Pöbeln und Poesie

Erst rumbrüllen, dann nachdenklich werden. Poetry-Slammer Yannik Sellmann, 22, überzeugt durch lautstarke Komik. Der amtierende Münchner Stadtmeister wollte ursprünglich Richter werden, doch das Jura-Studium bricht er nach vier Semestern ab

Yannik Sellmann spricht laut und schnell. Zu laut und zu schnell für ein normales Gespräch. Doch auf der Bühne ist genau das sein Markenzeichen geworden: Wenn der junge Poetry-Slammer seine Texte vorträgt, dann schreit er. Schreit. Und schreit. Und schreit. Schreit im Höchsttempo Gedanken in den Raum über die Unfähigkeit, die eigenen Gefühle auszudrücken, über Filme wie „La La Land“, die eine perfekte Welt erzählen, während man selbst „auf dem Bett sitzt, Cornflakes aus der Packung isst, Formel-1-Rennen schaut“ und darauf wartet, dass am bunt gefärbten Horizont eine Lebensvision auftaucht, die sich erfüllender anfühlt als das vermeintliche Glück der dauer-singenden und dauer-tanzenden Hauptfiguren.

Was er da schreit und wie er das schreit, kommt beim Publikum gut an: 2016 war Yannik bayerischer Meister im Slammen, 2017 kam der 22-Jährige ins Stechen der deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften, vergangenen Herbst hat er zudem Alex Burkhard den Titel des Münchner Stadtmeisters abgerungen. Rund 80 Auftritte hatte der Wortkünstler 2017, war auf Tour in ganz Deutschland unterwegs. Man kann sagen, Yannik ist erfolgreich.
 Geplant war eine derartige Karriere nicht: Als er 2014 aus seiner Heimat Hamm in Nordrhein-Westfalen zum Jura-Studium nach München kommt, will er noch Staatsanwalt werden. Oder Richter. Doch anstatt Paragrafen zu pauken, schließt Yannik sich einer Improtheatergruppe an. Seine Impro-Kollegen nehmen ihn mit zu Münchens wohl bekanntestem Poetry-Slam im Substanz. Als er dort die auftretenden Poeten sieht, ist Yannik angefixt. Er erinnert sich: „Da habe ich gedacht: Das könnte was für mich sein“, sagt er. Beim Einstieg geholfen habe ihm damals auch seine neue Heimat München, denn die Stadt biete zahlreiche Formate, bei denen junge Slammer sich ohne Druck ausprobieren können.

In der Tat geht auch Yannik bei einer solchen Veranstaltung zum ersten Mal auf die Bühne: Er trägt sich in die offene Liste der Kiezmeisterschaft im Westend ein, einem Slam, bei dem jeder spontan mitmachen kann, egal wie erfahren er ist. „Es hatte keine wirkliche Fallhöhe. Viele treten hier zum ersten Mal auf, es kann auch schlecht sein. Das hat mich einfach ermutigt, dort mitzumachen“, sagt er rückblickend.

Danach geht für ihn alles sehr schnell. Der Jungpoet findet Anschluss in der lokalen Slammer-Szene, schafft es in nur zwei Jahren zu den ganzen großen Veranstaltungen und Meisterschaften. Eine Blitzkarriere. Aber während es auf den Slambühnen für ihn steil bergauf geht, steht das Studieren hinten an. Öde wirken Themen wie EU-Recht auf einmal, derentwegen er einst Jurist werden wollte. Yannik sieht sich nicht mehr im Beruf des Anwalts und bricht nach vier Semestern sein Studium schließlich ab.

Doch je größer der Erfolg als Slammer, umso mehr steigt der innere Druck, nicht immer mit den selben Werken auf die Bühne zu gehen, kein „One-Hit-Wonder“ sein zu wollen, sondern neue Texte zu produzieren und sich facettenreich zu präsentieren. „Man muss Ergebnisse liefern“, sagt Yannik. Der junge Mann sieht das aber in erster Linie als Ansporn an sich selbst – auch weil es ihn langweile, permanent das Gleiche vorzutragen.

In den Texten, die Yannik schreibt, thematisiert er auch Persönliches: So slammt er etwa über seine Krankheit. Seit er 12 Jahre alt ist, leidet er unter chronischen Psychosen. Das prägt. Welche Medikamente nimmst du? Wie fühlt es sich an, mit so einer Diagnose aufzuwachsen? Diese Fragen hört Yannik oft. Einige der Antworten verdichtet er in seinen Texten. „Ich schäme mich nicht für meine Krankheit und bin da auch offen, aber ich passe natürlich auf, dass ich den Leuten auf der Bühne nur das von mir zeige, was ich ihnen auch zeigen möchte“, sagt der Slammer. Für ihn sei es wichtig, diese Grenze zu wahren, das Publikum nicht „emotional zu erpressen“, wie er es formuliert. Wie viel gebe ich von mir preis? Was bleibt besser privat? Solche Sachen beschäftigen ihn. „Es gab auch Texte, wo ich erst auf der Bühne gemerkt habe, dass ich das doch lieber nicht erzählen möchte. Dann lässt man es halt wieder.“ Denn Mitleid erregen, das will Yannik auf keinen Fall. „Was ich verhindern will, ist, dass die Leute sagen: Der hat eine Psychose, wie schade, und deshalb gebe ich ihm eine gute Bewertung. Daher versuche ich zu vermeiden, mich selbst in die Opferrolle zu drängen.“

Dabei hilft auch, dass Yannik sich auf der Bühne oft selbst ironisiert, denn viele der Pointen, die er herausbrüllt, zielen auf ihn als Person ab. Die Figur des schreienden Mannes, die er dabei so gerne spielt, findet er selbst unheimlich witzig, gibt er zu. „Es ist in mir so ein Drang, Witze an die Leute zu bringen, auf der Bühne lustig sein zu wollen“, sagt Yannik. Das funktioniert, je nach Publikum, unterschiedlich gut. „Als ich das erste Mal in NRW aufgetreten bin, habe ich erst gemerkt, dass mein Humor von dort kommt und meine Texte da auch besser aufgenommen werden.“ In München habe er sich anfangs erst mal an den bayerischen Humor gewöhnen müssen. „Ich kann das nicht genau beschreiben, aber man lacht hier generell weniger – und auch über andere Dinge. Und: Der Humor ist derber.“

Derb, das sind seine Arbeiten nicht. Denn genau dort, wo sie es werden könnten, nach all dem Geschrei, der Heiserkeit, des Sich-in-Rage-Slammens, steigt Yannik aus, wird leise, im Ton wie in den Gedanken, die er vorträgt. „Yannik-Sellmann-Formel“, nennen das seine Freunde. Erst rumschreien und dann die Kurve zum Tiefsinnigen, zum Nachdenklichen kriegen. Für den jungen Slammer ist dieser Bruch wichtig, denn: „Ich möchte den Leuten etwas mitgeben außer nur Lacher.“

In dieser Doppelbödigkeit, die irgendwo zwischen absoluter Komik und absoluter Traurigkeit schwankt, scheint ein Potenzial zu liegen, das nicht nur vom Slam-Publikum geschätzt wird: Auf Einladung von BR 2 macht Yannik seit diesem Frühling mit seinen Slammerkollegen Johannes Lenz und Philipp Potthast den Podcast „Weekly Rewind – der slam-poetische Wochenrückblick“, nebenher hat er in den vergangenen Jahren zudem bei der Produktionsfirma Walulis TV gearbeitet, die die Medienformate des Comedian Philip Walulis produziert. Dort hat man ihm nun ein zweijähriges Volontariat angeboten.

Sollte Yannik diesen Job antreten, würde er nicht mehr so häufig als Slammer auftreten können wie bisher. Das weiß er. Vollständig vom Slam abkehren will er nicht. Muss er vielleicht auch nicht. Die Münchner Poetin Fee etwa zeigt, dass zwei Lebenspläne unter einen Hut passen: Seit Herbst studiert sie Operngesang in Berlin, dennoch steht sie in ihrer freien Zeit nach wie vor als Slammerin auf der Bühne. Es gibt sie also, die Möglichkeit beides zu machen. „Ich muss eben sehen, wie viel Slam in mein Leben passt“, sagt Yannik.

Foto: Stephan Rumpf

Text: Carolina Heberling

Neustart

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Drei junge Menschen krempeln ihr Leben komplett um – kündigen ihren Job, schmeißen die Uni. Warum tun sie das?  Und was machen sie, wenn sie jetzt scheitern?

Beauty-Redakteurin ➢ Musikerin

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Sie hatte einen festen Job. Einen unbefristeten Vertrag in einer Branche, in der eine Festanstellung zur Seltenheit geworden ist. Und trotzdem spürte sie diese innere Unruhe. Wenn Verena Lederer, 25, davon spricht, beschreibt sie diesen Zustand als „inneren Kampf“.

Vielen dürfte Verena als Musikerin und unter ihrem Künstlernamen Klimt bekannt sein. Erst vor Kurzem veröffentlichte sie ihre neue Platte „Dear Sirens“ bei einem Konzert im Lost-Weekend. „Es waren sogar ein paar meiner ehemaligen Kollegen da“, sagt sie. „Und meine Mutter hat zu mir gesagt, dass sie stolz auf mich ist.“ Dass all das hätte möglich sein können, das hätte Verena vor ein paar Jahren nicht gedacht. Denn bevor sie sich dazu entschied, sich voll und ganz der Musik zu widmen, sah ihr Leben ganz anders aus.

Noch während Verena den Studiengang Ressort-Journalismus in Ansbach belegte, ging sie für ein Praktikum bei einem Frauenmagazin nach München. Dort wurde ihr nach Ende des Praktikums eine befristete Redakteursstelle angeboten: Beauty-Redakteurin. Zu diesem Zeitpunkt war sie gerade Anfang 20. „Ich habe dort wohl einen echt guten Eindruck hinterlassen“, sagt sie. Sie nahm das Angebot an, denn solche Stellen sind hart umkämpft. Sie schloss ihr Studium ab, schriebt ihre Bachelorarbeit, wurde finanziell unabhängig. Als der befristete Vertrag auslief, bekam Verena von ihrem Frauenmagazin das Angebot für einen unbefristeten Vertrag. Und sie unterschrieb. Das war Anfang 2017.
„Ich habe mich natürlich schon darüber gefreut“, sagt sie. Doch mit der Freude kamen auch die Zweifel. „Ich habe mich gefragt: Ist das wirklich das, was du willst?“, sagt sie. Man muss wissen: Verena nutzte schon damals jede Minute in ihrer Freizeit, um Musik zu machen. Ihr Musik-Projekt Klimt gab es schon seit 2015. Sie haderte mit sich selbst „Man muss sich das mal vergegenwärtigen: Ich musste nicht einmal ein Volontariat machen, was normalerweise üblich ist, um dort hinzukommen, wo ich war“, sagt Verena. Sie fühlte sich manchmal auch so, als wäre sie undankbar, weil die Euphorie einfach doch nicht so groß war. „Mir hat etwas gefehlt. Das habe ich sehr lange für mich behalten, bis ich es meinen engsten Freunden erzählt habe.“ Mit „es“ meint Verena eben diesen Wunsch, Musikerin zu werden, mit Klimt durchzustarten, sich nur noch auf die Musik zu konzentrieren. Ihre Freunde hätten sie dazu ermutigt und an sie geglaubt, aber „meine Eltern waren total schockiert von der Idee“, erzählt sie.

Trotzdem entscheidet sie sich für die Musik. „Ende Mai 2017 habe ich gekündigt. Das war die anstrengendste und aufregendste Zeit in meinem Leben“, sagt Verena. Es sei eine regelrechte innere Tortur gewesen. „An einem Tag bin ich aufgewacht und war unglücklich, am nächsten Tag war es wieder okay“, eine Achterbahn der Gefühle also. „Am Ende ging es mir aber mit der Entscheidung wirklich besser. Weil ich es mir so auch selbst zugestanden habe“, sagt sie.
 Und jetzt? Sie sei wieder mehr auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen, denn mit ihrer Musik verdient sie noch nicht genug. „Außerdem habe ich noch ein Netz aus mehreren Nebenjobs“, sagt Verena. Sie hat angefangen, ein zweites Mal zu studieren, diesmal Musikwissenschaften und Philosophie. Und wenn das mit der Musik so gar nicht klappt? „Einen Plan B gibt es nicht. Das ist vielleicht auch das Geheimnis. Ich habe ja eine abgeschlossene Ausbildung, vielleicht komme ich irgendwann wieder in den Journalismus“, sagt sie. Jetzt steht aber erst einmal eine dreiwöchige Tour durch Italien an.  

Text: Ornella Cosenza


Student ➢ Globetrotter

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Lasse Korbanka, 25, kratzt sich im Nacken. Er macht das sehr oft, vielleicht auch, um sich zu entspannen. Zur Ruhe zu kommen ist gar nicht so einfach. Den November verbrachte er in Berlin, die vergangenen Wochen in Kiel und Hamburg.

Acht Semester lang studierte Lasse an der LMU Kunst und Multimedia im Bachelor. Ohne Abschluss. Jetzt ist er Mitte 20. Sein Ziel ist es, in kurzer Zeit so viel Geld wie möglich zu verdienen, um einen Sprinter zu seinem neuen Zuhause auf vier Rädern umzufunktionieren. Startschuss für den neuen Lebensabschnitt ist Dezember 2018. Bis dahin müssen mindestens 7 000 Euro in die Spardose. Deshalb nimmt Lasse neben Moderationsjobs auch Tätigkeiten als Model und Komparse an.

Die ersten drei Semester liefen beim ihm noch ziemlich gut. Im vierten Semester kam dann der Werkstudentenjob dazu: Grafiker in einer großen Unternehmensberatung. „Die Arbeit hat unglaublich Spaß gemacht, ich habe so viel mehr gelernt als in der Uni.“ In den Semesterferien arbeitete er als Vollzeitkraft. Zurück an der Universität kam ihm alles „ein bisschen unprofessionell und nicht zielorientiert vor“. Aus diesem Grund stellte er das Studium hinten an. Manchmal verbrachte er mehr Zeit bei der Arbeit als ursprünglich vereinbart. Das wirkte sich auf seine Studienleistungen aus. Lasse grinst. „In der Uni hatte ich diesen Drive nicht“, sagt er.

Der entscheidende Moment, das Studium abzubrechen, kam im achten Semester bei der Anmeldung der Abschlussarbeit. Der Druck wurde größer, die Anzahl der bestandenen Prüfungen blieb gleich. Die Anmeldung der Abschlussarbeit boxte Lasse dann noch mit der Mindestanzahl der benötigten Punkte durch. Dann verließ ihn der Kampfgeist. „Ich glaube, wenn ich die Bachelorarbeit durchgezogen hätte, dann hätte ich auch das Studium gemacht.“ Einen Ratschlag von außen holte er sich nicht. Vielmehr hatte er das Gefühl, von anderen nicht verstanden zu werden. Er traf die Entscheidung mit sich selbst und zog einen Schlussstrich. Bis heute bereut er es nicht. Schlaflose Nächte hatte er keine. „Es ist eine extrem große Energieverschwendung, wenn man Sachen bedauert.“

Wer studiert, erwartet nach dem Abschluss bessere Berufsaussichten. Das hat Lasse während seiner Zeit an der Universität beobachtet. Die Realität ist aber eine andere, gerade in kreativen Berufsfeldern. Neugierde und Wissenshunger sind ein Muss. Bei vielen seiner ehemaligen Kommilitonen, die ihr Studium erfolgreich beendet haben, vermisste er genau das. Stehenbleiben darf niemand, das gilt auch für ihn. Der Abbruch des Studiums bedeutet nicht, mit dem Lernen aufzuhören.

Unterstützung für seine Entscheidung, das Studium abzubrechen, bekam er von seinem besten Freund. Das half ihm, optimistisch zu bleiben – und es erleichterte ihm, seiner Familie den Entschluss mitzuteilen. Vor allem seinem Vater. Lasse macht eine kurze Pause. „Es war fast wie eine Beichte“, sagt er. Sein Vater hatte bereits eine Ahnung, er reagierte verständnisvoll und unterstützend. Zukunftsängste hat er keine. Bis jetzt ist er immer über die Runden gekommen, warum sollte sich das ändern?

Das Handy leuchtet auf, möglicherweise ein neues Jobangebot. Schnell tippt Lasse eine Nachricht. Mit dem Abbruch des Studiums musste er auch seine Werkstudententätigkeit beenden. Deshalb die vielen Jobs. Sein Ziel lässt er nicht aus den Augen. „So weit fahren, wie der Sprinter durchhält.“ Unterwegs möchte er sein Leben mithilfe von Film und Fotografie finanzieren, das geht von überall – und dafür braucht er auch kein abgeschlossenes Studium. Welchen Job er nächste Woche hat? Wo er sich im nächsten Monat aufhalten wird? Er weiß es noch nicht, es ist ihm auch egal. Dennoch ist er sich seiner Selbst sicherer denn je.   

Text: Eser Aktay


Student ➢ DJ

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Am Ende blieb nur noch der Weg zum Arzt. Ein Jahr lang hat Kiawash Sallehsari, 22, mit sich gehadert, hat mit Freunden diskutiert, hat sich immer wieder überlegt, was er denn nun tun soll. Er spürte eine innere Unruhe, war antriebslos, kam Tag für Tag nur schwer aus dem Bett. Er quälte sich in die Vorlesungen. Die Zweifel wuchsen, ob Ingenieurwissenschaft das richtige Studium für ihn sei. „Einerseits bin ich von Naturwissenschaften und Technik weiterhin begeistert, ansonsten hätte ich nicht mehrere Semester lang studiert und die Prüfungen geschrieben“, sagt er. „Ich habe aber gemerkt, dass ich nicht mehr aus Überzeugung studiert habe. Es hat sich nicht richtig angefühlt, so viel Energie darin zu investieren, obwohl ich wusste, dass mir das Studium finanzielle Sicherheit und Erfolg bringen würde. Wenn ich in der Bibliothek war oder im Vorlesungssaal mir die Folien der Dozenten angesehen habe, haben mir der Antrieb und die Motivation gefehlt. “

Aber warum? Kiawash ließ sich untersuchen, doch körperlich war mit ihm alles in Ordnung: „Die Ärztin meinte, dass diese Antriebslosigkeit eher daher kommt, dass mich etwas beschäftigt und ich gestresst bin“, sagt er. Kiawash ist sich sicher, dass es an dem inneren Widerspruch lag zwischen dem, was von ihm erwartet wurde und dem, was er eigentlich machen wollte. Denn während des Studiums ist er auf elektronische Musik aufmerksam geworden – nicht als Clubbesucher, sondern als Musikproduzent.

Die Möglichkeit, mit minimalistischer Musik den eigenen Sound zu kreieren, sagte ihm sehr zu, vor allem Genres zu kombinieren, die an sich gegensätzlich sind, gefiel ihm: Heute spielt er einen Mix aus House und Down Temple mit Einflüssen von Rock-Elementen, orientalischer Musik und Sounds der Achtzigerjahre. Aber das Musikgeschäft ist schwierig, Aussicht auf Erfolg gering. Deswegen eine Karriere aufs Spiel setzen? Er hat oft mit guten Freunden über seine Situation gesprochen, alle haben ihn von der Entscheidung abgeraten, das Studium zu schmeißen. Er beschreibt es als ein Gefühl von „me against the world“ – er stellte sich gegen den Rat seiner Freunde.

Mittlerweile ist er sich sicher, damit das Richtige getan zu haben. Es gab Momente, in denen er sich gefragt hat, ob die Entscheidung nicht doch noch die falsche war: Nicht nur, weil er nun nachts viel unterwegs ist, wenn er auflegt. Sondern weil es auch schwierig ist, in der Musikszene anzukommen. Anfangs hat er auf Studentenpartys aufgelegt. Inzwischen ist er regelmäßig im Kunstblock Balve zu hören, einer Plattform in Laim für kulturellen und sozialen Austausch. Er hatte auch schon Gastauftritte im Harry Klein und in der Minna Thiel. Geld verdient er mit seiner Musik noch nicht, aber das ist ihm egal.
 Um sich seinen Musikertraum finanzieren zu können, arbeitet er in einem Café. „Ich werde so lang nebenbei arbeiten wie notwendig, damit ich meinen Lebensunterhalt bestreiten kann, aber ich werde keinesfalls die Musik aufgeben, nur um mehr Geld verdienen zu können.“ Und wenn sein Traum nicht wahr wird? Kiawash hat keinen Plan B. „Wenn ich viel Zeit und Herzblut darin investiere, um diesen Traum wahr zu machen, dann wird es auch funktionieren“, sagt er. „Wenn es nicht funktioniert, dann heißt es, dass ich nicht genug dafür getan habe.“   

Text: Serafina Ferizaj


Fotos: Sophie Wanninger, Stephan Rumpf

Echt sein

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Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20
mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded”
 im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Musikerin Lotte Friederich.

Sie sitzt am Klavier, das Mikrofon vor sich, ihre Stimme ist
lieblich, die Augen hat sie mal geschlossen, mal offen. Begleitet nur von einer
Backgroundsängerin. Dabei hat Lotte Friederich, geboren 1993, erst spät mit
Gesang angefangen. Mit sechs Jahren lernte sie erst Blockflöte, später auch
Querflöte. Auch wenn sie bereits mit 14 ihre ersten eigenen Songs schrieb, nahm
sie erst drei Jahre später Gesangsunterricht.

Mittlerweile hat sie es gewagt, Musik zu ihrem Lebensinhalt
zu machen. Seit November veröffentlicht sie unter dem Namen Loriia Synthie-Pop
mit Jazzeinfluss. Aktuell studiert sie im dritten Jahr Jazz-Gesang an der
Hochschule für Musik und Theater in München. Neben dem Studium arbeitet sie
zusammen mit ihrem Manager am Konzept und einem Produzent an der Musik. Sie
hofft, dieses Jahr noch eine EP oder Singles veröffentlichen zu können.

Bis dahin spielt sie Supportshows, um Bühnenerfahrung zu
sammeln. Die Inspiration für ihre Songs nimmt sie aus ihrem eigenen Leben oder
Umfeld. „Ich will Gefühle in Musik packen, andere ansprechen und berühren, die
vielleicht dasselbe fühlen, wie ich gerade“, sagt Lotte. „Ich möchte echt sein in einer Welt, in der man nicht weiß, was
echt ist und was nicht.“ Ihr größtes Vorbild ist Alicia Keys, weil sie
natürlich ist, eine soulige Stimme hat und hochwertige Popmusik macht.

Auch von den Shootings für die Ausstellung konnte Lotte
Einiges mitnehmen: „Auf der Bühne sehe ich nicht, wie ich wirke, ich kann nur
fühlen. Bei der Fotografie ist das Bild, das ich nach außen trage, festgehalten
und auch für mich sichtbar. Deswegen ist es eine gute Möglichkeit, sich besser
kennenzulernen.“

Text: Lena Schnelle

Foto: Anna Heimkreiter

Heilsame Musik

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Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20
mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded”
 im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Musikerin Henny Gröblehner.

Das musikalische Talent ist Henny Gröblehner, geboren 1992,
wohl in die Wiege gelegt worden: Ihre Eltern sind Berufsmusiker. Daher war
schon früh klar: Henny will auf der Bühne stehen und Musik machen. Das tut sie
nun auch, und das obwohl sie nicht Musik studiert hat. Klassischen oder
Jazz-Gesang zu studieren, war für sie keine Option. Henny ging erst einmal nach
Hamburg, um an einem Pop-Kurs teilzunehmen. Was sie dabei lernte: gemeinsames
Musizieren.

Zurück in München entschied sie sich für
Theaterwissenschaften. Danach ging es mit dem Ersparten in die Welt hinaus. Bis
zu diesem Zeitpunkt war sie mit ihrer Band „pourElise“ aufgetreten, in der auch
ihre Schwester mitspielte. Für die Zeit der Weltreise musste dann jedoch ein
Soloprojekt her. Herausgekommen ist Henny Herz. Benannt nach der
Schriftstellerin Henriette Herz, die als erste Frau Literaten in einem Berliner
Salon zusammenbrachte. Mit neuen Songs im Gepäck reiste Henny durch Australien,
Neuseeland und die USA. Nur ihre klare Stimme und Gitarre. Die Liedtexte mal
auf Deutsch, mal auf Englisch und ab und zu auch mal auf Französisch.

„Ich bin kreativ, wenn mich nichts stört“, sagt Henny. So
ist ihr Album auf einem alten Bauernhof im Salzburger Land entstanden. Sie war
sechs Tage lang alleine in dem Haus und hat ihre Songs geschrieben. „Ich habe
keine technische Herangehensweise, sondern ich schreibe über das, was ich auf
dem Herzen habe und was mir begegnet.“ Dabei nimmt sie kein Blatt vor dem Mund.
Für Henny bedeutet Musik alles: Sie verbindet, dabei entsteht Liebe, weil man
sie teilt, und für sie selbst ist sie wohltuend und heilsam.

Auf der Bühne ist Henny sicherer als vor der Kamera, deshalb
war das Shooting für Zehn im Quadrat durchaus eine Herausforderung: „Je
persönlicher der Ansatz eines Fotografen war, desto mehr Überwindung hat es
gekostet, Dinge preiszugeben. Aber dann hat es letztlich auch mehr Spaß gemacht.“
Bei den Shootings hat sie auch Seiten an sich kennengelernt, die sie sonst
nicht wahrnimmt. Beispielsweise das Shooting mit Nadja habe sie deshalb besonders bewegt. „Ich hab sehr schnell gemerkt, dass ich ihren Ansatz mag, ihn
gut nachvollziehen und mich darin stark wiederfinden kann. Das Kreative kam
dann praktisch wie von selbst und es war sehr angenehm und organisch, mit Nadja
zu shooten.“

Text: Lena Schnelle

Foto: Christin Büttner

Musikalisch und modebewusst

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Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20
mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded”
 im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Musiker Matija Kovac.

Gesang, Blockflöte, Gitarre, Bass und Synthesizer – das
alles beherrscht Matija Kovac, geboren 1995, gut. Doch die Blockflöte spielt
Matija am liebsten und am längsten – seit 16 Jahren. Weil er die Musik, die man
mit ihr machen kann, so sehr liebt, studiert er Blockflöte an der
Musikhochschule. In Matts Leben dreht sich alles um die Musik, schließlich
verdient er auch sein Geld damit. Er singt und spielt Blockflöte in der
Indie-Pop-Band Matija und in der
Alternative-Pop-Band Aggressive Swans.

Seine größte Inspirationsquelle ist David Bowie. Nicht nur wegen
dessen Musik und seiner Persönlichkeit, sondern auch weil Bowies Erscheinung
Matija inspiriert und er ihn als Modefigur gut fand. Für Matija ist es wichtig,
wie Musiker angezogen sind. „Es ist schön,
Audio und Visuelles zu verbinden“, sagt er.

Gerade befindet Matija sich im Schreibprozess, denn es ist
ein neues Album geplant – aber nicht nur das, auch eine größere Deutschlandtour
steht bevor. Bei Matija ist immer viel los. Deswegen findet er es wichtig,
einen Ausgleich zu finden – wie Konzertbesuche, Reisen, Spazierengehen oder in
einem Café zu sitzen, etwas zu lesen, einen Kaffee zu trinken und dabei
Zigaretten zu rauchen. „Ich muss auch mal eine Woche nur was für mich machen
und alles hinten anstellen“, sagt Matija.


Text: Lena Schnelle

Foto: Eva-Marlene Etzel

Herz auf der Bühne

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Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20
mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded”
 im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Musiker Paul Kowol.

Paul. Das ist kurz, simpel und
einfach zu merken. Deswegen hat Paul Kowol, geboren 1997, den Nachnamen für
sein Bandprojekt weggelassen. „Ich will mein Herz auf die Bühne legen“, sagt
Paul und überlässt es dem Publikum, wie es das aufnimmt: „Jeder muss selbst
wissen, was er damit machen will.“ Für ihn ist die Musik die ehrlichste Art,
sich auszudrücken. In seinen Songs geht es um Geschichten aus seinem privaten
Umfeld, seine Gefühle, aber auch Gedankenspiele, wenn man eine Geschichte
weiterspinnt. Die Ideen können ihm überall kommen. „Besonders schwierig ist es,
wenn ich eine Idee habe und es um mich herum laut ist, weil ich den Gedanken
dann in mein Handy summen will“, erklärt Paul.

Als er das erste Mal die Gitarre
in die Hand nahm, zeigte ihm sein Onkel Gerald Huber, der ihn seither
unterstützt, das Lied „Fire Water Burn“ der Bloodhound Gang. So fing er an,
weitere Lieder wie „Knockin on heaven’s door“ zu lernen. Mit 13 Jahren schrieb
er dann sein erstes eigenes Lied: „New day“. Mittlerweile schreibt und singt
Paul allerdings auf Deutsch. „Ich kann mich natürlicher ausdrücken und muss
keine coolen Worte auf Englisch suchen“, sagt er.

Neben der Musik studiert Paul
Philosophie im dritten Semester, aber er könnte sich auch gut vorstellen,
irgendwann einmal Studioarbeit für andere Bands zu übernehmen. Er fände es
cool, etwas neben dem Rampenlicht zu haben. Vorher steht Paul aber erst mal
selbst im Studio, um neue Musik aufzunehmen.

Text: Lena Schnelle

Foto: Luca Imberi