Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Sandra

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Stillstand und Bewegung, Innovation und Digitalisierung, Hausarbeit und Ablenkung – Diese Woche trifft unsere Autorin auf viele Veranstaltungen, die diese Dinge miteinander kombinieren. 

Die Abgaben für Hausarbeiten und Essays rücken näher, doch
weil der März einer meiner Lieblingsmonate ist, verkürze ich die Zeit am
Schreibtisch auf ein Minimum und plane meine Abende zur Entspannung.

Was läuft in der Münchner Musikszene, wer hat eine Chance
und wer nicht? Wer mitreden will, darf sich den Bandwettbewerb „Sprungbrett“
der Fachstelle Pop und des Feierwerks nicht entgehen lassen. Freitagabend
findet die dritte von vier Vorrunden statt, das Orangehouse wird definitiv voll
sein!

Ich verbringe meinen Samstagvormittag brav in der
Bibliothek, träume aber von leeren Pisten und glitzerndem Pulverschnee. Diesen
Spaß kann ich mir wegen des Zeitdrucks leider nicht gönnen, doch Après-Ski geht
auch in München! Und hätte München mittlerweile nicht ein ganzes Schiff auf
einer Eisenbahnbrücke stehen, wäre die Partytram immer noch die coolste Location
der Stadt! Doch bevor ich mir heißen Eierlikör gönne, schaue ich noch schnell
beim Midnightbazar im Postpalast vorbei, wo sicherlich wieder einige Schnäppchen
zu machen sind. Vielleicht finde ich ja eine coole Skimütze aus den 80ern für
das Après-Ski-Event.

Sonntag ist für gewöhnlich ein Tag, an dem Stillstand
herrscht. Auch wenn ich mir das bei meiner aktuellen Seitenzahl eigentlich
nicht leisten kann, hole ich mir Inspiration von einem Streetfotografen. Und
siehe da, der Bezug zu meiner Hausarbeit, in der auch das Roadmovie mit dem
Motiv der Bewegung eine Rolle spielt, passt hervorragend, denn Oliver Haaker
zeigt in seiner Ausstellung Bilder aus der Reihe „Stop and Motion“.

Der Montag wird zum Webmontag und trifft auch noch auf das
Isarnetz. Alle, die sich mit der Digitalisierung auseinandersetzen oder an
Projekten in diesem Zusammenhang arbeiten, haben an diesem Abend fünf Minuten
Zeit ihre Idee, Vision oder ihr Geschäftsmodell vorzustellen. Anschließend wird
derjenige dann entweder als der nächste Steve Jobs gehandelt oder von jungen
Informatik-Nerds auseinander genommen. Egal ob ihr Blogger oder BWLer seid, der
Abend wird spannend!

Am Dienstag gibt es zwei interessante Alternativen. Im Lost
Weekend stellt Noemi Schneider ihren Generationenroman „Das wissen wir schon“
vor und spricht damit vor allem den Millennials aus der Seele. So viel wir aber
auch schon zu Themen wie Kapitalismus, Politik und Bildung gehört haben – was
wir noch nicht wissen, ist, wie Smart-Cities in der Zukunft tatsächlich
aussehen könnten. Dies will die Veranstaltung OuiShare Fest 2017 klären. Wer sich nun eine Hochhausstadt mit fliegenden Autos und
luftreinigenden Bäumen aus dem Hochglanzmagazin vorstellt, ist wohl etwas
benebelt von den vielen Brands, die eine träumerische Zukunft verkaufen wollen.
Doch trotzdem müssen sich Großstädte mit dem Thema auseinandersetzen. Zur
Vorbereitung auf das große Event im Juli in Paris, gibt es schon jetzt ein
Warm-Up in München. Diskutiert wird die Frage, wie München in Zukunft smarter
werden kann und welche Umsetzung realistisch ist.

Zur Abwechslung von den vielen zukunftsträchtigen
Innovationen gibt es am Mittwoch dann endlich Musik. Entspannung muss her,
abseits von Digitalisierung und Smartphones. Auch die Band Granada will eigentlich weg aus ihrer Heimat Österreich und am liebsten in die Südsee abhauen. Wer sie noch nicht kennt, sollte sich unbedingt im Feierwerk einen Platz sichern – immerhin sind die Jungs für zwei Amadeus Awards nominiert! 

It don’t mean a
thing                                                                                           if it ain’t got that swing

Das Motto der 40er und 50er Jahre nehme ich mir am Donnerstag
auch für meine Hausarbeit vor, doch um den richtigen Schwung hinzubekommen,
schnuppere ich erstmal ein bisschen in den Boogie Woogie. Anschließend kann man
dann noch ausprobieren, was man gelernt hat. Ob das bei mir auf dem Parkett
oder am Schreibtisch sein wird, stellt sich noch heraus.

Das anstehende Wochenende wird für mich sicherlich kein
leichtes. Doch um kreativ zu starten, schaue ich bei
den Social Design Elevation Days im Impact Hub vorbei. Am Freitag findet dort
eine Diskussion zum Thema Innovationen an Schulen statt und wer weiß –
vielleicht kann ich mir auch eine Idee für die Universität abschauen.

Text: Sandra Will

Foto: Privat

Beerpong und ein türkiser BH

Ein Mob kreischender Mädchen – Üblich bei einem Konzert der Killerpilze. Nicht so gewöhnlich aber ist der Ort, an dem die drei Jungs performen: Vor der Balkontür in einer 3-Zimmer-WG.

„Oh-ne-dich, oh-ne-dich, oh-ne-dich“, rufen die jungen Frauen an diesem Abend immer wieder. Sie wollen ihr Lieblingslied der Killerpilze endlich hören. Doch sie stehen nicht in einer großen Halle vor einer großen Bühne, sondern in einem Zimmer in Ismaning. Das Zimmer gehört Alexandra Brunner, Gewinnerin des WG-Konzerts der Junge-Leute-Seite. Sie hat heute die jungen Männer, die sie früher in der Bravo anschmachtete, nur wenige Zentimeter vor sich stehen. 

Schon am Eingang zeigt sich: Es wird eng. Der Schuhsalat ist kurz davor, die Treppe hinab zu fliegen, der Gang ist gesperrt von einem langen Tisch, der für
Beerpong umfunktioniert wurde, Tisch und Anrichte in der Küche sind voll mit Essen und Getränken, und dann das Zimmer, in dem das Konzert stattfindet. Die 20 Quadratmeter sind für ein WG-Zimmer groß, für ein WG-Konzert der Killerpilze immer noch klein. In die erste Reihe passen gerade einmal vier bis fünf Personen, dahinter tummeln sich viele andere. Selbst hinter dem Türrahmen stehen noch Menschen, die kaum einen Blick auf die Band haben.
 Doch hinter dem Schlagzeuger Fabi Halbig, der für gewöhnlich keinen im Nacken sitzen hat, stehen weitere junge Leute, jedoch vom Raum getrennt durch eine Fensterscheibe. Der Balkon bietet ihnen einen Blick, den man auf keinem Konzert sonst hat – hinter die Kulissen, hinter der Band. Und obwohl die Balkontür geschlossen ist, hört man jede Liedzeile. Im Gegensatz zu anderen privaten Konzerten, die die Killerpilze schon gegeben haben, spielen sie dieses Mal nicht unplugged, haben ihre Lautsprecher aufgestellt und bringen die Menge auch noch dazu zu springen, bis man wirklich Sorgen hat, ob das Regal in der Mitte des Zimmers ganz bleibt.

Alexandra, der Gewinnerin des WG-Konzerts, macht das jedoch nichts aus. Sie springt mit ein paar anderen auf ihrem Bett, weil sonst kein Platz im Zimmer ist, und genießt den Abend. Ebenso wie Klaus, der Vermieter der WG. Er begrüßt einen freudig am Eingang und strahlt mindestens so sehr, wie seine Tochter, die er mitgebracht hat. Da ist es dann auch nicht schlimm, dass das Konzert fast eine halbe Stunde länger geht als geplant, auch Frontsänger Jo Halbig will sich noch nicht vom Publikum lösen: „Wir sind überwältigt. Wir hätten nicht gedacht, dass es so geil wird.“ 

Die verlorene Zeit wird dann auch wieder reingeholt, indem nach Konzertende viele der Zuschauer beim Abbau helfen. Umso schneller steht man den Musikern dann beim Beerpong oder auf dem Balkon beim Rauchen gegenüber, wo man sie auch privat ein wenig kennenlernen kann.
Auch für die Killerpilze ist das aufgrund ihres Jubiläumsjahres ein besonderes Konzert. Auf 15 Jahre Bandgeschichte können sie zurückblicken – viele der Zuschauer steckten damals noch in den Kinderschuhen. Passend zu den kreischenden Mädchen und, ja tatsächlich, dem fliegenden türkisen BH, spielt die Band den Song „Immer noch jung“. Die meisten Zuschauer kennen die Killerpilze von früher, holen hier die Party nach, die sie mit 14 noch nicht feiern durften und sind ein gutes Beispiel dafür, dass die Killerpilze alles andere sind als eine längst ausrangierte Boyband. Die Stimmung ebbt nicht ab. Zwischenzeitlich wird sogar ein Wiesnhit von der Band gesungen, danach wird „Ein Prosit“ angestimmt und der große Freundeskreis zeigt: Ismaning kann mehr als man ihm zutraut. 

Noch dröhnt es in den Ohren, das Publikum ist berauscht. Und am Ende kommt es endlich. Das Lied, das viele der Anwesenden beim ersten Liebeskummer gehört haben: „Ich kann auch ohne dich“. Mit Feuerzeugen in der Luft. „Schöner wird’s nicht mehr“, sagt Leadsänger Jo.

Text & Foto: Sandra Will

Neuland: MooShow

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Ein neues Format macht sich in München breit: Nachwuchsregisseur Jakob Legner und Poetry-Slammerin Fee starten im April die zweite Ausgabe der “MooShow”

Wie macht man junge Menschen auf das Programm eines Kultur- und Bürgerhauses aufmerksam? Diese Frage stellte sich das Pelkovenschlössl in Moosach und erarbeitete mit dem Nachwuchsregisseur Jakob Legner, 20, und der Poetry-Slammerin Fee, 22, ein Konzept. Das Ergebnis: ein Mix aus Talk-Show und Live-Auftritten mit Publikum, die „MooShow – Hau’s raus!“.

Während die erste Folge im November 2016 unter dem Motto „Umwelt“ stand, geht es am 4. Februar um „Ganz schön stark“. Bei Moderatorin Fee sind außer Erkan Inan vom Münchner Forum für Islam und der politisch engagierten Poetry-Slammerin Carmen Wegge auch der Bodybuilder Stefan Hauser und der Magier Daniel Pfauntsch zu Gast. Der Sound kommt von der Band Bittenbinder. Die Sendung ist danach auf Youtube zu sehen. 

Text: Sandra Will

Foto: Pelkovenschlössl

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Sandra

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Zwischen Genie und Wahnsinn liegt ein schmaler Grat. Um weiterhin diese Balance halten zu können tut unsere Autorin in der kommenden Woche alles, um ihre künstlerischen Adern pochen zu lassen- mit mehr oder weniger Erfolg.

Ideenreich starte ich in das Wochenende. Am Freitag lasse
ich mir aber erst einmal erklären, wie die Ideen eines kreativen Menschen, nämlich
eines Illustrators, eigentlich entstehen. Im Literaturhaus spricht Christoph
Niemann
von Alltagsdingen, die ihn inspirieren und immer wieder zu neuen
Gedankesblitzen führen.

Am Samstag erwache ich früh und fühle mich wie ein Genie,
das seine Kunst noch nicht gefunden hat. Ich gehe auf Streife durch München und
verbinde das Ganze mit einem Spaziergang durch den Nymphenburger Sportpark.
Hier entdecke ich ein handballfeldgroßes Feld, an dessen beiden Enden jeweils
drei Ringe auf Kopfhöhe aufgestellt sind. Auf der Wiese laufen zwei Teams herum
und kämpfen um einen Ball, den sie in die Ringe werfen wollen. Doch was ist
das? In ihrer Nicht-Wurfhand halten sie noch etwas anderes in der Hand – einen
kleinen Besen. Ich fühle mich stark an Hogwarts erinnert und lese tatsächlich,
dass es sich hierbei um die deutschen Winterspiele im Quidditch handelt.
Inspiriert von J.K. Rowling erschufen ein paar Studenten das Spiel für die
Realität – auch das ist etwas, das in mir die Freude an der Kunst weckt. Doch
lassen wir den Sport hinter uns, ich schwinge mich auf meinen imaginären Besen
und mache mich auf die Suche nach Kunst für die Ohren. Etwas stolprig lande ich
im Kulturkeller der Schwanthalerhöhe, wo heute das Finale der Truth or Dare –
Benefizkonzertreihe
stattfindet. Butterbier kriege ich hier leider nicht, doch
Helles für 2.50 nehme ich gerne an – immerhin bin ich mit dem Besen unterwegs.

Um nicht in meine eigene Fantasiewelt abzudriften, flüchte
ich mich in die eines anderen: Cy Twombley. Im Museum Brandhorst kostet der
Eintritt am Sonntag nur einen Euro und bietet viel Abwechslung. Twombley ist
einer der einflussreichsten, spätmodernen Künstler, er spielt mit Farben und
sogar mit Lyrik in seinen Gemälden. Ich bin beeindruckt und mache mich auf den
Weg zu einem netten Cafe, um endlich alle Inspirationen des Wochenendes
zusammenzufassen.

 Am Montag habe ich die Quidditch-Spiele noch nicht ganz
vergessen können und frage mich, wieso es eigentlich so viele Märchen und
Mythen über Hexen gibt. Das Dunkel-Mysteriöse scheint dem Menschen schon immer
sehr kunstreich zu sein. Was allerdings passieren kann, wenn sich eine Stadt
gegen Zauberei und dessen vermeintliche Anwender ausspricht, sehe ich im
Residenztheater. Dort wird heute Abend das Stück „Hexenjagd“ aufgeführt.

Am Dienstag ist dann aber Schluss mit den unrealistischen
Inspirationsquellen. Ich brauche Fakten und Zahlen von Künstlern, die es
tatsächlich geschafft haben, Vorbildcharakter für zukünftige Genies anzunehmen.
Gefunden habe ich sie schnell in der größten Konzerthalle Münchens: Die
Fantastischen Vier
 kommen in die Olympiahalle. Seit über einem Viertel Jahrhundert stehen sie gemeinsam
auf der Bühne und sind wahrscheinlich heute noch Ansporn für viele
deutsch-schreibende und -singende Künstler.

Und siehe da, ich entdecke, dass ich nicht die einzige bin,
die ihre Inspiration in der Realität sucht. Christine Umpfenbach nahm sich den
Angehörigen der NSU-Morde an und machte daraus das Theaterstück „Urteile“, das
am Mittwoch im Marstall gezeigt wird. Der riesige Baum, der kopfüber von der
Decke hängt, wäre für mich schon Stoff genug, um einen 30 Seiten langen
Lyrikband zu schreiben, doch was ich auf der Bühne zu sehen bekomme, reicht
sicherlich für die nächsten Jahre. 

Wie ich jedoch meine Theatererfahrung mit
dem künstlerischen Genie in mir verbinde, versuche ich am Donnerstag in der Bar
Corleone
herauszufinden. Hier laden die Fachschaften der Kunstgeschichte und der
Theaterwissenschaft ein zu feiern. Ich bin gespannt auf das Publikum und werde
mir von jedem Studiengang jemand schnappen, um meine Frage zu diskutieren.

Ausgelaugt erwache ich am Freitag und halte die Ergebnisse
der letzten Woche fest. Mir fehlt es weder an Inspiration, noch an dem
Workflow, daher probiere ich mich in allem aus: schreiben, malen, singen, tanzen
und hüpfen. Ich spüre das Blut in meinen künstlerischen Adern fließen und
entdecke doch ein Gefühl der Bewusstlosigkeit. All diese Künste zeigen sich mir
und doch ist es nicht eine einzige, der ich mich verschreiben kann. Ich
verkneife mir den Ausspruch eines Genies und beginne doch langsam, ihn zu
verstehen:

„Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor.“  

Um dem Leistungsdruck eines Genies nicht zu verfallen und
meine Inspiration aufrecht zu erhalten, suche ich mir eine neue Energiequelle.
Ich finde sie am Freitag im Milla, wo 24/7 Powernap das Motto meines
Wochenendes wird. Entschleunigen und Abschalten bei den richtigen Beats ist
jetzt genau das, was ich brauche.

Text: Sandra Will

Foto: Privat

Zeichen der Freundschaft: 14 Zentimeter

Auch wenn das Leben selten geradlinig verläuft, eine Konstante war unserer Autorin bisher immer sicher: die 14 Zentimeter Größenunterschied zu ihrer Freundin Verena. Ein neuer Text unserer Kolumne “Zeichen der Freundschaft”.

14 Zentimeter, die unsere Köpfe voneinander trennen. Eine Distanz, die seit zehn Jahren besteht. Trotz unterschiedlichen Wachstumsphasen, die 14 Zentimeter sind auf jedem Foto zu sehen. Ich war mein Leben lang einen Kopf größer als alle anderen, das verschaffte mir meistens einen Vorteil. Ich hatte immer den Überblick, vor allem über Menschen. Vielleicht entdeckte ich Verena gerade deshalb am ersten Wandertag der neuen, weiterführenden Schule – auch wenn sie damals wahrscheinlich so groß war wie ein Billiardschläger lang. Von diesem Moment an lernten uns die Menschen nur im Doppelpack kennen und für die Lehrer waren wir sicherlich ein lustiges Duo. Selbst ich fühlte mich manchmal an Dick & Doof erinnert.

Wer dabei welche Rolle übernahm, sei dahin hingestellt. Doch wunderte ich mich einige Male wie dieses kleine, schlanke Mädchen mit der Turner-Figur so viel essen konnte wie ich –breite Statur, mit mehr Kraft als Eleganz. Doch Verena aß auch um einiges gesünder als ich.

Statt der Schokolade, die bei mir daheim obligatorisch nach dem Essen war, gab es Obstsalat. Statt dem Schokoadventskalender bekam Verena einen Tee-Kalender und statt Spezi gab es Wasser aus der Leitung. Lange vor der heutigen Zeit von Veganismus und Clean-Eating prägte mich diese Umstellung. Die Krönung unserer Schlemmerzeit war übrigens die „Kühlschrank-Flatrate“, die mir von ihrer Familie lebenslang zugesprochen wurde und von der ich noch heute Gebrauch mache. 

Unser Größenunterschied war auch ein Grund, wieso wir uns so fabelhaft ergänzten. Beim Fußball der Schulmannschaft waren wir eine hervorragende Abwehrkette – ich schnell, sie flink. Wenn wir unterwegs waren und uns in der Menge verloren, wartete ich nur darauf, dass sie mich wieder fand. Ich holte ihr in Kleidungsgeschäften Dinge von hohen Stangen herunter und sie gab mir das Gefühl, persönlich zu wachsen. Während sie im Europapark noch nicht groß genug für die Achterbahnen war, war ich zu feige. Doch das machte nichts – unseren Spaß hatten wir sowieso. Einmal bauten wir uns sogar ein Rad mit einem weiteren Sattel auf dem Gepäckträger und fuhren damit herum. Und obwohl ich meistens hinten saß, durfte ich nicht einfach nur faulenzen. Meine Beine waren lang genug, um zu den Pedalen zu kommen und so musste auch ich meinen Teil zur Fortbewegung beitragen. Ein Sinnbild für unsere Freundschaft – sie lenkte, ich gab Antrieb.

Letztens feierten wir Verenas 21.Geburtstag, drei Monate vor meinem eigenen. Auf den Fotos sieht man immer noch: 14 Zentimeter Größenunterschied. Er wird bleiben, denn wir sind ausgewachsen. Ein gutes Zeichen für mich – ich bleibe die Größere.

Text: Sandra Will

Foto: Yunus Hutterer

Zufallsstudium: Unter der Erde

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Alt sind nicht nur die Zeiten, um die es in dieser Vorlesung gehen soll. Mitten unter Senioren mit weißen Haaren und dicken Hornbrillen nimmt unsere Autorin im Hörsaal Platz.

Im Vorübergehen lese ich eine große und plakative
Überschrift an der Wand: Die Alpen. Sofort tauchen vor meinem inneren Auge
Gebirgsketten auf. Sie sind gehüllt in Puderzuckerschnee. Playmobilgroße
Hütten, Fackeln beim Nachtrodeln und der Geschmack von Bombardino. Doch das
hier ist die Universität, hier heißt es: ungemütliche Stühle, künstliche LEDs
und Matsche-Pampe aus der Mensa. Ich trete in den Hörsaal ein und frage mich zu
welcher Disziplin das Themenfeld gehören könnte. Vielleicht geht es hier um die
vormenschliche Zeit, als sich bestimmte Erdplatten aufeinander schoben und
Berge entstehen ließen. Vielleicht aber auch um biologische Entwicklungen und
welche Pflanzenarten nur dort zu finden sind. Die Antwort kommt auch schon eine
Minute später als die Powerpoint-Folie umschwenkt und der Name des Instituts zu
lesen ist: Vor- und frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische
Archäologie. Okay, klingt wahrscheinlich komplizierter als es eigentlich ist.
Ich schnappe das Wort Siedlungsräume auf und Daten wie das 4. und 6.
Jahrhundert nach Christus, danach versinkt der Dozent auch schon in
Wiederholungen der letzten Stunde und ich habe Zeit mich umzuschauen.

 Erst jetzt fällt mir auf, dass über die Hälfte der Zuhörer
graue Haare und dicke Brillen haben – ich bin wohl in ein sehr beliebtes Fach
des Seniorenstudiums gerutscht. Doch wieso interessiert sich diese Generation
so sehr für Archäologie? Ausgrabungen und längst vergangene Siedlungen wenn man
selbst nur noch einige Jahre hat, bevor man unter die Erde wandert? Grotesk.

Ein Mann, ebenfalls ergraut und mit großer Pilotenbrille aus
den achtziger Jahren, reißt mich aus meinen Gedanken, als er zur Tür hereinkommt.
Im Alter wird man vielleicht weiser, aber nicht unbedingt pünktlich.

An der Wand erscheinen Luftbilder von Ausgrabungen und
Umrisse von Kirchen und Grabstätten. Das Institut war in den siebziger Jahren
an einer der Ausgrabungen in Oberitalien beteiligt. Ob der Dozent, ebenfalls
ergraut, persönlich dabei war, erfahre ich leider nicht. Doch jetzt wird es
spannend. Es geht um germanische Militärpräsenz und römischen Wohlstand, der
mit den Jahrhunderten immer weniger wurde. Bilder zeigen einen Kirchenumriss,
sogar den Platz des Altars und des Taufbeckens konnte man ausfindig machen. Es
gab dabei wohl einige Schwierigkeiten wegen des Mörtels und der Bindemittel,
aber ich verstehe nicht viel davon und frage mich kurzzeitig, ob
Archäologie-Studenten nebenbei eine Ausbildung zum Maurer absolvieren müssen. In
einem Siedlungsraum wurden außerdem Mosaike gefunden, die den zuvor genannten
Wohlstand zeigen. Sie sind einige Quadratmeter groß, kaum zerbrochen und
erinnern mich stark an Instagram-Bilder aus Marokko. Wie sie unter einer Erd-
und Grasschicht verschwinden konnten, bleibt mir ein Rätsel. Und überhaupt – wieso
verschwinden ganze Kirchen und ihre Friedhöfe unter der Erde?

Bevor allerdings weitere Fragen aufkommen, verkündet der
Dozent eine dreiminütige Pause. Mitten in der Vorlesung. Die Archäologen haben
wohl Zeit. Verständlich – denn was unter der Erde liegt, bleibt dort auch erst
einmal.

Text: Sandra Will

Foto: Lukas Haas

Sit-in der Neuzeit

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Das Kollektiv “Einmal Utopie, Bitte” ruft im Dezember zu den Schwarzfahrtagen auf und fragt, warum der öffentliche Nahverkehr nicht kostenlos sein könnte. Ihr Motto: Erst träumen, dann Lösungen suchen

Manchmal hilft nur noch Utopie. Das denken zumindest drei junge Schauspieler und Liedermacher, die sich zu einem Kollektiv zusammengeschlossen haben: „Einmal Utopie, bitte“.

Lucie Mackert, Peter Fischer und Robert Heigl wollen mit ihren Aktionen keine Probleme aufzeigen, sie wollen Denkräume öffnen. Sie sagen: „Man muss erst einmal Träume zulassen und dann gucken, wie man sie verwirklichen kann.“ Ihre nächste Aktion starten sie im Dezember.

SZ: Ihr ruft zum Schwarzfahren auf. Seid ihr wahnsinnig? Das gibt Ärger.
Robert Heigl: Warum? Wir tun nichts Verbotenes. Und die Menschen, die sich unserer Aktion anschließen, auch nicht.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft versteht beim Schwarzfahren keinen Spaß.
Wir rufen nur dazu auf, in schwarzer Kleidung zu fahren. Das wird man schon noch dürfen.

Aber natürlich denkt jeder zunächst an was anderes.
Die Schwarzfahrtage spielen natürlich schon mit dem Begriff des Schwarzfahrens. Es soll aber keine Rebellion gegen die MVG sein.

Sondern? Was hat euch zu dieser Aktion bewegt?
Auslöser war die erneute Preiserhöhung der MVG und das Gefühl, dass es keinen Protest dagegen gab. Die Menschen nehmen das immer wieder hin und fragen sich nicht, ob es auch andere Möglichkeiten gibt. Wir haben uns damit beschäftigt und recherchiert, ob es Alternativen gibt.
Und?
Wir sind dann auf den kostenfreien Nahverkehr gestoßen, wie es ihn zum Beispiel in der estnischen Hauptstadt Tallinn bereits gibt. Wir wollen zeigen, dass es auch anders geht. Und: Es ist notwendig, denn die Stadt ertrinkt in Verkehr. Es ist laut, es stinkt, und Mobilität kann sich nicht mehr jeder leisten.

Also geht es doch gegen die MVG.
Nein. Wir haben uns gefragt, ob man in unserer Gesellschaft die Prioritäten verschieben kann. Die Autobranche wird mit einer Selbstverständlichkeit subventioniert, obwohl alle wissen, dass Autos nicht zukunftsfähig sind.

Habt ihr euch auch damit auseinander gesetzt, wie utopisch die Finanzierung eines kostenfreien Nahverkehrs ist?
Er wird hauptsächlich über Steuern finanziert, so wie Schulen auch. Jede Gesellschaft definiert doch selbst, welche Aufgaben ihr so wichtig sind, dass sie dafür kostenlose Angebote schafft.

Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Finanzen sind ein komplexes Thema.
Wir haben versucht, mit realistischen Zahlen zu arbeiten, aber wir sind natürlich keine Volkswirtschaftler, das ist aber auch nicht unser Anspruch. Der Gedanke, dass es in München kostenfreien Nahverkehr geben könnte, kam uns erst einmal sehr utopisch vor. Aber wir haben herausgefunden, dass es das in anderen Städten tatsächlich gibt. Ist es in Bezug auf die Klimadebatte nicht im Sinne von uns allen, einen kostenfreien Nahverkehr anzubieten? Es wäre ein Riesenanreiz, das Auto weniger zu benutzen, was der Umwelt zugute käme und auch ärmeren Menschen wieder die Möglichkeit gäbe, in ihrer Stadt mobil zu sein.

Und das wollt ihr mit schwarzen Klamotten erreichen?
Die Schwarzfahrtage finden vom 13. bis 20. Dezember statt. Jeder kann in schwarzer Kleidung fahren, Fotos und andere Beitrage unter #schwarzfahrtage teilen. Zusätzlich haben wir noch vor, zum Auftakt gemeinsam in einer Tramlinie zu fahren.

Ein Sit-in wie in den Sechzigerjahren. Glaubt ihr, das Schwarzfahren fällt überhaupt auf?
Wir müssen schauen, wie die Aktion funktioniert, ob die Leute unsere Handzettel lesen. Wir haben aber kein Ziel, das wir erreichen müssen. Wir probieren das einfach mal aus.

Trotzdem: Auch der Hipster trägt schwarz. Protest, der nicht auffällt, wird nichts bringen.
Vielleicht kann man sich auch besondere Accessoires anziehen. Wir sind mit unseren Hüten für die Fotos doch sehr aufgefallen. Aber auch durch unseren Kickoff wollen wir Aufmerksamkeit auf uns ziehen.

Ist München die passende Stadt für solche Utopien? Die Studenten zum Beispiel haben sich mit einer deutlichen Mehrheit für das Semesterticket entschieden, obwohl es in den vergangenen Jahren eine rasante Preissteigerung gab. Zeigt das nicht, dass sich die Menschen in München die Preise leisten können?
Gerade hier ist es wichtig, weil es nicht nur Leute gibt, die sich es leisten können, sondern daneben eben auch die, die das nicht können.

Ihr seid auf Bühnen unterwegs, wie viel Selbstinszenierung steckt in den Aktionen?
Hoffentlich nicht zu viel. Ein bisschen müssen wir als Personen auftreten, um griffig zu zeigen, wer wir sind und was wir machen. Aber es geht uns darum, die Leute mit Gedanken zu erreichen und nicht darum, dass sie uns als Personen wahrnehmen. Ein Teil der Aktionen sind natürlich Inszenierungen, um die Menschen anzusprechen, aber unsere Gedanken sind frei von Selbstdarstellung.

Versteht ihr das als Kunst? Oder wollt ihr tatsächliche Veränderungen hervorrufen?
Man muss sich frei machen davon, dass alles einen unmittelbaren Effekt haben muss. Es geht um die Bereitschaft, Utopien überhaupt zu sehen. Sie müssen nicht gleich umgesetzt werden. Politisch aktiv zu sein ist immer auch eine Frage der Reichweite. Das Ziel ist Menschen zu erreichen, die das mitkriegen und somit Denkräume aufmachen.

Wenn ihr wirklich etwas ändern wollt, wieso investiert ihr eure Zeit nicht in Unterschriftenaktionen oder Dinge, die tatsächlich Änderungen bringen können?
Als Privatpersonen machen wir solche Dinge auch. Aber wir glauben, dass das, was wir tun, zu wenig gemacht wird. Wir wollten damit einen Schritt weitergehen als nur unsere Unterschrift zu setzen: Die Möglichkeiten durch unsere Utopien überhaupt erst einmal aufzeigen.

Interview: Sandra Will

Foto: 

Sascha Loha

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Sandra

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Christkindlmärkte schießen an jeder Ecke aus dem Boden. Doch so richtig in Weihnachtsstimmung will sich unsere Autorin noch nicht begeben. Bunt ist ihr Programm zwischen Konzerten, Surferfilmen und moderner Kunst auf jeden Fall.

Es ist die Woche, in der sich die Schaufenster mit
Weihnachtsdekoration füllen und die ersten an das Besorgen von Geschenken
denken. Bevor wir aber statt dem Feierabendbier den Feierabendglühwein auf den
Christkindlmärkten in einigen Tagen genießen können, versuche ich noch der
vorweihnachtlichen Stimmung ein wenig aus dem Weg zu gehen.

Das Filmschoolfest neigt sich am Freitag bereits dem Ende entgegen,
doch auch hier gilt: Das Beste kommt zum Schluss! Die „Hofbräu Trophy“ wird an
die beste Bierwerbung vergeben, die von Studenten oder Azubis gedreht wurde.
Mal schauen, ob es dort auch Freibier geben wird.

Bevor es am Samstagabend Elektro-Musik gibt, schaue ich im JustMusic gegenüber vom Olympiaeinkaufszentrum vorbei. Dort findet heute ein Singer/Songwriter-Contest statt und ich freue mich auf Poeten mit Gitarre und Piano. Am Abend feiere ich dann die Freiheit im Harry Klein. Ein
ganz besonderes Event wartet hier auf die Münchner: Der Film Raving Iran wird
gezeigt – und danach legen die Protagonisten des Films selbst auf.

Am Sonntag besuche ich das Ägyptische Museum. Jedoch nicht,
um mir Keramikschalen oder Grabfunde aus der Zeit vor Christus anzuschauen,
sondern Kunstwerke des 21. Jahrhunderts. Der Kunstsalon 2016 zeigt von einer
Jury ausgewählte Werke deutscher und internationaler Künstler unter dem Titel
“Farbe und Raum”. Ich bin gespannt, wie bunt es wird! 

Den Wochenbeginn gehe ich ruhig an und tauche ein
in die Surf-Film-Nacht. Der Streifen „Surfers Blood“ kommt von Patrick Trefz, Indie-Filmemacher
und ehemaliger Photo-Editor des amerikanischen Surfer Magazines. Er zeigt
wichtige Charaktere der Surfwelt abseits der Mainstream-Clips.

Am Dienstag tritt die Band The Lumineers im Zenith auf. Es ist eine von gerade einmal drei Shows, die sie in Deutschland spielen. Ich stimme mich schon mal mit den richtigen Worten ein und sage nur: “Ho Hey”. Das erinnert mich ohne die musikalische Begleitung doch ziemlich an das “Ho ho ho” des Weihnachtsmannes – und das werde ich im Radio oder TV noch früh genug zu hören bekommen.

Das führt mich auch schon zum nächsten Punkt: Die Weihnachtsmärkte beginnen nächstes Wochenende, zur Einstimmung besuche ich am Mittwoch das Winter-Tollwood. Ich
probiere mich durch indische, peruanische und marokkanische Gerichte und lande
am Ende des Abends an einem schnuckeligen Glühweinstand. Den gibt es hier sogar
mit Apfelgeschmack!

Vor wenigen Wochen war der Münchner

Felix Krull

unsere Band der Woche.

Am Donnerstag präsentiert er sein neues Album und zeigt, dass auch hier Hip Hop möglich ist – mit viel Kitsch und Grünwald-Image. Der Club Helene in der Occamstraße verspricht voll zu werden, bis 23:00 Uhr gibt es Jägermeister for free. Grünwald eben.

Und schon ist eine wirklich bunte und abwechslungsreiche Woche um. Damit das Wochenende gleich richtig los geht, tanze ich am Freitag im Neuraum zu Lost Frequencies. Seine Remixes versprechen gute Stimmung – optimal also, um die Tage des ersten Adventswochenendes zu genießen.  

Kunst wie Kamerablitze

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Das diesjährige „Sound Of Munich Now“-Festival im Feierwerk zelebriert die bunte Musikszene Münchens – und blickt
zudem nach Augsburg und Regensburg. Revue eines mitreißenden Festivals

Rockige Riffs. Klick. Licht aus. Klick. Schulterblick, andere Bühne. Klick. Der Abend füllt sich mit Augenblicken, die einen so schnell erfassen wie der Blitz einer Kamera. Und sobald man die Augen wieder öffnen kann, kommt schon der nächste intensive Blitz. Die zarte Stimme von pourElise-Sängerin Henny Gröblehner. Klick. Balkan-Pop von Antun Opic. Klick. 

Eine 90-Grad-Drehung reicht aus, um in die Klangwelt der nächsten Band zu gelangen. Im Hansa 39 sind am Samstagabend die Bühnen, auf denen abwechselnd gespielt wird, nur einen Schulterblick voneinander entfernt. Der „Sound Of Munich Now“ rast vorbei, das Jetzt ist nur ein Sekundenbruchteil im Viervierteltakt. 

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Der erste Abend, die Nacht von Freitag auf Samstag, hat der elektronischen Musikszene gegolten, die auch in München sehr vielfältig ist. Die Setlist des Abends will und soll diese Vielfalt ausdrücken. Früh am Abend tanzt man sich warm zu den Stücken von Jean Blanc und Mindsight. Viele junge Gäste haben sich am meisten auf Leon Weber alias LCAW gefreut, der für den ersten unvergesslichen Gänsehautmoment sorgt. Die Zeilen „colors fill my eyes when the day turns grey/ and I’m closer now to the path that takes/ me through all the doubts/ through all the clouds” des LCAW-Hits „Painted Sky“ singen einige in der Kranhalle mit. Die Klänge werden dann immer rauer, verworrener, trance-lastiger. Shimé sorgt für den musikalischen Umbruch, indem er gekonnt eine Brücke zwischen LCAWs eingängigen Hooks und den harten Techno-Beats von Pech&Schwefel baut. 

Der „Sound Of Munich Now Electronica“ hat etwas Einzigartiges. Während in den meisten Clubs höchstens drei DJs pro Abend auflegen, waren es hier acht. Shimé schätzt die Abwechslung, die der Abend bietet, als Möglichkeit für neue Ideen und Eindrücke. Am Ende der Show sind es die Frauen an den Turntables, die die tanzende Meute durch die tiefen Nachtstunden führen und sie mit jedem Beat ein Stück weiter von der Realität entfernen. Als die letzten Herbstvögel draußen zu zwitschern beginnen, verklingen Marcellas letzte Beats.

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Einige Stunden später erwacht das Feierwerk wieder. Die Bühnen werden aufgebaut, schon vor 18 Uhr kommen die ersten Gäste. Die Schlange vor dem Festival, das seit acht Jahren die SZ gemeinsam mit dem Feierwerk organisiert, ist lang, manche sprechen schon von einem Warte-Rausch. Drinnen wird eine unglaublich hohe Anzahl von Acts geboten. Menschen stehen vor dem Timetable, um die Namen der Newcomer zu speichern. Geheimtipps, die man erst einmal googeln muss, findet man einige. 

Rapid eröffnen das Festival. Tanzbarer Ska. Klick. Indie-Beats von Future Days. Klick. Die Bands wechseln in einem derart schnellen Tempo, dass der Applaus gar nicht erst aufbranden kann. Das Bühnenlicht geht aus, und vor der anderen Bühne bewegen sich 15 Minuten lang die Menschen zu den rockigen Gitarrenklängen von Emmi King, da geht auch schon das Licht aus und die Halle füllt sich mit den ehrlichen Worten der Singer-Songwriterin Julia Kautz. Eine Gruppe von jungen Männern in schwarzen Punk-Klamotten schaut umher und findet nach einiger Zeit GrGr mit seiner Gitarre und seinen Gameboys. Ein Pärchen bewegt sich zu den Klängen von Matthew Austin & Matilda. Das Publikum ist bunt gemischt: Bartträger, Knöchelfrei-Hipster, Mädchen in Ringel-Shirts. Nur eine Gruppe fehlt: Lederhosen- und Laptopträger. 

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Gleiches Bild auch auf den Bühnen von Augsburg und Regensburg. In der Kranhalle spielen We destroy Disco wie Coldplay auf Stadiontournee, sogar die Zeile „Lights will guide you home“ bauen sie in ihre Songs ein. King the Fu, eine weitere Indie-Band lässt den Menschen keine Tanzpause. Auffällig: In der ersten Reihe stehen die Musiker von We destroy Disco. Gegenseitiger Support wird beim „Sound Of Munich Now“ groß geschrieben. Verbunden sind die vielen Künstler, Veranstalter und das Publikum nicht nur durch ihre Heimatstädte, sondern vor allem durch das Interesse an der Musik, die sagt: So klingen wir. „Wir“ ist auch ein Begriff, den die Regensburger im Orangehouse feiern. „Cat Stash sind aus unserem Viertel“, sagt eine junge Frau, die extra aus Regenburg angereist ist. 

Die Verstärker werden noch schnell auf Augustiner-Kästen hochgehoben, es geht weiter mit Pop-Songs von MOLA – und bevor man sich umsehen kann, stolpert man in der Dunkelheit in den Backstage-Bereich, in dem sich Bandmitglieder gerade umziehen. Doch auch hier gibt es einen netten Plausch, man stößt gemeinsam an und wünscht sich noch einen guten Abend. So nah kommt man den Bands selten. Klick.

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Intim wird es auch bei Nick And The Roundabouts, nur einen Schuh breit entfernt vom Bühnenrand stehen die drei Musiker: eine kurze Unplugged-Session und verträumt geht man in den Regen hinaus, der heute nicht das Argument ist, im Trockenen zu bleiben. Der wahre Grund: Innerhalb einer Raucherpause könnte man den Act des Abends verpassen, auch wenn der heiße Drummer von vorhin gerade am Falafel-Stand steht.

Soulige Beats erklingen von Claire Jul. Ihr Kleid ist bodenlang und verleiht ihrer Stimme Glamour, den man im Feierwerk nicht erwartet. Es wurde extra für den Auftritt von dem Pariser Designer Tarek Hocine entworfen. Blitzlichtgewitter wäre angebracht. Das gibt es dann bei Nick Yume, der als „einer der spannendsten Newcomer des Jahres“ anmoderiert wird. Und es stimmt – diese Stimme kann so vieles. Wer sie einmal gehört hat, kann sie nicht wieder vergessen.

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Das „Sound Of Munich Now“ zeigt, welche Talente in dieser Stadt stecken, wie sehr die Menschen daran interessiert sind, einen eigenen Sound kennenzulernen, zu verbreiten und zu erhalten – mit Festivals wie diesem. Gegen Ende gibt es noch einen Richtungswechsel. Der Schulterblick bleibt. Monaco F und Bavarian Blast mischen das Publikum mit ganz anderen Tönen auf. Bairisch – da fühlen sich auch die Regensburger und Augsburger heimisch. 

21 Mal gab es an diesem Abend im Hansa 39 15-Minuten-Einblicke, die sich anfühlten wie Kamerablitze. Mit nur einem Klick vergangen, überraschend hell – und eindeutig in der Erinnerung haften geblieben.

Text: Sandra Will und Louis Seibert

Fotos: Stephan Rumpf

Weitere Fotos findet ihr auf unserer Facebook-Seite.

Neuland: Studio Welt

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Lennard Cramer verbindet sein berufliches Interesse an der Politik mit seiner Tätigkeit im Medienbereich. Herausgekommen ist ein Podcast, der nicht nur schwarz-weiß denkt: Studio WELT.

Der neue Podcast Studio Welt wurde von dem Münchner Lennard Cramer, 27, ins Leben gerufen. Er war lange bei M94.5 tätig, promoviert nun aber in Politischer Theorie. Lennard will gesellschaftliche und politische Inhalte kritisch hinterfragen und keinen Raum für schwarz-weißes Gedankengut hinterlassen.

Er hat das Projekt von Istanbul aus ins Leben gerufen, um zu zeigen, wie sehr Menschen in ihren Sichtweisen gefangen sind und immer höhere Mauern aufbauen. Doch auch in Deutschland beobachtete er immer mehr Misstrauen und Unbehagen, was nicht zur Diskussion, sondern zu Demonstrationen führe.
Studio Welt will gezielt zeigen, dass die Bürger ihren Staat weitestgehend selbst konstruieren können und damit auch für ihr eigenes Schicksal verantwortlich sind. Studio Welt soll daher Menschen wieder zusammenführen, oder ihnen zumindest Denkanstöße vermitteln.

Erster Interview-Gast war Michael Schramm, Korrespondent und Studioleiter des ARD-Studios in Istanbul. Das Gespräch entstand spontan in der Türkei, als Lennard zufällig Kontakt zu Michael Schramm hatte. Dieser erzählte von der aktuellen Situation der deutschen Medien in der Türkei.

Von: Sandra Will 

Foto: Privat