In Melbourne hat sich Sunny Acc’s das erste Mal getraut, vor Publikum zu singen. Jetzt will die Sängerin auch die Menschen in München erreichen.

München Lebt. Menschen und mehr.
In Melbourne hat sich Sunny Acc’s das erste Mal getraut, vor Publikum zu singen. Jetzt will die Sängerin auch die Menschen in München erreichen.
Finn Schorlau will 24 Stunden lang an 24 Plätzen Straßenmusik für einen guten Zweck machen – sollte es die Inzidenz erlauben
Die 16-Jährige Helena Niederstraßer macht nachts Straßenmusik in der Innenstadt – und ist auch sonst gerne dann unterwegs, wenn die meisten anderen schon schlafen. Ihren Lieblingssnack für lange Nächte hat sie uns auch verraten
Continue reading „Durch die Nacht mit: Helena Niederstraßer“
Helena Niederstraßer, 16, zieht gegen Mitternacht mit ihrer Gitarre los. Sie spielt in der Fußgängerzone ihre Lieder und begegnet Menschen auf eine Weise, die tagsüber nicht möglich wäre.
Weiterlesen (SZ Plus)
Von wegen Sommerloch! Unser Autor macht sich auf die Suche nach spannenden Freizeitangeboten in München. Und siehe da: Er wird fündig! Auf ihn wartet eine Ausstellung im Farbenladen, das Isarinselfest und eine Menge Musik von Hip-Hop bis Metal.
Mit dem kalendarischen Sommer einher neigt sich auch der Festivalsommer
langsam dem Ende zu. Ein letztes Aufbäumen gibt es dieses Wochenende – und das
muss ich natürlich voll ausnutzen.
Los geht es am Freitag mit dem Sonnendeck
Festival in Augsburg. Ja, richtig gehört, in Augsburg. Denn für
so ein Line-Up aus hervorragenden Münchner Künstlern, unter Anderem Henny Herz,
Xavier Darcy und DJ Fancy Footwork, verlasse ich gerne mal die geliebte
Heimatstadt.
Das war‘s aber auch schon wieder mit der Reiselust. Denn am Samstag
kann die Landeshauptstadt und ihr Umland mit einer Flut an Festivals
auftrumpfen. Durch meine Recherche für
einen Artikel auf den Geschmack gekommen ist meine erste Station am
Nachmittag das Traditional Heavy Metal-Festival “Trveheim”, das sogar
schon gestern begonnen hat. Nachmittags spielen dort aufstrebende junge Bands
der Szene, während am Abend echte Oldschool-Legenden zu hören sind. Letztere
werde ich aber leider auslassen müssen, denn abends wartet die Innenstadt mit
einer Vielzahl an Konkurrenzangeboten auf. Da wären das Isarrauschen auf der
Praterinsel, und die Sommerfeste von Minna Thiel, Lucky Who und Kiosk 1917. Wo ich
letztendlich hingehe? Das entscheide ich wohl spontan.
Egal wo, gefeiert hab‘ ich gestern auf jeden Fall. Deswegen verbringe ich
den Sonntag vorwiegend im Bett – und das trotz traumhaftem Spätsommerwetter.
Shame on me! Naja, ich sollte mich ja auskurieren. Am Abend muss ich wieder
singen können, denn in der Milla steigt das Mitmach-Chor-Event GO SING CHOIR. Gesungen wird
genau ein Song, mitmachen darf jeder, der Lust hat.
Das war doch ein wirkliches Festivalwochenende! Am Montag ist
deswegen wieder etwas runter kommen angesagt. Was eignet sich da besser als die
Ausstellung “Samin” des
Fotografen Filippo Steven Ferrara? Im Farbenladen des Feierwerks dokumentiert
er das harte Leben der aus Teheran nach Italien emigrierten Bildhauerin Samin.
In Aussicht der herannahenden Bundestagswahl besuche ich am Abend noch das
Theater Heppel & Ettlich. Dort liest der
ehemalige Oberbürgermeister Christian Ude aus seinem Buch
“Die Alternative oder: Macht endlich Politik!”. Das Buch, dessen
Titel unlängst von einem
AfD-Politiker für eine dubiose Wahlwerbung vereinnahmt wurde.
Am Dienstag geht es kulturell weiter, denn ich begebe mich zunächst
auf einen Streifzug durch die Sommergalerie am Praterstrand.
Die zeigt momentan Werke von Simon James. Danach aber gleich weiter ins
Fußballstadion des FC Teutonia München. Denn dort tritt die SpVgg Unterhaching
in einem Benefizspiel gegen eine
All-Star-Auswahl der Münchner Amateur-Vereine an. Die Einnahmen aus dem Event
werden zur Restaurierung des Vereinsheims des FC Teutonia verwendet, das
letztes Jahr einem Großbrand zum Opfer fiel.
Der Mittwoch wird wieder musikalisch: Die Minna Thiel veranstaltet
im Kampf gegen das Sommerloch weiterhin regelmäßig ihre Schienenbuskonzerte. Dieses Mal mit
Stephan Worbs und Ziggy McNeill. Nach zwei entspannten Singer-Songwriter-Konzerten
habe ich aber noch Lust, ein bisschen zu tanzen. Da bietet sich heute das
“Hip Hop Hooray” in der
BEARD BAR an.
Am Donnerstag beginnen drei wunderschöne Wochen für Keyboarder wie
mich. Bis 17. September nämlich werden in der ganzen Innenstadt verteilt wieder
die “Play me, I’m
Yours”-Pianos stehen. Endlich wieder Straßenmusik mit
Klavier! Abends geht der etwas alternative Musik-Tag weiter, denn im Lucky Who
sprechen die Deutschrap-Podcaster Schacht &
Wasabi über die neuesten Gerüchte rund um Farid Bang, Fler,
Sido und Konsorten. Und weil ich danach immer noch nicht genug habe, gibt’s bis
spät in die Nacht wieder Musik zum Mitmachen auf der Westendjam.
Das war eine anstrengende Woche! Deshalb lasse ich sie am Freitag
ganz entspannt auf dem Isarinselfest ausklingen. Auch
wenn das Fest noch bis Sonntag gehen wird, nach dieser Woche brauche ich wohl
erstmal eine Pause. Und da sag noch einer, München habe
im Sommerloch nichts zu bieten
Text: Maximilian Mumme
Foto: Serafina Ferizaj
München bietet optimale Bedingungen fürs Straßenmusizieren: ruhig, reich, touristisch. Rentabel wirds am Deutschen Museum, publikumsreich unter der Reichenbachbrücke und entspannt am Monopteros.
1. Auf dem Odeonsplatz
Geradeso außerhalb des Lizenzbereichs gelegen, aber noch zentral genug, um die Gunst der vielen Touristen, Shoppingqueens und Theaterbesucher abzubekommen. Der Odeonsplatz ist ‘ne sichere Nummer.
2. Am Platzl
Man muss sich zwar hin und wieder mit einem penetranten Jodel-Darbieter herumschlagen, aber auch hier: ‘ne sichere Nummer.
3. Auf der kleinen Brücke zum Deutschen Museum
Hier trifft man auf entspannte Touristen und junge Familien, die eh schon ihren Geldbeutel gezückt haben, um den Eintritt zu bezahlen – ideale Bedingungen für einen vollen Hut.
4. Am S-Bahnhof Rosenheimerplatz, Ausgang Gasteig
Zwar hat ein kleines Grüppchen von Klezmer-Musikern sich das Monopol für diesen Ort gesichert – doch wenn sich dieses doch mal eine Pause gönnt, ist die Chance da! Traumhafte Akustik, massenhaft Laufkundschaft.
5. Am Monopteros
Für weniger profitorientierte Musiker eine entspannte Alternative zum Großstadttrubel, mit schönem Ausblick. Die unermüdliche Trommelgruppe nicht weit vom Monopteros hat sicher auch nichts gegen einen kleinen gemeinsamen Jam.
6. Unter der Reichenbachbrücke
Während es auf der Brücke laut, voll, eng und stressig ist, kann man unterhalb wunderbar die gute Akustik nutzen und hat gerade abends bei schönem Wetter ein Publikum, das zahlenmäßig wohl an die Muffathalle rankommt.
7. Zur Wiesnzeit: überall rund um die Theresienwiese
Es ist zwar moralisch streitbar, hoffnungslos betrunkenen, willenlosen Australiern mit “Skandal im Sperrbezirk” die letzten Münzen aus der Tasche zu locken – aber zumindest ist es ein sehr rentables und amüsantes Geschäft. Aber aufgepasst: bei den zahlreichen Akkordeonspielern macht man sich nicht gerade Freunde.
Text: Tilman Waldhier
Foto: Privat
Als Lukas Bernhard und Carla Pollak nicht mehr ausreichend zufrieden mit der Ausbeute beim Straßenmusizieren waren, gründeten sie just die Indie-Band Oh Why – den Sound der Straße haben sie sich aber teilweise erhalten.
Mit der eigenen Musik Geld verdienen, dieser Lebensplan ist für die meisten in überaus weite Ferne gerückt. Immerhin sind in den Neunzigerjahren – man mag es kaum glauben – Bands wie die Babes in Toyland mit Musik, die dermaßen weit ab vom Mainstream war, weltweit auf mittelgroßen Labels erschienen, die damals noch Vorschüsse zahlten, die so etwas wie ein Berufsmusikertum zumindest für eine gewisse Zeit finanzierten. Heutzutage ist die schnellste, sicherste und auch lukrativste Art mit der eigenen Musik Geld zu verdienen, auf die Straße zu gehen. Das erscheint erst einmal reichlich absurd, denn Straßenmusik ist immer eine Konzertdarbietung, zu der in den seltensten Fällen gezielt jemand kommt und deren Gewinn sich aus der Großzügigkeit der vorbeikommenden Zufallspassanten generiert. Dass ein Publikum einer Straßenmusikband mal eben gerne einen Betrag in den Hut wirft, der die Summe, die nach einem gestreamten Song auf Spotify auf dem Konto des Künstlers landet, in den meisten Fällen, auch wenn sie unter fünf Euro bleibt, übertreffen dürfte, ist eine der Absurditäten im heutigen Umgang mit der Wertigkeit von Musik. Dass Musiker wie Erol Dizdar, der von seiner Musik lebt und zwar hauptsächlich davon, dass er mit der Konnexion Balkon auf der Straße spielt und nicht davon, dass er mit den gerade doch auf eine gewisse Art gehypten Friends of Gas durch die Clubs des Landes tourt, bestätigt das.
Unter diesen Voraussetzungen hat die junge Münchner Band Oh Why also erst einmal ganz instinktiv die richtige Bühne gewählt, als die Gründungsmitglieder, der Gitarrist Lukas Bernhard und die Sängerin Carla Pollak, 2013 begannen, in Münchens Innenstadt zu musizieren. Doch – und hier liegt die Crux – schon wegen des fehlenden Stroms in der Fußgängerzone bleibt die Musik in den Klangmöglichkeiten von Grund auf beschränkt. Und so eine Atmosphäre, wie sie die Band heute in den Anfang ihres Songs „Planet 9“ legt, ist auf der Straße ohne anständige Verstärker kaum aufzubauen. Denn um so ein mystisches Ambient-Rauschen zu erzeugen, braucht es Gitarrenverstärker, die die Töne verzerren und verhallen. Da braucht es aber auch Mikrofone, die das Straßenmusik-Relikt Cajón (die Holzkiste, auf der ein Trommler sitzt und die klingt wie ein Schlagzeug) verstärken und verfremden. Und da braucht es im Idealfall die Bühne eines Clubs, eine Nebelmaschine und entsprechende Scheinwerfer, um die Band auch optisch passend zu den Klängen in Szene zu setzen. Oh Why lernten nach und nach diese erweiterten Möglichkeiten für die Darbietung ihrer Musik zu schätzen: Also kam zuerst der Schlagzeuger Vincent Crusius dazu, später dann noch Bass und Keyboard.
Die Möglichkeiten, einfach auf der Straße zu spielen, wurden von den Musikern, die alle Anfang 20 sind und in München studieren, so zwar rapide eingeschränkt, Carlas dunkel belegte Alt-Stimme aber bekam einen musikalisch interessanteren Untergrund: Irgendwo zwischen Neunzigerjahre-Indie-Rock und einem Gespür für lang aufgebaute Atmosphären, verabschiedeten sie sich endgültig vom kurzweiligen, nachmittäglichen Shopping-Soundtrack auf dem Marienplatz und traten in den Dschungel der Münchner Indie-Band-Szene ein. Hier müssen sie jedoch an etwas anderem feilen: Man muss herausstechen, sich eigen und besonders machen. Daran arbeiten Oh Why gerade, live immer wieder in diversen Konzerten, und im Studio an ihrer ersten EP, die im Laufe des Jahres erscheinen soll.
Text: Rita Argauer
Foto: Alexandra Kuth
Der australische Straßenmusiker Ziggy McNeill erspielt sich mit seiner Fingerstyle-Technik gerade ein größeres Publikum in München. Wie? Mit „90 Prozent Arbeit und 10 Prozent Talent“.
Von Sandra Will
Barfuß und mit Surfboard am Fahrrad sucht Ziggy McNeill, 23, nach einer geeigneten Stelle, um seinen Gitarrenkoffer aufzustellen. In der Sonne bleibt er stehen und steigt ab. Seine schwarzen Locken fallen ihm auf die breiten Schultern, er schiebt seine Haare zurück und setzt ein Cap auf, damit sie ihm beim Spielen nicht ins Gesicht fallen. Seine linke Hand schiebt er tonlos ein paar Mal die Bünde hoch und runter, bevor er die Finger seiner rechten für eine Sekunde still auf den Saiten vor dem Schallloch positioniert. Dann legt er los.
Wie ein Protokollant auf seine Tastatur hämmernd beginnt Ziggy die Saiten anzuschlagen. Die Straße ist seine Bühne. Vorbeilaufende Passanten bleiben stehen. Ziggy springt auf und ab, legt sich die Gitarre in seinen Nacken und spielt ohne einen Blick auf seine Finger fehlerfrei die Melodien von Klassikern wie „No woman no cry“ oder aktuellen Popsongs wie „Happy“ von Pharrell Williams.
Ziggy braucht keinen Gesang, damit die Menschen auf ihn aufmerksam werden. Der gebürtige Australier spielt Gitarre, seit er zwölf ist. Sechs Jahre war er Gitarrist in einer Punkband, bis er mit 20 Jahren zum Fingerstyle wechselte. Beim Fingerstyle zupfen die Finger die einzelnen Saiten, ein Plektrum wird dabei nicht benutzt, da man auch mehrere Saiten gleichzeitig erklingen lassen kann. Um die Technik zu beherrschen, braucht es Übung und Durchhaltevermögen. Weil Ziggy diese Technik erst seit drei Jahren spielt, bekommt er viel Anerkennung von Musikern.
Der Grund für den Wechsel der Spielweise war ein Treffen mit seinem Idol Tommy Emmanuel, einem der weltbesten Fingerstyle-Gitarristen. Ziggy nahm am Tommy Emmanuel Camp 2013 teil und hatte die Chance, vor dem Profi zu spielen. Dieser machte ihm jedoch klar, dass er für den Erfolg mehr Zeit und Übungsstunden investieren müsse. Seitdem übt Ziggy sechs Stunden am Tag und spielt zusätzlich noch Auftritte auf der Straße oder auch in kleinen Locations. „90 Prozent sind harte Arbeit, der Rest ein wenig Talent und viel Glück.“, sagt Ziggy. Seine Finger tragen mittlerweile eine fast streichholzdicke Hornhautschicht, anders würde er nicht so viel spielen können. Seine Schmerzgrenze liegt allerdings noch höher. Während er sein Album aufgenommen hat, spielte er bis zu zwölf Stunden täglich.
„Timeless“ ist sein erstes Album und beinhaltet nur eigene Songs, die er selbst geschrieben hat. Ganz ohne Gesang wollte er es dann aber doch nicht und ließ zwei australische Singer-Songwriter auf wenigen Tracks singen. Nach der Veröffentlichung seines Albums in diesem August fasste er spontan den Entschluss, seine Gitarre zu packen und in Europa Straßenmusik zu machen. „Ich habe mich in eine Münchnerin verliebt, da war es klar, dass ich nach München muss“, sagt Ziggy und erzählt, dass sie sich in Sydney kennen gelernt haben, als sie als Ferienjob Merchandising-Artikel auf einem Festival verkaufte. Inzwischen fühlt er sich fast wie daheim, denn mit umgedrehter Cap und gebräunter Haut gliedert er sich am Eisbach bestens in die Reihe der wartenden Wellenreiter ein. „Die Welle auf dem Eisbach läuft zwar rückwärts, aber daran gewöhnt man sich“, sagt er.
Alles an ihm ist ein bisschen größer als normal: seine buschigen Augenbrauen, seine Schultern, seine Finger. Nur seine Stimme ist überraschend ruhig. „In Sydney kannte mich jeder, wenn ich auf der Straße gespielt habe. Hier muss ich den Menschen erklären, dass ich Fingerstyle spiele.“ Was die Stadt von seiner Heimat unterscheide, seien neben dem guten Bier und den Brezen die vielen Fahrradspuren, die ihn immer noch ein wenig verwirren.
„München ist sehr strikt, du brauchst eine Lizenz zum Spielen wie in Sydney, aber ich darf hier keinen Verstärker benutzen.“, sagt er. Für Fingerstyle wäre das aber notwendig, damit das Publikum jeden Ton hört. Deshalb spielt er oft im Englischen Garten, wo er die Lautstärke mal ein wenig höher drehen kann, ohne dass gleich die Polizei kommt. Aber auch am Marienplatz sucht er sich oft einen Platz zum Spielen. Dort gibt es auch mehr Menschen, die sein Album kaufen.
Seine Musik kommt bei den Münchnern gut an. Sein Album verkaufe er hier pro Auftritt mindestens zehn Mal, sagt Ziggy. Zusätzlich spielt er aber noch einige Gigs in Bars oder Clubs. In München war er zum Beispiel schon Gast im Bahnwärter Thiel, am 18. November spielt er in der Schwabinger Bar The Keg. Das Geld, das er mit seiner Musik auf der Straße verdient, reicht nicht zum Leben, aber mit dem Verkauf seines Albums und einigen Gewinnen von Wettbewerben kann er sich finanzieren.
Nun will Ziggy neben München auch in anderen deutschen Städten Straßenmusik machen und an Wettbewerben teilnehmen. In Australien war er damit immer sehr erfolgreich. Bemühen will er sich auch um Unterstützung von der deutschen Gitarrenmarke Lakewood, dessen Arbeit er sehr schätzt. Dazu will er vermehrt auf Gitarrenfestivals spielen. Eine Gitarre der Marke hat er in Sydney gelassen. „Meine Lakewood war mir zu kostbar, um sie im Flieger mitzunehmen“, sagt Ziggy.
Spätestens nächstes Jahr wird er wieder nach Australien zurückkehren, doch Ziggy ist sich sicher, dass er nicht zum letzten Mal in München gewesen ist. Neben dem Eisbach und seiner Freundin gibt es nämlich auch noch einen anderen Grund, hier Straßenmusik zu machen: „Beim Klatschen bleiben die Deutschen eher im Takt als die Australier.“
Foto: Lynn Krüger
Bruno Fritzsche, 27, reist seit einigen Tagen durch Europa und dreht einen Dokumentarfilm über Straßenmusik. „A Global Joy“ nennt der Jungregisseur sein Projekt – Gitarrengeschrubbe als weltweites Vergnügen.
Seine Zuschauer staunen, wenn der Straßenmusiker mit seiner rauchigen, kraftvollen Stimme zu singen anfängt. Die Gitarre liegt dabei auf seinem Schoß, er bearbeitet die Saiten ähnlich wie die einer Zither. Zusammen mit der Mundharmonika entsteht ein verträumter Country-Sound. Der Sänger kommt aus Australien, trägt Dreadlocks und Filzschlapphut und heißt Tristan O’Meara. Er sitzt an einer Straßenecke in Würzburg, ist Straßenmusiker aus Leidenschaft und tourt um die Welt.
Nach genau solchen Persönlichkeiten wie Tristan O’Meara hält der Münchner Bruno Fritzsche (Foto: Nominal Film, Hawkins & Cross) Ausschau. Der Regisseur ist 27, dreht seit einigen Tagen einen Dokumentarfilm über Straßenmusik in Europa und bereist dafür den Kontinent. Das Reise-Mobil, ein dunkelblauer Van, ist vollgepackt mit Filmequipment – und für den Notfall ist auch eine Matratze dabei. „A Global Joy“ nennt Bruno sein Projekt: Straßenmusik als weltweites Vergnügen. Der Film soll Roadtrip und Musik-Film vereinen und von den Live-Auftritten der Künstler leben. „Wir suchen dafür nicht das, was du in der Fußgängerzone jeder x-beliebigen Stadt siehst: Wir suchen nicht den Akkordeonspieler oder die Panflöten-Indioband“, stellt der Regisseur schnell klar. „Wir suchen krasse Entertainer, die die Leute berühren – ob der vor 200 Zuschauern ‚Alle meine Entchen‘ mit der Plastikflöte spielt oder ob er total geil singt, das ist letztendlich egal.“ Hauptsache also, es unterhält – so wie die Auftritte des Australiers Tristan, Brunos erster Entdeckung auf seiner Reise.
Bruno selbst ist eigentlich Hannoveraner, nach dem Abi kam er 2008 für sein Filmregie-Studium an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation nach München – und blieb. Sein Geld verdient er mittlerweile als Freiberufler mit Werbefilmen. Das Interesse für den Dokumentarfilm ist parallel aber immer weiter gewachsen. Er wirkt lässig mit seinem Drei-Tage-Bart, er trägt weiße Chucks und ein schlichtes T-Shirt, unter dem am Oberarm ein Tattoo hervorblitzt. Trotz der legeren Erscheinung legt Bruno Wert darauf, dass man ihn erst nimmt: Er ist kein Student mehr, der die Schnapsidee einer Europareise mit klapprigem VW-Bus dazu nutzen will, einen semiprofessionellen Film zu drehen.
„A Global Joy“ ist auch nicht Brunos erster Dokumentarfilm: 2011 feierte seine erste Doku „Beautiful Struggle“ über die Veränderung der deutschen Hip-Hop-Szene beim Münchner Dokumentarfilmfest DOK.fest Premiere. Die Idee zum Straßenmusiker-Projekt kam ihm bereits parallel zu den Dreharbeiten des Hip-Hop-Films: „Ich fand es schade, dass wir dafür zwar jede Menge Rapper interviewt haben, aber nie bei den Konzerten dabei waren und Live-Musik einbauen konnten.“
Neben der Arbeit als Regisseur komponiert Bruno selbst Filmmusik und spielt in verschiedenen Bands. Die Bandbreite reicht von ruhig-akustisch über Punk bis Elektro und Dubstep. Die musikalische Offenheit in vielen Genres könnte ihm auch auf der Suche nach der großen Vielfalt der Straßenmusiker zugute kommen. „Und wenn wir zwischendurch keine Protagonisten finden, dann muss Bruno ran und wir stellen ihn in Nantes an die Straßenecke!“, scherzt Kameramann und Produzent Max Plettau.
„Er kam Anfang des Jahres mit der Idee zu ‚A Global Joy‘ auf mich zu“, erzählt Max. „Ich konnte mir das sofort vorstellen, das war genau die Filmidee, auf die ich gewartet habe.“ Jetzt, Mitte September, ging es für die beiden wirklich los. In der Zwischenzeit haben sie die Bayerische Filmförderung von sich überzeugt, recherchiert und die Route geplant. Erster Halt: das Stramu-Festival in Würzburg, das weltweit größte bühnenfreie Fest für Straßenmusik. „Die Qualität der Musiker war überraschend hoch“, sagt Bruno.
Ob das die verbleibenden Wochen so bleiben wird? Es ist eine sehr ungewisse Reise. Doch genau das soll auch zum Kunstgriff des Dokumentarfilms werden: „Es ist ein Film über das Suchen und Finden.“ Sie wollen ernste Anekdoten der Straßenmusiker genauso erzählen wie ihre eigene Reisegeschichte. Die Filmemacher werden selbst zu Protagonisten.
Die Geschichte des Films kann im Übrigen jeder beeinflussen. Denn eine Besonderheit von „A Global Joy“ ist die Interaktivität des Projekts. Auf der Suche nach Musikern verlässt sich Bruno auch auf Tipps von Leuten vor Ort oder aus der Heimat. Bei vielversprechenden Ratschlägen wollen die beiden von ihrer Route abweichen. Zusätzlich hat sich Bruno Unterstützung durch den Münchner Radiosender afk M94.5 gesichert. Programmleiter Wolfgang Sabisch war schnell überzeugt von der Idee: „Das Projekt ist für mich etwas Besonderes, weil es zum einen etwas sehr Vertrautes – nämlich Musik – mit Abenteuerlust und Neugierde auf etwas Neues verbindet.“
Als letzte verlässliche Quelle dienen Bruno unterwegs die Straßenmusiker selbst. Die sind untereinander sehr gut vernetzt: Man weiß, wer in anderen europäischen Städten die Straßen rockt. „Gerade haben wir zum Beispiel eine Musikerin aus Köln getroffen, die meinte, wir sollen unbedingt nach Nantes“, erzählt Bruno. „Wir haben eine ganze Liste mit Straßenmusikern von ihr bekommen.“
Für die gesamte Reise hatte der Regisseur vorab nur einen einzigen festen Termin vereinbart. In Paris trafen sie den Straßenmusiker Gyraf, der in Paris bekannt ist wie ein bunter Hund – oder besser: eine bunte Giraffe. Seit sieben Jahren tritt der Mann im Giraffenkostüm in den Straßen der Metropole als One-Man-Band auf – meist am Brunnen von Saint Michel nahe der Kathedrale Notre-Dame. Einen Tag lang begleitete das Filmteam den Musiker mit dem Schlagzeug auf dem Rücken und der Gitarre in der Hand durch die Stadt.
In den nächsten Tagen geht es nach Spanien und von dort nach Italien. Nach ein paar Wochen Verschnaufpause machen sich Bruno und Max Ende Oktober dann auf nach Osteuropa, wahrscheinlich mit den Stopps Prag, Budapest und Belgrad. In allen Orten vermutet Bruno nach der Vorrecherche eine besonders bunte, aktive Straßenmusik-Szene. Das Spannende soll im Dokumentarfilm dann letztlich auch der Unterschied zwischen den Ländern sein. Der Jungregisseur freut sich vor allem auf Madrid: „Paris und Barcelona verbindet man irgendwie automatisch mit Straßenmusik“, erklärt er. „Aber in Madrid erlebt man, glaube ich, noch ein paar Überraschungen und individuelle Künstler.“
Am Ende soll aus den Liedern der Straßenmusiker auch eine Live-CD entstehen. Geplant ist es als Charity-Projekt, der Erlös soll dann zum Beispiel der Organisation „Music for Kids“ zugute kommen. Wenn alles nach Plan läuft, sind CD und Brunos zweiter Dokumentarfilm im Frühjahr 2015 reif für das bundesweite Publikum – vorausgesetzt, es findet sich ein Verleih. Was er für eine Wirkung beim Zuschauer erzielen will, weiß der Regisseur aber jetzt schon: „Wenn man nach dem Film aus dem Kino kommt, soll man am besten dem nächsten Straßenmusiker einen Fünf-Euro-Schein in den Hut werfen, weil man so Lust auf Straßenmusik hat.“ Elisabeth Kagermeier
Auf seiner Reise verlässt sich Bruno auf Tipps von Menschen aus ganz Europa. Wenn ihr auch einen guten Straßenmusiker kennt, könnt ihr den Filmemacher über die Facebook-Seite von “A Global Joy” erreichen und dort auch Videos der bisherigen Entdeckungen ansehen.