„Man kennt sich“

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Die Elektro-Szene mag vielleicht kleiner sein als in Berlin. Schlechter ist sie nicht. Moritz Butschek, Blogger und DJ, hat das diesjährige Festival „Sound Of Munich Now Electronica“ kuratiert

Interview: Sandra Will

Für Moritz Butschek, Blogger und DJ, ist der Vergleich
zwischen München und Berlin nicht unbedingt notwendig. Aber warum wird er so oft angeführt? Klar, die Dichte an Künstlern
und Clubs ist in Berlin weitaus höher als hier, doch auch München hat
Namen, die weltweit nicht mehr aus der Club-Szene wegzudenken sind. Umso unerwarteter scheint es, wenn man von hier ansässigen DJs hört, die
nach Berlin ziehen. So auch das Producer-Duo BAAL mit Matthias Dräxler
und Matthias Schüll, die erst dieses Jahr München verließen. Schüll
findet: „Der kreative Pulsschlag Deutschlands liegt in Berlin.“ Dass es
auch hier eine Electrocia-Szene gibt, die mit Festivals wie Isle of Summer
oder eben auch dem Sound of Munich Now Electronica und Namen wie
Mindsight oder LCAW vertreten ist, zeigt Moritz Butschek auf seinem Blog
„Two In A Row“.

SZ: In der Popmusik wurde in jüngster Zeit darüber diskutiert, ob das Image Münchens den Künstlern schadet. Wie sieht es in der Techno-Szene aus? Kämpft man als DJ aus München mit Vorurteilen?
Moritz Butschek: Das würde ich so nicht unterschreiben. In den meisten Fällen ist –zumindest mir – nicht einmal bekannt, woher Lieblings-DJs kommen. Auf die Musik alleine kommt es an. Wie viele Leute ein Künstler erreicht, hängt dann in erster Linie noch vom Marketing ab. Persönlich hatte ich noch keine Erfahrung mit wirklichen Vorurteilen gegenüber Münchner DJs.

Kann man denn in München ähnlich wie in Berlin erfolgreicher DJ werden? Wieso sollte man gerade hier anfangen oder auch bleiben?
In München ist es wie in jeder anderen Stadt, glaube ich. Einziger Unterschied ist die Anzahl der möglichen Spielstätten – in Berlin ist es vielleicht etwas leichter Unterschlupf zu finden, da es einfach eine viel größere Auswahl an potenziellen Clubs, längere Öffnungszeiten und somit mehr Slots gibt. Dafür gibt es aber auch wieder mehr Musiker …    

Welche Hotspots der Elektro-Szene gibt es in München, welche gefallen dir?
Hotspots sind natürlich bekannte Clubs wie das Harry Klein oder MMA und Plattenläden wie Public Possession oder Optimal. In München trifft man viele befreundete DJs aber auch einfach auf der Straße. Zu meinen liebsten Veranstaltungen zählen unter anderem die von Daniel Hahn wie der Wannda Circus oder die Abende im Bahnwärter Thiel. Sonst bin ich derzeit auch viel und gerne im Harry Klein.  

Fehlt dir etwas in der Münchner Szene, was es vielleicht in anderen Städten gibt?
Ich weiß, dass du auf diesen ständigen Berlin-Vergleich abzielst. Natürlich gibt es dort ein weitaus größeres Programm mit wilderen Öffnungszeiten, aber München braucht sich da ganz und gar nicht zu verstecken! Es gibt auch hier zahlreiche Veranstaltungen und meist auch ein vielfältiges Programm, sodass sich immer etwas tolles zum Ausgehen finden lässt.  

Was findest du in Berlin besser?
Leider sind hier die Vorschriften sehr streng, in Berlin ist das bezüglich Öffnungszeiten und Ortschaften gelassener. Wahrscheinlich sind auch die Berliner Anwohner etwas strapazierfähiger.

Dass München auch gute Bands und DJs hat, zeigt unter anderem das Festival Sound of Munich Now, das die SZ gemeinsam mit dem Feierwerk veranstaltet. Beim Sound of Munich Now Electronica hast du das Line-up organisiert. Auf wen freust du dich am meisten?
Ich freue mich auf alle gleichermaßen, einen Favoriten habe ich nicht. Wir haben querbeet Leute aus allen Genres, jeweils zwei aus Techno, Electronica und Deep House / House eingeladen. Besonders ist aber zum Beispiel LCAW, der aufgrund seiner Größe nicht selbstverständlich in diesem Line-up ist.

Auf dem Blog „Two in A Row“, den du zusammen mit Angelika Schwarz betreibst, gebt ihr Tipps für Clubs in München. Ihr seid speziell auf elektronische Musik ausgerichtet, warum?
Auf unserem Blog empfehlen wir ausschließlich Veranstaltungen, zu denen wir auch selbst hingehen würden. Und elektronische Musik trifft schon immer in erster Linie unseren Geschmack.  

Ist das Publikum in München ähnlich wie in anderen Städten? Oder hat es einen Ruf wie die Stadt, spießig zu sein?
Um auf deinen Berlin-Vergleich zurückzukommen: Dort macht es den Anschein, dass die Leute etwas losgelöster und freier feiern. Aber auch das Münchner Publikum kann das, wenn der Abend stimmt.

Auch dieses Jahr sind einige weibliche DJs beim Sound of Munich Now Electronica dabei, darunter auch Arta Narini und Essika. Was sagst du zur Frauenquote?
Man kann zusehen, dass es immer mehr weibliche DJs gibt. Das Harry Klein zum Beispiel hat gerade mit Stefanie Raschke die 50/50-Quote an Residents geknackt. Frauen trauen sich oftmals weniger, den Anfang zu machen, was vielleicht auch am eigenen Perfektionismus liegt. Männer hingegen stellen sich einfach ohne große Vorbereitung eines Sets ans DJ-Pult und legen los. Ich würde aber nicht sagen, dass es Männer oder Frauen besser können.

Unterscheidet sich ihre Musik vom Sound der Männer?
Das kann man so nicht pauschalisieren. Hier in München ist mir aufgefallen, dass die Frauen bevorzugt härteren Techno spielen, aber woran das liegt, weiß ich auch nicht.

In wie weit verändern sich die Künstler momentan? Auch bei Sound of Munich Now Electronica sind viele sehr junge DJs dabei.
Die Generation nach mir ist deutlich affiner zu sozialen Medien und weiß sich besser selbst zu vermarkten. Viele DJs haben noch nicht viel live gespielt, aber schon deutlich mehr Klicks auf ihre Musik als alt-eingesessene Künstler. Allerdings hat dies auch den Nachteil, dass es immer schwieriger wird, aus der Masse herauszustechen.

Verändert sich die Szene daher auch schneller, weil man auch im Internet Erfolg haben kann?
Ja, sicherlich. Aber die Szene verändert sich generell sehr schnell. Kürzlich erst zum Beispiel war „Deep House“ der absolute Trend. Mittlerweile gibt es so viele Subgenres dessen, dass man sie kaum noch aufzählen kann. Aktuell ist „Future Bass“ in den Charts ganz groß. Als Mitbegründer dessen zählt Flume – wenn jemand mit derart vielen Followern neue Wege einschlägt, beeinflusst dies wieder andere.  

In der Münchner Szene gibt es mittlerweile neben den etablierten Techno-Clubs einige, wo ein Umbruch stattfindet. Was genau ist da in Bewegung?
Interessant wird sicherlich das Bahnwärter Thiel, das schon Ende Oktober auf den Viehhof zurückkehrt. Das MMA darf noch ein bisschen bleiben. Außerdem dürfen wir noch gespannt sein, was genau aus der ehemaligen Paulaner Brauerei wird und wie das neue Kong auf der Museumsinsel wird.

Fotocredit: Felix Rodewaldt

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Sandra

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München hat doch viel mehr zu bieten als nur Wiesn, deshalb begibt sich Sandra auf die Suche nach Alternativen – und davon findet sie jede Menge. Ob Posterausstellung, Surfen am Flughafen oder ein Singer/Songwriter-Konzert, von Freitag bis Freitag ist so einiges los.

Die Countdowns zum Wiesnanstich laufen schon seit Tagen und
es scheint, als gäbe es in München nichts anderes mehr. Doch ich bin schon
längst darauf vorbereitet und freue mich deshalb erst einmal ein paar
Alternativen dazu zu entdecken. Denn wer hält schon 17 Tage Wiesn durch? München
bietet doch viel mehr: eine tolle Musikszene, interessante Ausstellungen und
auch jetzt im Spätsommer noch einige Open-Airs.

Am Freitag läute ich den Feierabend am Wiener Platz ein,
indem ich mir eine Live-Performance an einem der Streetpianos anschaue, die an verschiedenen
Plätzen Münchens aufgestellt wurden. Mit einem kühlen Radler genieße ich die
letzten warmen Sonnenstrahlen und kann hinterher sogar noch einen kurzen
Schlenker zur Isar machen. Das Wochenende verspricht  leider nicht ganz so viel Sonne wie in den
letzten Tagen, deshalb schlendere ich heute noch einmal durch die Stadt.

Am Samstag freue ich mich auf eine Posterausstellung im Kösk
München: die Colored Gigs Vol. 8 goes München. Mit dabei ist auch ein
Grafikdesigner, den mein Kollege vor wenigen Wochen zu einem Interview
getroffen hat. Simon Marchner druckt Konzertplakate von Hand – und das sogar
für die amerikanische Indie-Gruppe Band of Horses. Abends lasse ich die Kunst
hinter mir und besuche den Bahnwärter Thiel. Dort legt das Münchner DJ-Duo Förg
und Lechner
auf und bringt trotz grauen Wolken richtig gute Spätsommerstimmung in
die Meute.

Den Sonntag beginne ich spät mit einem langen Frühstück. Und
weil ich heute so viel Zeit habe und den ersten Sonntag seit Wochen nicht damit
verbringe, Hausarbeiten zu schreiben, mache ich mich auf den Weg zum Flughafen.
Einen Last-Minute-Flug kann ich hier jedoch nicht nehmen, aber das Surf &
Style
bietet mir die Möglichkeit, auf der weltweit größten künstlichen Welle
das Surfen auszuprobieren. Das geht sogar bei Regen, denn das Forum ist
überdacht. Besonders begabt muss man dafür nicht sein, zum Glück gibt’s für
Anfänger eine Stange zum Festhalten. Nach der Anfängerstunde beobachte ich nun
ein paar Profis – einige von ihnen kommen direkt vom Eisbach und zeigen ihr
unglaubliches Können.

Wer geht montags eigentlich gerne arbeiten? Ich versuche mir
noch ein bisschen was vom Wochenendfeeling zu erhalten und gehe in die
Kranhalle. Dort spielt heute die australische Indie-Band The Paper Kites. Vor
circa einer Woche haben sie ihre Europa & UK Tour gestartet und ich freue
mich seit Wochen, mal wieder eine Indie-Band live zu hören. Das versetzt mich
doch glatt in meine Lieblingsstadt Brighton an die englische Küste zurück, wo
der Musikstil geradezu geboren wurde.

Am Dienstag eröffnet die einmonatige Ausstellung über
„Schlechte Entscheidungen“ in den Kunstarkaden. Die Künstlerinnen Simone
Kessler und Sophia Süßmilch zeigen hier alles, was ihnen zu diesem Thema eingefallen
ist. Zu sehen gibt es neben Tonskulpturen auch Performances mit zu viel
Alkohol. Interessant klingt die Ausstellung nicht nur wegen ihres Titels, es
sind ebenfalls weitere 30 Künstler daran beteiligt. Ob sich auch meine Entscheidung
als schlecht herausstellen wird, werde ich erst morgen heraus finden, aber
jetzt gehe ich erstmal gemütlich ins
35 mm², dort ist heute nämlich Gin’s Tag.

Für’s erste reichts nun aber mit den schlechten
Entscheidungen. Da höre ich am Mittwoch doch lieber Münchner Singer/Songwriter
im Import Export zu und lasse mich von ihren Stimmen und Geschichten bei einer
kalten Spezi verzaubern.

Schon in den Tagen davor habe ich immer wieder von der
Neueröffnung des Theaters HochX gehört und möchte mir nun selbst ein Bild davon
machen. Am Donnerstag findet die Premiere zu „Walk of Shame“ statt und ich bin
gespannt, wie dieser lustige Titel umgesetzt wird.

Ich beginne das Wochenende schon am Freitag und weil so
langsam der Herbst kommt und man schon einige bunte Blätter sieht, radel ich
zum Flohmarkt im Olympiapark. Dort ist immer etwas los, es gibt ganz
verschiedene Schätze und ich liebe es durch Bücherberge zu stöbern. Bei einigen
Bildbänden bleibe ich stehen und blättere mich vom Tegernsee nach New York,
doch eigentlich wollte ich mir einen dicken Wälzer für das kühle Wochenende
holen. Vielleicht beim nächsten Mal. Am Abend heißt es: Kabarett. Maxi
Schafroth
ist eigentlich mit vollem Herzen Allgäuer, macht sich in seiner
aktuellen Tour aber auf nach Bayern. Auf
seiner Reise streift er auch München und was er von den Münchnern hält, erfahre
ich heute im Schlachthof. Na also, es geht eben auch während der Wiesn ohne
Bier und Schlager, dafür mit viel Gin und Musik.

Von: Sandra Will

Foto: Privat