Foto: privat

Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Anastasia

Das Wochenende unser Autorin beginnt vielversprechend: Ihr Freitag beginnt mit der Langen Nacht der Architektur im Bunker, dann geht’s bei ihr weiter zur Loop Session im Ampere. Am Samstag geht sie zuerst zum Nachtflohmarkt und dann zur Veranstaltung Red Cabinet. Aber auch ihre Woche wird sicherlich nicht langweilig: Viel Musik und Kunst stehen auf der Agenda

Weiterlesen „Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Anastasia“

Balladen als Death Metal-Version

„Freundschaftsbänd“: Auf Einladung der Junge-Leute-Seite und des Indie-Labels Flowerstreet Records

covern sich nächsten Samstag neun Münchner Bands gegenseitig.

Die Silhouetten der Musiker spiegeln sich in den großen Fensterscheiben. Scheinwerfer und die volksfestgleiche Beleuchtung des Cord Clubs tauchen Bühne und Zuschauerraum in einen Mix aus rotem und violettem Licht. Über die Lautsprecher erklingt der Song „Finally Alone“ von Claire Jul. Doch statt wie sonst Keyboard und Drumcomputer sind Gitarre und Cajon zu hören, die Komponistin des Songs steht vor der Bühne und filmt den Auftritt mit ihrem Smartphone. Denn gerade interpretiert Flonoton den Song der Electropop-Sängerin auf seine ganz eigene Weise.

Neunmal gibt es diese Szene so oder so ähnlich an dem Abend. „Freundschaftsbänd – ein Abend der Bändfreundschaften“ lautet das Motto des Konzerts, das von der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung zusammen mit dem Münchner Indie-Label Flowerstreet Records veranstaltet wird.

Das Konzept ist einfach: Jede der neun Bands, bunt gemischt aus allen Genres, spielt zwei Songs. Erst covert sie den Song der vorherigen Band, dann spielt sie einen eigenen, der dann wiederum für die nächste Band zur Neuinterpretation freigegeben wird. So hört man jeden Song zweimal – mit insgesamt 18 Originalen und Coverversionen ist der Abend gut gefüllt.

Einen Song zu covern, ist für die meisten Künstler nichts Neues. Viele Bands starten ihre Karriere als Coverband, und zu Übungszwecken hat nahezu jeder Musiker bereits die Songs anderer Bands nachgespielt. Doch „wenn man ein Lied nicht nur covert, weil man es cool findet, sondern man die Person, die es geschrieben hat und es sonst performt, auch noch kennt, das ist dann noch ein bisschen schöner, ein bisschen persönlicher“, sagt Singer-Songwriter Florian Saur alias Flonoton, der Claire Juls Song für seine Version sogar ins Deutsche übersetzt hat. „Normalerweise covert man ja seine eigenen Heroen oder seine gerne-spezifischen Sachen“, fügt Andreas Keymer hinzu, der mit seiner Band Lester bei der nächsten Ausgabe des Freundschaftsbänd den Song eines anderen Künstlers in eine energiegeladene Punkrock-Nummer verwandeln wird, „doch hier bekommt man einfach einen Song vor den Latz geknallt, den man nicht kennt. Das ist viel lustiger.“

Am Samstag, 29. April, dreht sich das Cover-Karussell wieder. Von 20 Uhr an stehen im Cord Club erneut neun Bands auf der Bühne, die sich gegenseitig neu interpretieren. Mit dabei ist auch die Bavaro-Indie-Truppe LischKapelle. Gitarrist und Sänger Andreas Torwesten freut sich am meisten auf die Coverversion seines eigenen Songs. „Das ist eigentlich das Herrlichste, weil es sicher ganz speziell wird, im Publikum zu stehen und den eigenen Song in einer komplett anderen Version zu hören.“ 

Selbst gecovert zu werden, ist für die meisten Bands ein Novum. „Das ist sehr spannend. Gerade in unserer Liga ist das was, was eigentlich noch nicht vorkommt“, sagt Florian Saur. Deshalb ist Andreas Torwesten „der Band, die unseren Song erwischt hat, auch dann nicht böse, wenn sie eine Death Metal-Version davon spielen“.

Noch immer hält sich das Gerücht, dass sich aufgrund des Konkurrenz- und Erfolgsdrucks in der Münchner Szene eine Art Ellenbogengesellschaft gebildet habe, dass die Bands eher gegeneinander arbeiten als füreinander. Auch damit möchten die Künstler an dem Abend aufräumen. „Ich hatte noch nie das Gefühl, dass unter den Bands Ungunst herrscht“, sagt Andreas Torwesten, und Florian Saur bemerkt: „Wir schieben uns gegenseitig die Gigs zu und tun uns auch mit dem Fahren zusammen. Das wäre überhaupt nicht der Fall, wenn die Leute so ein Ellenbogendenken hätten.“

Ganz im Gegenteil: So ein Abend dient auch dazu, neue Bandfreundschaften zu schließen. Zwar trifft man sich in der Szene immer wieder auf gemeinsamen Konzertabenden und lernt sich so kennen, „wenn du aber gegenseitig deine Songs coverst, dann kommst du dir schon noch ein bisschen näher“, sagt Schiwani Kakor, die das letzte Freundschaftsbänd-Konzert begeistert als Zuhörerin verfolgt und sich auch die zweite Ausgabe schon fest im Terminkalender eingetragen hat. „Dadurch, dass du von einer anderen Band einen Song coverst, fällt einfach diese Hürde total weg, bis du ins Gespräch kommst. Du bist einfach gleich auf einer Ebene“, sagt auch Michael Rieder, der als Singer-Songwriter Nikolaus Wolf am zweiten Freundschaftsbänd-Abend für sanfte Gitarrentöne sorgen wird. Neben Lester, LischKapelle und Nikolaus Wolf werden auch noch die Singer-Songwriter Sarah Sophie, Lost Name und Alisha Prettyfield sowie die Indie-Rocker von Die Sauna, die Folkband Eliza und die HipHop-Stepptanz-Combo Swango auftreten. Michael Wolf von Monaco Sessions wird zusätzlich für eine Videoaufnahme des Abends sorgen. In welcher Reihenfolge die Künstler jedoch spielen, und wer wen covert, bleibt bis zuletzt geheim. 

Freundschaftsbänd – ein Abend der Bändfreundschaften mit Alisha Prettyfield, Die Sauna, Eliza, Lester, Lischkapelle, Lost Name, Nikolaus Wolf, Sarah Sophie und Swango. Cord Club, Sonnenstraße 18, München. Beginn: 20 Uhr. Eintritt: 7 Euro.

Text: Maximilian Mumme

Foto: Jean-Marc Turmes

Schöner hören

image

Der Medienkaufmann, Schlosser, Regieassistent, Barkeeper und Kabelträger Michael Wolf hat seine Passion gefunden: Er setzt Musiker in München in Szene, mit Filmen ohne einen einzigen Schnitt

Ächzen von Holz dringt durch die kalte Winterluft. Als Michael Wolf das Tor zur Scheune öffnet, fällt eine ganze Ladung Staub auf seine sauber gekämmten Haare und auf die schwarze Lederjacke. Doch ihn stört das nicht, ein kurzer Blick zur Seite beruhigt ihn: Seine Kamera liegt noch immer gut geschützt in der Ecke, die hat nichts abbekommen. Das ist auch gut so, nicht nur weil sie Michaels wichtigstes Arbeitsgerät ist. Auch die Live-Session, die der Münchner gleich mit dem Augsburger Folk-Trio John Garner in dieser alten, verlassenen Scheune im tiefsten Oberbayern abhalten wird, hätte es sonst nicht gegeben.

Michael ist Filmemacher. Im August gründete er die „Monaco Sessions“ und setzt seitdem Künstler an ungewöhnlichen oder einfach schönen Orten der Stadt in Szene. Auf den Olympiaberg hat er seine Kamera schon mitgenommen, auch in den Nymphenburger Schlosspark. Und nun in diese modrige Scheune, die neben der modernen Filmtechnik wirkt, als entspränge sie einer anderen Welt.

Nicht nur Münchner Musiker seien zu diesen Sessions eingeladen, sagt er später draußen, während er sich an einer Tasse Tee die Hände erwärmt. „Auch die von außerhalb, die für ein Konzert hierher kommen und Lust auf eine kleine Session haben.“ Das sind Münchner Originale wie Lucie Mackert und Peter Fischer. Aber auch den britischen Sänger Ryan Inglis hat er schon vor seine Kamera gebracht, genauso wie die Amerikanerin Joanna King. 

Der 25-jährige Medienkaufmann will aufstrebenden Künstlern eine Plattform bieten „auf der sie gehört werden“, wie er sagt, und auch ein Porträt seiner Heimatstadt schaffen. „München hat so viele wunderschöne Orte“, schwärmt er. Da falle die Suche nach neuen Plätzen zum Drehen selten schwer. Michael macht selbst Musik, bis vor wenigen Jahren spielte er Gitarre, schrieb und sang die deutschen Texte der Pop-Rock-Band Lucky Melange. Von daher weiß er, wie schwer es sein kann, als Musiker Fuß zu fassen. „Ich wäre damals froh gewesen, wenn jemand eine Session mit uns gemacht hätte“ sagt er. Die Band löste sich aus einem Mangel an Probe- und Aufnahmemöglichkeiten auf.

Doch Zweifel an seinem Lebensweg kommen bei ihm keine auf. Michael ist kein Mensch, der sich von der Vergangenheit einholen lässt. „Ich stehe auch eigentlich nicht so gerne auf der Bühne und im Rampenlicht“, sagt er. Eines hat er aus seiner Zeit als Musiker auf jeden Fall gelernt: „Du kannst nie erwarten, dass dir Erfolg einfach vor die Füße fällt.“

Und mit diesem Grundsatz versucht der 25-Jährige nun, sich selbstständig zu machen. Der Wechsel hinter die Kamera war nie so wirklich geplant. Die Biografie des Münchners liest sich als langer Weg zur Selbstverwirklichung: Nach einer Schlosser- und Schweißerlehre arbeitete er mehrere Jahre als Praktikant und Auszubildender in einer Filmproduktionsfirma, jobbte als Regieassistent, Barkeeper und Kabelträger. „Das mit dem Filmen hatte mich inzwischen gepackt“, sagt Michael und so bewarb er sich für einen Platz an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Über einen Freund kam er auf die Idee, selbst Videos zu produzieren. „Ab da fing ich an, mir zu YouTube Gedanken zu machen. Und da mich die HFF nicht wollte, dachte ich mir, ich mache mein eigenes Ding.“ 

Das Filmen brachte er sich selbst bei, „mit viel Einsatz geht das schon“, sagt er und lacht. „Es kommt vor allem darauf an, einen cineastischen Blick zu entwickeln und sich dann einfach von seinem Unterbewusstsein leiten zu lassen.“ Große Pioniere wie Hitchcock nennt Michael da als Vorbilder genauso wie zeitgemäße Videoprojekte, etwa die „Mahogany Sessions“. 

Deren Einfluss auf seine Arbeit ist kaum abzustreiten: „Die Nähe zum Künstler in den Sessions hat mich sofort beeindruckt“, sagt er. Wie beim Vorbild aus Großbritannien passt Michael den Drehort an den jeweiligen Musiker an. Seine Videos kommen ganz ohne Schnitt aus. „One-Take-Prinzip“ nennt er das: „Jeder Schnitt würde das Video verfälschen und künstlich wirken lassen.“ Das Ganze ist zwar nicht wirklich neu – unter anderem drehten bereits die deutsche Indie-Band Kraftklub oder die Kanadierin Kiesza Musikvideos ohne Schnitt. Michaels Herangehensweise ist aber doch eine eigene. Die ungeschnittenen Aufnahmen wirken sehr intim, er selbst beschreibt sie als „ehrlich“.

Auch Kilian Unger alias LIANN ist nach zwei Videos beeindruckt: „Ich habe ihm vertraut bei der Kameraarbeit, und das hat sich gelohnt“, sagt der Singer-/Songwriter über die Aufnahme seines Songs „Chicago“ am Sendlinger Tor. Und wenn man merkt, wie elegant ein Close-Up der Gitarrenbünde in die Totale übergeht und die Musik mit der Umgebung verschwimmt, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie viel Arbeit in diesen Filmen steckt.

Die sollen sich zukünftig auch auszahlen: Mit der Hilfe von Sponsoren hofft Michael, sich selbstständig machen und sich so ganz auf das Filmen konzentrieren zu können. „Und dann würde ich gerne auch Interviews machen und eigene Konzerte organisieren, um die Monaco Sessions als Marke weiter auszubauen.“

Ob er sich auch irgendwann einmal einen Wechsel zurück vor die Kamera und auf die Bühne zutraut? Michael schmunzelt. „Ich versuche langsam, wieder selbst etwas Musik zu schreiben“, sagt er und spricht von „Singer-/Songwriter-Zeug im Sportfreunde-Stiller-Stil“. Für die Monaco Sessions käme diese Musik dann allerdings nicht in Frage. „Höchstens mit einer Maske“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Vielleicht blendet das Rampenlicht einfach weniger stark – durch eine Kameralinse betrachtet. 

Text: Louis Seibert

Foto: Ryan Inglis