Foto: Yunus Hutterer