„Ich will den Münchnern zeigen, dass weiterhin etwas passiert in den Straßen“, sagt Finn Schorlau. Foto: Robert Haas
München, 7.5.2021 / Foto: Robert Haas Finn Schorlau, 22, möchte 24 Stunden am Stück Straßenmusik an 24 Orten in München für den guten Zweck machen. Dazu lädt er bekannte Musikerinnen und Musiker ein, ihn zu unterstützen. Das gesammelte Geld, so wie die Erlöse eines Kurzfilms, der dabei produziert wird, gehen an Women for Women International, einer Hilfsorganisation, die sich für die Rechte von Frauen in Kriegsgebieten einsetzt.

Schlaflos in München

Finn Schorlau will 24 Stunden lang an 24 Plätzen Straßenmusik für einen guten Zweck machen – sollte es die Inzidenz erlauben

Finn Schorlau, 22, möchte 24 Stunden am Stück Straßenmusik an 24 Orten in München für den guten Zweck machen. Das gesammelte Geld, so wie die Erlöse eines Kurzfilms, der dabei produziert wird, gehen an Women for Women International – eine Hilfsorganisation, die sich für die Rechte von Frauen in Kriegsgebieten einsetzt. Stattfinden wird das Ganze, sollte die Inzidenz es erlauben, am kommenden Samstag, 15. Mai, von Mitternacht bis Mitternacht.

SZ: Du möchtest 24 Stunden lang Straßenmusik machen. Und das am Stück. Glaubst du wirklich, du schaffst das?

Finn Schorlau: Zum Glück muss ich da nicht ganz alleine durch. Ich habe gute Musikerfreunde, die mich abwechselnd begleiten werden und mir ein bisschen Last abnehmen werden. Es wird dennoch eine Wucht, diese 24 Stunden. Wenn ich aber für etwas brenne, dann ziehe ich das auch durch.

24 Stunden am Stück sind trotzdem heftig.

Ich habe schon in Norwegen im Herbst auf der Straße gespielt. Ich dachte manchmal, vom Wind frieren mir gleich die Finger ab. Deswegen weiß ich, dass meine Grenzen da weit gesteckt sind.

Wie kommt man überhaupt auf so eine Idee?

Ein guter Freund aus London erzählte mir vor Kurzem von dessen Idee, eine 24 Stunden lange Skitour für einen guten Zweck machen zu wollen. Er fragte mich, ob ich nicht partizipieren möchte. Und so kam eben die Idee, dass ich gesagt habe: Ich mache 24 Stunden lang Straßenmusik, an 24 Spots in München, und die kompletten Einnahmen werden gespendet.

Derzeit gilt ja eine nächtliche Ausgangssperre, in der Altstadt außerdem eine Maskenpflicht rund um die Uhr. Es ist Lockdown. Ist es denn überhaupt der richtige Zeitpunkt für eine solche Aktion?

In den vergangenen Tagen sind die Inzidenzen in München glücklicherweise gesunken – mit etwas Glück wird die Ausgangssperre bis Samstag also ausgesetzt. Sonst spielen wir eben von 5 bis 22 Uhr. Wir wollen das Ganze flexibel und mit Spaß im Vordergrund gestalten.

Flexibilität ist in Corona-Zeiten schwierig, wenn aus guten Gründen Regeln eingehalten werden müssen.

Ich stehe mit der Stadt München in Kontakt bezüglich des Marienplatzes. Verständlicherweise ist da nichts zu machen, solange der Lockdown geht. Das war der Grund für die Verzögerung, eigentlich wollten wir im April schon mit Allem durch sein. Wir werden bei der Aktion natürlich auch die Stadt in Szene setzen.

Warum?

Ich will den Münchnern zeigen, dass weiterhin etwas passiert in den Straßen. Wir starten um Mitternacht, und dann läuft es hoffentlich so: immer 45 Minuten Straßenmusik, 15 Minuten Spotwechsel.

Das von dir gesammelte Geld soll an eine internationale Frauenhilfsorganisation gespendet werden, Women for Women International.

Die Organisation setzt sich ein für die Rechte von Frauen in Kriegsgebieten und unterstützt sie dabei, Traumata zu überwinden, Ängste zu verarbeiten und das verlorene Selbstvertrauen wiederzugewinnen, wenn der Krieg vorbei ist. Die Frauen erhalten eine Berufsausbildung und können sich so ihre eigene Existenz aufbauen. Ich finde das eine extrem wichtige Arbeit, die ich gerne unterstützen möchte.

Was hat dich dazu bewegt, dich gerade für dieses Projekt einzusetzen?

Der Freund von mir, der mich auf die Idee gebracht hat, unterstützt ebenso die Organisation. Er hat mich von deren Seriosität überzeugt. Gerade in Kriegsgebieten sind Frauen besonders benachteiligt – und werden zu oft auch unsichtbar gemacht. Dabei verliert man schnell den Blick dafür, wie stark sie unter den Umständen leiden. Von daher finde ich die Initiative sehr unterstützenswert.

Jetzt hast du bereits vorab mehrere hundert Euro eingenommen, ohne einen einzigen Ton gespielt zu haben.

Das Feedback hat mich tatsächlich überwältigt. Nachdem ich mich zu dem Projekt entschlossen hatte, habe ich auf einer Crowdfunding-Website einen Link eröffnet. Relativ schnell kam dann einiges an Spenden rein. Ich hatte mir 300 Euro als Ziel vorgenommen – insgesamt wohlgemerkt, die haben wir inzwischen schon durchbrochen. Und da sind noch nicht einmal die 24 Stunden dabei, die ich letzten Endes auch spielen werde. Ein Filmteam aus meiner Heimatstadt Münster wird mich dabei auch begleiten und das alles abfilmen. Wir wollen zusätzlich eine kurze Doku produzieren, die dann gegen Spende im Internet aufrufbar sein soll. Mein unausgesprochenes inneres Ziel ist es inzwischen, dass die Summe vierstellig wird.

 

„Was uns hier in Deutschland betrifft, ist Krieg immer sehr weit entfernt.“

 

Gäbe es da nicht andere, effektive Wege, sich für humanitäre Projekte einzusetzen als durch Straßenmusik im von Kriegsgebieten so weit entfernten München?

Was uns hier in Deutschland betrifft, ist Krieg immer sehr weit entfernt. Das Thema ist medial präsent, aber für uns im Alltag nicht greifbar. Dafür möchte ich mit der Aktion Aufmerksamkeit schaffen. Das ist es, was die Straßenmusik für mich so spannend macht: dass man Passanten einfach einmal für einen Moment aus dem Alltag rausnehmen kann, ihnen etwas Neues zeigen kann. Ich möchte die Menschen einladen, sich mit mir über das Thema Gedanken zu machen. Aber auch einfach einmal stehen zu bleiben und sich bewusst zu machen: Was ist das wirklich elementar Wichtige? Wenn ich das mit meiner Aktion bewirken kann, habe ich schon einiges erreicht.

Interview: Louis Seibert