Fragen über Fragen – Leon Haller

Durch mehr Zusammenarbeit können wir in dieser sauteuren und verstaubten Stadt echt was reißen und der Farbenladen, also diese Veranstaltung, ist ein sehr guter Anfang, sagt Schauspieler und DJ Leon Haller, der für unsere Ausstellung

“10 im Quadrat – Reloaded

als Model vor der Kamera stand. Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt.

Du stehst mit deiner
Kunst öfter mal vor Publikum. Wie war es für dich, so oft fotografiert zu
werden?

Völlig in Ordnung und manchmal auch bereichernd, wenn die
Chemie mit dem Fotografen funktioniert. Allerdings finde ich es anstrengend,
wenn versucht wird eine künstlerische Verbindung über platten Smalltalk zu
erzwingen. Wenn’s nicht passt, dann passts nicht.

Hat das Mut erfordert?

Ehrlich gesagt nein. Ich vertraue jemandem, wenn ich mich
vor die Linse stelle.

Bist du auch mal in andere Rollen
geschlüpft? / Hast du andere Seiten an dir kennengelernt?

Nein bin ich eigentlich nicht.

Welche Begegnung hat
dich am stärksten geprägt?

Jeder Fotograf hat ein eigenes Feld, das er erforscht, und
ich habe einfach versucht dabei mitzuwirken. Das Shooting mit Alina war für
mich die schönste Erfahrung. Wir haben uns einfach sehr gut verstanden, sie hat
eine tolle Präsenz und man fühlt sich schnell wohl bei ihr, ohne bequem zu
werden.

Bist du auch mal an
deine Grenzen gestoßen?

Eigentlich nicht.

Brauchen wir mehr Vernetzung in München?

Wir sind eine recht überschaubare Gemeinschaft von
Künstlern, Musikern, Schauspielern, Fotografen, Filmleuten, etc. Durch mehr Zusammenarbeit
können wir in dieser sauteuren und verstaubten Stadt echt was reißen und der
Farbenladen, also diese Veranstaltung, ist ein sehr guter Anfang.

Foto: Lara Freiburger

Fremdgänger: Teure Exzesse

Der Wahnsinn von Oxford zeigt sich für unsere Autorin diesmal anhand der alljährlich abgehaltenen Bälle: Alle Organisatoren wollen mit noch mehr Show das Vorjahr in den Schatten stellen. Eine Karte kostet dann auch mal eben 200 Pfund.

Die Ahnen starren uns von ihren Leinwänden aus an. Mit einer Mischung aus Entsetzen und Resignation, möchte man im Schein der Discokugel meinen. Im Speisesaal des Harris Manchester Colleges hüpfen in Abendkleider und Smokings gewandete Studierende zu Abba auf und ab. Der Alkoholpegel ist mittlerweile so hoch, dass niemand zu bemerken scheint, dass der auf der Orgel-Empore positionierte DJ mit „Give me a man after midnight“ zum dritten Mal innerhalb einer Stunde den gleichen Song spielt. Abgesehen von der Möglichkeit, dass dies der schlechteste DJ der Welt sein könnte, lässt sich meine erste Ball-Erfahrung in Oxford jedoch durchaus sehen – eine Tatsache wiederum, die vor allem mich selbst überrascht.

So gut wie jedes der 38 Colleges rühmt sich mit einem solchen alljährlichen Großereignis, wobei natürlich jedes neue Ball-Komitee alles Vorhergegangene in den Schatten zu stellen versucht. Deshalb befindet Oxford sich, was Bälle angeht, in einer kontinuierlichen Aufwärtsschleife aus Bemühen und Größenwahn. Man munkelt, vor einigen Jahren habe Coldplay auf einem der Bälle gespielt – die Latte liegt also hoch. Dieses Beispiel lässt allerdings auch vermuten, dass großes Vergnügen teuer ist. Unter 70 Pfund kommt niemand auf einen Ball. Der Durchschnitt bei den „angeseheneren“, älteren Colleges liegt eher bei 150 bis 200 Pfund. Wie viele Bälle kann man sich da schon leisten? Meine studentische Sparsamkeit verbündete sich noch dazu mit einer gewissen feministischen Frustration angesichts der Beobachtung, dass auf einmal überdurchschnittlich viele Mädchen um mich herum in regelmäßigen Abständen von Abendkleidern, Frisuren, Make-up und potenziellen Dates zu sprechen begannen, während meine männlichen Freunde debattierten, ob es sich für einen oder maximal zwei Abende lohnen würde, ein White-Tie-Outfit (70 Pfund) zu kaufen. Gender-Diskurs hin oder her, „the Oxford experience“ stellte sich einmal mehr als Totschlagargument heraus. Ich rechtfertigte meine Entscheidung, wenigstens zu einem der billigsten Bälle (50 Pfund) zu gehen, damit, dass mein Abiball-Kleid unbedingt noch einmal getragen werden wollte.

Als ich dann jedoch, nach Hüpfburg, Foto-Boot, Süßigkeiten-Brunnen, fünf unglaublich guten Bands, exquisitem Büffet, Pimms, Wodka-Shots und Zaubershow zum dritten Mal Abba höre und meine ursprünglich sorgfältig gelockten Haare nur noch in losen Strähnen in meinem schwitzigen Nacken kleben, denke ich mir, dass die Situation vielleicht gar nicht so übertrieben ist, wie ich sie mir ausgemalt habe. Auch in München zahlen meine Kommilitonen Hunderte von Euros, um auf Festivals zu tanzen, zu trinken, zu flirten und dem Universitätsalltag für kurze Zeit zu entkommen. Auch wenn sich zu Hause niemand erst in einen Smoking oder ein Abendkleid zwängt, haben wir in diesen Outfits ebenso viel Spaß, sind teilweise ebenso betrunken und freuen uns ebenso wie Münchner Studenten, dass es Freitag ist. Dass wir viel Geld dafür gezahlt haben, einen Abend lang vergessen zu dürfen, dass nach dem Wochenende ein Montag auf uns wartet, an dem wir wieder vor unseren Büchern und Computern, Hausarbeiten und Prüfungsvorbereitungen sitzen. Insofern sollte das Entsetzen auf den Gesichtern der gemalten College-Ahnen angesichts des feucht-fröhlichen Exzesses in ihren ehrwürdigen Speisesälen nicht allzu groß sein, denn auch sie werden hin und wieder gefeiert haben – möglicherweise sogar noch sehr viel exzessiver und exzentrischer als wir.


Text: Theresa Parstorfer

Foto: Privat