Von Freitag bis Freitag München mit Matthias

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Heute startet das Wochenende mit dem verrufenen Freitag, den 13ten. Also bitte nicht über schwarze Katzen stolpern, sondern lieber unserem Matthias ins Wochenende folgen! Der bewaffnet sich gleich zu Anfang mit Candy Guns und zeigt dem Aberglauben die Stirn. Beim Film School Fest oder einer Lesung im Lost Weekend, lässt er die Geschütze allerdings daheim. Einem zu Leben erwecktem William Shakespeare will man ja nicht mit erhobener Waffe entgegentreten, oder doch?

Freitag, der 13.

Ich habe Aberglauben nie verstanden. Der Freitag ist halt jetzt der 13., die Katze ist halt Schwarz – und gut ist. Aber plötzlich trauen sich die Leute nicht mehr vor die Tür. Mir soll’s recht sein, ich mag die meisten eh nicht. Uni ist also leer – die Vorlesung macht trotzdem nicht mehr Spaß. Weitaus spaßiger geht es in der Anglerstraße 6 zu – wenn auch mit ernstem Hintergrund. Bei der Vernissage von „Welcome to Schlawaffenland“ begrüßen mich 12 Münchner Fotografen, die in das Waffengeschäft eingestiegen sind. Also nicht wirklich – symbolisch. Eigens produzierte „Candy Guns“ provozieren, und die Sonnenstraße ist heute Abend mehr als nur Partymeile. Sämtliche Erlöse gehen nämlich an den Bayrischen Flüchtlingsrat. Und wehe, die veruntreuen mein Geld – ich bin bewaffnet.

Samstag, der 14.

Im Schlawaffenland habe ich eine kriminelle Seite an mir entdeckt. Eingedeckt mit Lebkuchengewehr und Smarties-Handgranaten von der Tanke, bin ich bereit für ein neues Abenteuer, eine neue Herausforderung – Elektro. Mit Elektro hat es sich genauso wie mit Aberglaube – entweder du kannst es nicht ausstehen, oder du kannst mich mal. Sag niemals nie, hat damals ein weiser Geheimdienstler mal gemurmelt, und ich lass mich überreden. Das Abenteuer führt mich an vorderste Front, in den tiefen Betondschungel des Westends. Hansastraße, Feierwerk, „the other side of the tracks“. Die Sofa Surfers sind zu Besuch, und haben Tracks wie „The Fixer“ mitgebracht. Ob ich heute genauso beeinflusst werde wie gestern? Bleibt abzuwarten – ich hoffe nicht, sonst muss ich Mama wohl so einiges erklären an Weihnachten.

Sonntag, der 15.

Sonntag, Tag des Herrn. Das Schöne an der Woche ist doch, dass irgendwann der Sonntag kommt. Mit dem Sonntag, auch der Beichtstuhl in der benachbarten Filiale von der Alter-Grauer-im-Himmel-GmbH. Schwupp, alle Sünden der Vortage sind vergeben. Ich bin wieder ein freier Mann. Mein Gewissen ist rein, und ich bin bereit für glücklichere Tage, ganz ohne Waffen und Heroinkonsum. Man soll sich bekannterweise mit Menschen umgeben, die erfolgreicher sind als man selber. Irgendwas mit das Beste aus einem selber rausholen. Wie auch immer, wer beim International Film School Fest eingeladen wurde, hat was drauf. Ich geh also dahin, und suche am Eröffnungstag nach Inspiration. Ich finde leider nur Gleichgesinnte – bin ich ganz oben angekommen? Vielleicht sitzt der glorifizierte Erfolg auch schon im VIP-Backstage-Raum. Nur weil Lars von Trier mal hier eingeladen war, drehst du noch lange keinen Film mit Charlotte Gainsbourg, du Very Important … ich sag’s nicht. Prick.

Montag, der 16.

Die guten Vorsätze aus alten Beichtstuhl-Zeiten haben also nicht lange gehalten. Heute steigre ich mich nicht so rein, diesmal nicht! So Filmfeste haben ja meistens eines gemeinsam – die Filmemacher feiern in erster Linie sich selber. Da hab ich nichts dagegen, als diagnostizierter Narzisst. Schreiberlinge sind da ja nicht viel anders – oder? July in der Stadt könnte meine Einstellung heute, bei Neue Lyrik braucht das Land, ändern. Im Salon Irkutsk steigt die Lesung, es wird also nach Neuer Lyrik gesucht. Wenigstens machen sie das nicht in einem dieser Kaffee-Läden in der Schellingsstraße. Nein, stopp, nicht aufregen. Lesen beruhigt. Vorgelesen bekommen auch, meist zu sehr. Gut, dass ich in der Öffentlichkeit nicht gut schlafen kann.

Dienstag, der 17.

Manchmal begeistert man sich ja doch für Themen, die sich irgendwo im größeren Umfeld des Studiums bewegen. Deutschlands Rolle in der EU, zum Beispiel. Die BWL-Lindner-Fanboys gehören dazu nicht, glücklicherweise, darum geh ich ins Muffatwerk. Nicht für Poetry-Slam, oder Konzert, oder so. Noam Chomsky und Heiner Flassbeck sind zu Gast und bereichern eine Diskussion über Deutschlands internationale Präsenz, TTIP und die Rolle des Einzelnen bei sozialpolitischen Themen. Vielleicht kann ich meine Fragen zum Waffengeschäft mit einbringen, ich bin ja jetzt ein alter Hase – aber nicht so alt wie Chomsky! Haha. Sorry, Noam.

Mittwoch, der 18.

Chomsky und Flassbeck waren ernste Menschen. Das Publikum auch, die Bar war nicht so gut gefüllt wie sonst im Muffatwerk. Ernst sein, komisches Konzept. Kein Spaß verstehen, grimmig kucken – klingt sehr nach Donald Trump. Apropos Trump: Ich weiß aus besten Quellen, dass The Donald Abonnent von TITANIC ist. Ja, und er hat beim Die Partei – Geldverkauf auch mitgemacht, und immer gewonnen. Weiß halt, wie man Kohle scheffelt, der Don Donald. Wenn die Chefredakteure von TITANIC nach München kommen, kann Trump leider nicht kommen; es war die Rede von irgendeinem Kampf (Wahlkampf, vielleicht?) drüben in „seinen“ USA. Ich werde zumindest da sein – muss lustig werden. Wobei die Jungs mich etwas enttäuscht haben – war also doch das Geld vom DFB, und nicht die Schinkenplatte des Magazins, das die WM nach Deutschland geholt hat. Erzählt TITANIC etwa nicht immer die Wahrheit?

Donnerstag, der 19.

Satire darf ja alles, ich verzeihe also. Poesie darf auch vieles – Vatermord, Pädophilie, also schön und gut. Unser aller Lieblingsladen Lost Weekend hat Christian Bode eingeladen, und der darf heute Poetry lesen. Kein Scheiß – Eventtitel: Bode reads Poetry. Kreativ, die Kaffeekünstler aus der Schellingsstraße. Wer finanziert so was eigentlich? Natürlich kostet der Kaffee €6,40, wenn die Miete €25000 ist! Aber dafür hat es Wi-Fi und alles, und U-Bahn-Nähe. Egal. Bode liest also, und wie. Angeblich öffnet er die Gefängniszellen des Akademischen Kerkers und erweckt Shakespeare wieder zum Leben. Ich glaub’s nicht, aber ich will’s auch nicht verpassen – stellt euch mal vor, er schafft es wirklich? Dann steht Shakespeare leibhaftig da zwischen MacBooks und Pumpkin Lattes rum, und ich war nicht mal da. Lass ich mir nicht entgehen.

Freitag, der 20.

Ich fass mich kurz: Ich glaube, Willy S. ist nicht auferstanden. Vielleicht in drei Tagen, mal sehn. Aber der Abend war nicht verloren, nicht so wie das Wochenende. Aber eher ruhig – ich brauch wieder etwas mehr Lärm. Der Täter kehrt bekanntlich immer an den Ort seines Verbrechens zurück – ich geh heute wieder ins Feierwerk. Obwohl, waren nur meine Gedanken beim letzten Besuch hier kriminell, oder hab ich wirklich was angestellt? Ich erinnere mich nur an Fixer, und Sofas. Schnell raus aus dem Kopf. Line Walking Elephant stellt heute ihr neues Album vor, nach zwei Jahren Arbeit. In der Musikszene ist das ja ein ungeschriebenes Gesetz – je länger die Arbeit am Album, desto besser wird es natürlich. Siehe Compton. Der Tatort ist verdächtig ruhig, ob ich aufgeflogen bin? Ich beweg mich auf dünnem Eis, wie es scheint – Walking the Line. Mit Elefant.

Neuland

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Natürlich hat man keine Bohrmaschine zur Hand, wenn man gerade das neu erworbene Kunstwerk an die Wand hängen will. Und natürlich hat man auch keinen Beerpong-Tisch, wenn man mal einen braucht. Diesen alltäglichen Misslichkeiten will Useley abhelfen: eine Plattform auf der Menschen Gegenstände verleihen, um so vor allem Elektroschrott zu reduzieren.

Kaum einer hat einen Beamer, eine Bohrmaschine oder einen Beerpong-Tisch – alle diese Sachen braucht man in der Regel so selten, dass sich ein Kauf nicht lohnt. Wenn man dann doch mal ein Bild aufhängen muss, fehlt die Bohrmaschine eben doch. Dieses Dilemma hat die Studenten Mark Kugel, 25, Pascal Fritzen, 24, und Ljudmila Ivanova, 27, auf die Idee für Useley gebracht – eine Plattform, auf der Menschen alle möglichen Gegenstände gegen Gebühr verleihen können. Seit dem Start des Projekts Anfang September bringen die jungen Betreiber von www.useley.com die ausgeliehenen Gegenstände umsonst und in weniger als drei Stunden bis zur Haustür. Die Münchner Studenten wollen mit diesem System die effektive und nachhaltige Nutzung von Gegenständen vorantreiben, und damit auch etwas für die Umwelt tun. Durch Useley soll eine große Anzahl an Menschen eine kleine Zahl von Geräten nutzen, und nicht jeder für sich eines kaufen. Durch die so verminderte Zahl an Neugeräten können Ressourcen gespart werden. Besonders die Reduzierung von Elektroschrott ist für Mark, Pascal und Lucy Motivation, um das Leihgeschäft voranzutreiben.  

Matthias Kirsch

Foto: LMU EC

Gebrauchtes Wissen

Die drei Münchner Studenten Daniel Berthold, 25, Katharina Drummer, 23,
und Ben Martins, 24, betreiben ein Portal für Lehrbücher: KnickKnacks. Das ist günstig. Das ist praktisch. Und das ärgert traditionelle Buchhandlungen. 

Ende Oktober, das Wintersemester nimmt für Tausende Studenten Fahrt auf. Das bedeutet auch, dass man so langsam alle Bücher besorgen muss – und das ist nicht immer leicht. Es kann leicht sein, dann ist es aber auch teuer. Und teuer sollte es eigentlich für Studenten nicht sein. Das dachte sich zumindest Daniel Berthold, 25, als er vor zwei Jahren vor dem gleichen Problem stand. Also gründete er kurzerhand zusammen mit Katharina Drummer, 23, und Ben Martins, 24, KnickKnacks, ein Onlineportal für gebrauchte Lehrbücher (Dana Göldner Fotografie). Mittlerweile befindet sich KnickKnacks im vierten Semester. Mit aktuell 3500 registrierten Nutzern und mehr als 4000 inserierten Werken ist die Seite zu Deutschlands größtem studentischen Portal für gebrauchte Lehrbücher geworden. 

Der Medizinstudent Daniel hatte im Sommer 2013 sein erstes Staatsexamen bestanden und wollte seine alten Schmöker wieder verkaufen. Das Problem: Er fand keine Buchhandlung, kein Portal, keinen Flohmarkt exklusiv für studentische Lehrbücher. Das Prinzip von KnickKnacks ist einfach: Die Seite vermittelt zwischen Verkäufern und Käufern. Auf der Internetseite kann jeder seine Lehrbücher – nach Beschreibung des Zustands und Foto des Buches – zum Verkauf anbieten. Der Käufer meldet über KnickKnacks sein Interesse an, und Daniel, Katharina und Ben leiten die Kontaktdaten des Verkäufers weiter. „Im Grunde haben wir weder die Bücher in der Hand, noch direkten Kontakt mit den Nutzern unserer Plattform“, sagt Daniel. 

Alte Lehrbücher in bares Geld umzuwandeln kann natürlich auch anders funktionieren. Viele Fachschaften der Münchner Universitäten organisieren zum Beispiel Flohmärkte zum Semesterstart. „Aus unserer eigenen Erfahrung wussten wir aber, dass der Semesterbeginn für viele zu spät ist, und das Geld aus dem Bücherverkauf oft gebraucht wird, um durch die Semesterferien zu kommen“, macht Daniel deutlich. Der 25-Jährige weiß auch, dass Bequemlichkeit ein Faktor ist: „KnickKnacks erlaubt es einem, Bücher zu verkaufen, ohne die Wohnung verlassen zu müssen – wenn man denn mag.“

Trotzdem gebe es auch viele, die KnickKnacks eben deshalb nutzen, weil sie mit älteren Studenten ihres Studienfachs in Kontakt kommen können. „Meistens verkaufen ältere Studenten ihre Lehrbücher an Erstsemester. Treffen sich Käufer und Verkäufer persönlich zur Buchübergabe, nutzen viele der jüngeren Studenten die Gelegenheit, um sich über das Studium zu informieren“, erzählt Daniel. Beim Verkauf über KnickKnacks kann der Verkäufer seinen Wunschübergabeort angeben. „Da Lehrbücher meist an fachgleiche Studenten verkauft werden, die im gleichen Unigebäude studieren, trifft es sich in der Regel für beide gut“, erklärt der Medizinstudent. 

KnickKnacks konzentriert sich dabei auf Lehrbücher, und der Fokus soll auch in Zukunft dabei bleiben. Ein Grund für den Erfolg der Firma sind die relativ guten Preise, die ein Verkäufer erzielen kann. „In der Regel versuchen die Verkäufer 60 bis 80 Prozent des Neupreises zu erhalten. Da wir jedes Inserat kontrollieren, merken wir, dass bei guter Qualität des Buches diese Preise auch gezahlt werden“, sagt Daniel.

Der Verkauf von gebrauchten Schul- und Lehrbüchern ist ein Trend, den auch Heiner Kroke, Chef der Verkaufsplattform von momox.de, festgestellt hat: „In den Wochen vor und nach einem Schuljahreswechsel ist die Nachfrage besonders hoch“, sagt Kroke. Man habe bei momox.de über den Sommer mehr als 30 000 Schul- und Lehrbücher vorrätig gehabt. Damit haben die traditionellen Buchhandlungen zu kämpfen. „Buchhandlungen, die sich speziell auf Lehrbücher konzentrieren, machen der Reihe nach dicht“, verdeutlicht eine Mitarbeiterin einer Lehrbuchhandlung in Uni-Nähe, die namentlich nicht genannt werden will. Das Problem sei zum Teil dem Kauf von Gebrauchtbüchern, aber auch der Popularität von e-Books geschuldet. „Als Lehrbuchhandlung überlebt man nur noch, wenn man sich auf bestimmte Bereiche wie Jura konzentriert, wo jährlich neue Auflagen erscheinen.“ 

KnickKnacks umgeht das Problem andere Portale, weil sie nur vermitteln, nicht ankaufen. Daniel, Katharina und Ben wissen, dass Lehrbücher nicht unbedingt attraktiv, aber für Studenten ein wichtiger Teil des Studiums sind. „Wir waren alle irgendwann in der Situation, dass wir Bücher zu fairen Preisen kaufen oder verkaufen wollten. Deswegen sind wir überzeugt, dass es anderen Studenten genauso geht. Mit KnickKnacks wollen wir dazu beitragen, dass Käufer und Verkäufer mit dem Geschäft zufrieden sein können“, sagt Daniel. Davon profitieren nicht nur die Münchner Studenten. Stolz erzählt der Medizinstudent, dass KnickKnacks mittlerweile auch in Berlin, Hamburg und Köln viele Bücher vermittelt hat.  Matthias Kirsch

Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Matthias

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Matthias ist wieder da! Endlich! Mitgebracht hat er Veranstaltungstipps für die dröge zweite Semesterwoche. Und eine seltsame Ersti-Obsession.

München hat mich wieder. Der Semesterbeginn begrüßt mich – nass, grau, und
viel zu viele Erstis. Die werden auch immer kleiner, oder? Naja,
vielleicht werd ich größer. Auf jeden Fall bin ich schon erkältet. Ich hab da
eine Theorie – früher wurden doch nach den Sommerferien auch erstmal alle
krank. Ich glaub, die Erstis bringen die Krankheiten von den Schulen mit!
Spielen den ganzen Sommer im Matsch, und verbreiten dann ihre fiesen Viren in
den U-Bahnen der Welt – unerhört. Jedenfalls nehm ich mir das zu Herzen, und
setz mich im Bus zum Feierwerk alleine in eine Ecke, mit Handschuhen und
Halstabletten. Im Farbenladen stellen Bianca Bättig und Franziska Schrödinger am Freitag ihre neue Fotoserie vor – Antworten in Bildern
heißt sie, und das hat mich gereizt. Ich will auch Antworten haben – warum
werden die Erstis immer kleiner? Warum spielen die im Matsch?
Anstecken kann ich wenigstens keinen, diese Künstler sind ja eh alle krank.

Samstagmorgen. Ich trink Tee, die Sorte die seit 3 Jahren im
Regal steht. Ich trink nämlich nie Tee, nur wenn ich krank bin, und schon
alleine deshalb weigere ich mich meistens, das Grünzeug anzurühren. Verwirrend.
Ich hab meine Antworten auch zum Teil nicht bekommen gestern, also geht die
Suche heute weiter. Ich bleib dabei – die Kunst kann alle meine Fragen
beantworten! Hoffentlich…denn heute ist Lange Nacht der
Münchner Museen
, und da gehen alle hin. Auch die Erstis. Soll ich gleich an
der Quelle fragen, warum die so klein sind? Nee…dann erzählen die der Mama an
Weihnachten, München wär voll von erkälteten Dauerstudenten, die einen im Haus
der Kunst aufs Übelste wegen ihrer Größe beschimpfen! Und das wollen wir
ja nicht. Tee hat zumindest etwas geholfen, also zieh ich durch die Museen der
Stadt, auf der Suche nach Antworten. Bilder im Kopf, Fragen im Herzen, Weißwein
in der Wasserflasche.

Die Museen waren ziemlich voll. Voll mit kranken Menschen. Da waren Leute
total erkältet, und trotzdem mit den Öffentlichen unterwegs! Unverschämtheit,
wer macht denn sowas? Oh…na gut, aber man kann sich ja nicht immer daheim
verstecken. Ausser heute, da geht das. Es regnet, aber das ist normal im
Oktober. Oktoberwetter. Heute am Sonntag
steh ich nicht auf. Gut, dass Arte wieder eine neue Folge von Gomorrha in
der Mediathek hochgeladen hat. Vielleicht hat die Mafia ja Antworten für mich.
Ich freue mich über solche faulen Tage: Zeit für mich und Arte, den Regen aus
dem Trockenen verfolgen und keine Erstis sehen. Life is gooooood.

Es ist leider unausweichlich. Die zweite Semesterwoche nervt traditionell
immer, aus mehreren Gründen. Erstens, kann man sich nicht mehr vor den Kursen
drücken, Einführung ist ja vorbei. Zweitens, nach der Erstiwoche glauben die
kleinen Racker, sie wären schon alte Hasen; und schon gibt‘s keine Butterbrezn
mehr beim Müller. Und drittens, die Sommerschuhe sind spätestens jetzt für‘n
Arsch. Ich schau also mal beim Hausflohmarkt im Provisorium vorbei. Nicht um
gebrauchte Schuhe zu kaufen. Nur gucken, nicht anfassen, das hat der alte Rudi
schon immer gesagt. Es stellt sich also in der zweiten Semesterwoche so langsam
wieder der Alltag ein, und das ist doch auch schön. Aber nicht so schön wie der
Mix an Kleidung, alten Disney-Kassetten und sonstigem Kram, der am Montag beim Flohmarkt
rumsteht. Ich grab mich durch das Angebot. Vielleicht ist ein Kaufrausch genau
das, was meine Fragen beantworten kann?

War es nicht. Ich hab jetzt drei neue Schals und ein Sacko, das Reiner Calmund
zu klein gewesen wäre. Angeblich trägt man das jetzt so. Egal, ich weiß immer
noch nicht, warum die Erstis immer kleiner werden. Mit Gleichgesinnten
philosophiert man ja ganz gut, wenn man sich grad nicht streitet. Drum such ich
heute Menschen auf, die auch nach Antworten suchen. Im Lost Weekend findet am Dienstag der Vierte Salon statt,
unter dem Motto „Big
Data is Watching“
. Eine Gruppe von Autoren und Aktivisten um Keto von
Waberer und Marion  Schwehr diskutiert über
den Einfluss der Datenkrake auf den künstlerischen Entstehungsprozess. Ich bin
gespannt, vor allem auf die Fragerunde. Irgendwie nimmt keiner meine Frage
ernst. Versteh ich nicht ganz. Wenn die NSA mir nicht weiterhelfen kann, wer
dann? Datenkrake, schick mir einen Whistleblower!

Langsam, aber sicher hab ich am
Mittwoch
das Gefühl, ich werde besessen. Die Fragen schwirren mir durch den
Kopf, und ich hab nur Fragezeichen auf den Augen. Nicht mal Dollerzeichen,
Fragezeichen – bin ich krank? Oder doch nur Künstler? Wie dem auch sei, Kunst
und Wissenschaft haben bisher versagt. Was bleibt? Musik, zum Beispiel. Schon
die anderen großen Köpfe der Geschichte haben sich von Musik inspirieren
lassen, jetzt bin ich an der Reihe. Ich mach mich auf den Weg zur Singer-Songwriter Open
Stage
im Import Export. Ich fahr erst mal zur alten Location, stark. Also
zurück in den Bus, Richtung Kreativquartier. Die 5 Euro Eintritt sind ganz
okay, und kommen sogar einem Guten Zweck zugute. Lob ich mir, hier wird noch
geholfen. Nur mir nicht. Fragen unbeantwortet, dafür ein paar coole Klänge im
Ohr – fairer Tausch, find ich, und mich auf den Weg nach Hause.

Wenn du mit einem Song im Ohr schlafen gehst, und dich am Morgen noch dran
erinnerst, dann ist es ein guter. Hat einer der Gallagher Brüder mal gesagt,
der verrücktere von den beiden, glaub ich. Ich erinnere mich jedenfalls an zwei
Lieder, und such die Künstler mal in der Soundcloud hoch über uns. Dann
erinnere ich mich aber auch wieder an mein Dilemma, und das stellt die
Gallagher Theorie doch auf den Kopf. Only applicable to music, stand da
jedenfalls nicht dabei. Ich muss abtauchen, weg von den Fragen – ich muss Unter
Deck. Ha, wordplay, baby. Da ist am
Donnerstag
Hardcore
Night
angesagt, mit Hardcore Literatur und Hardcore Gästen, organisiert vom
Label Heyne Hardcore. Genug gehardcored, aber der Abend wird gut. Das Label
steht für Underground-Literatur ohne Berührungsängste. „Von Hunter S. Thompson
zu Sasha Grey“, so macht man Werbung für einen Literaturabend. Gonzoporn,
sicher ganz was feines. Auf jeden Fall ohne Berührungsängste, das ist sicher.

Freitag ist der Tag, heute knack ich das Rätsel. Sasha
Grey hat mich gestern inspiriert! Also, was Karrierewechsel angeht, natürlich.
Dass alles möglich ist, dass alle Fragen irgendwann beantwortet werden. Ich hab
um 14 Uhr Kurs an der Uni, am LMU Hauptgebäude, und danach noch etwas Zeit,
bevor ich zu BBou
& Liquid in den Clap Club
gehe. Ich glaube, eine bessere Gelegenheit
kommt nicht mehr, um mich dem Feind zu stellen. Ich steig aus der U-Bahn, mache
erste unsichere Schritte über den Geschwister-Scholl-Platz. Dann packt mich der
Mut, entschlossen geh ich schnurstracks, ohne Furcht, auf eine ganze Gruppe (!)
Dreikäsehochs hin, und frag! – Erschrocken schauen zwei von denen erst mich an,
dann ungläubig hin und her. Es ist wie bei Spinnen: Die haben mehr Angst vor
uns, als wir vor denen! Oder? Nach einigen Momenten der Stille öffnet ein ganz
kleines, aber wohl sehr starkes Ersti-Exemplar den Mund. Es muss der Anführer
sein. Es sagt: „Alter, deine Zeit ist vorbei. Wir sind die neue Schule, ist
halt so.“ Ich bin etwas perplex, aber es hat mit solcher Zuversicht gesprochen,
dass ich es fast glaube. Ach, jugendlicher Leichtsinn, ich vermisse dich. Sasha
Grey wäre stolz auf diesen Ersti.

Matthias Kirsch

Nie wieder suchen

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Die TU-Studenten Clemens Techmer, Felix Harteneck und Jakob Sturm erfinden ein System, das freie Parkplätze erkennt, die Daten sammelt und an Autofahrer weitergibt. Der erste große Test startet nächstes Jahr.

Von Matthias Kirsch

Ja, es ist ärgerlich, wenn nach ewigem Rumgekurve das schicke rote Cabriolet den perfekten Parkplatz vor der Wohnungstür belegt. Noch ärgerlicher ist es, wenn dann der Wocheneinkauf, mitsamt Toilettenpapier und Getränkekästen erst einmal eine Viertelstunde durch die Stadt getragen werden muss.
Ganz ähnlich erging es auch Clemens Techmer, neben Felix Harteneck und Jakob Sturm Mitbegründer von „ParkHere“, einem System zur Parkhilfe, das die nervenaufreibende Suche endlich vereinfachen soll. „Wenn ich mit meiner Band einen Auftritt habe, muss viel Material mitkommen. Da ist es einfach ärgerlich, wenn man Verstärker und Schlagzeug ewig schleppen muss. Diese Erfahrung war für mich ganz klar ein Anreiz, um eine Lösung für das Parkproblem zu finden“, sagt der 23-Jährige, er ist Sänger von Marvpaul.
Clemens, Felix und Jakob haben sich zusammengetan, um genau an dieser Aufgabe zu arbeiten – mit Erfolg. Die drei Studenten haben ParkHere entwickelt, ein System, das freie Parkplätze erkennt, die Daten sammelt und in Echtzeit an Navigationsgeräte und Park-Apps für das Smartphone sendet. Was so einfach klingt, konnte bisher noch niemand effizient umsetzen. Ein ähnlicher Versuch in San Francisco musste abgebrochen werden.

In einem ersten Versuch
konnte der Parkverkehr
um 43 Prozent verringert werde

Clemens und Jakob studieren Elektroingenieurwesen an der TU und haben beide schon Erfahrung mit ähnlichen Technologien gesammelt. So hat Clemens für sein vorheriges Projekt „MapChat“ den „Innovation Award“ der TU erhalten, während Jakobs Einfall für eine Null-Watt-Schaltung mit dem Jugend-forscht -Preis ausgezeichnet worden ist. Bei UnternehmerTUM, einem Projekt der TU für angehende Unternehmer, haben die beiden dann Felix kennengelernt, ein BWL-Student, der schon mit 18 sein erstes Unternehmen gründete.

In einer Außenstelle der TU in Garching sind die Prototypen des Sensors entstanden. Im Labor wird gebaut, getüftelt und experimentiert. Aktuell wird der Ablauf der Datensammlung zu freien Parkplätzen untersucht. Ein etwa handballenbreiter Sensor soll in einem dünnen Schlauch auf dem Parkplatz verbaut werden. „Der Sensor erkennt, wenn ein Auto über ihn fährt, und nimmt dies als parkendes Auto wahr. Während in Parkhäusern diese Sensoren nur wenige Zentimeter breit sind und quer über die Parkfläche verlaufen, ist auf offener Straße für Parallelparkplätze ein Sensor von ungefähr 30 Zentimetern Breite nötig“, erklärt Clemens. Jeder Sensor sendet anschließend die gesammelten Daten an eine Basisstation, die an Straßenlaternen befestigt werden kann. So hält ParkHere in Echtzeit fest, welche Parkplätze belegt oder eben frei sind. Die Basisstation bündelt die Informationen und schickt sie an den Server.

In Echtzeit einen freien Parkplatz vermittelt bekommen, das ist für viele Verkehrsteilnehmer ein Traum – der mit diesem System Wirklichkeit werden könnte. Über Funk werden die Infos über freie Parkplätze an Navigationsgeräte und Park-Apps geliefert – gegen Bezahlung der Hersteller. Dabei sollen diese nicht nur ihren Kunden einen unbezahlbaren Dienst leisten – auch die Städte profitieren. „Im Durchschnitt dauert jeder Parkversuch zwischen 10 und 15 Minuten“, sagt Felix, „und das ist nicht nur wertvolle Zeit: Der zusätzliche CO₂- und Feinstaubausstoß, Lärm und Verkehr sind für Mensch und Umwelt einfach unnötig.“ Pro Kilometer Autofahrt werden knapp 150 Gramm CO₂ ausgestoßen – bei langen Parkvorgängen also nicht unwesentlich.
 Dass solche Parksysteme tatsächlich Verkehr, Lärm und Umweltverschmutzung verringern, zeigt das Experiment aus San Francisco. In der Technologiehauptstadt der USA wurde ein solches Parkhilfesystem in einem viel befahrenen Viertel eingesetzt – mit beeindruckenden Ergebnissen. Der Parkverkehr konnte um 43 Prozent verringert werden. Aufgrund des hohen Aufwands bei der Installation der Sensoren und deren geringer Batterielaufzeit – maximal einige Monate – wurde das Projekt allerdings nach zwei Jahren wieder abgebrochen.

„ParkHere löst genau die Probleme, die in den USA aufgetreten sind – und behält alle Vorteile bei“, macht Felix deutlich und kramt die Broschüre hervor, die die Technologie auch Laien verständlich machen soll. „Unsere Sensoren sind energieautark“, sagt er. Energieautark, das heißt, der Sensor ist unabhängig von Batterien oder Akkus, weil die Energie, die durch den Druck und die Vibrationen von vorbeifahrenden Autos erzeugt wird, gesammelt werden kann. So haben die Sensoren theoretisch eine unendliche Laufzeit. Auch die Basisstationen, die mit Solarenergie gespeist werden können, funktionieren ohne fremde Einwirkung. Diese Verbesserungen machen ParkHere für Investoren und Kunden interessant: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird die Studenten im September mit dem begehrten IKT-Gründerpreis auszeichnen, zu dessen vorherigen Gewinnern Start-ups wie Buddy-Watch gehören.

Den ersten Härtetest in der Praxis erwartet ParkHere im Frühling 2016, dann sollen erstmals Sensoren in die Straße eingelassen werden – in einem ersten Schritt an den Ladesäulen für Elektroautos, und das europaweit. Ganze Städte mit einem Parkhilfesystem auszustatten, ist jedoch teuer – „unseren Berechnungen zufolge würde die Münchner Innenstadt zum Beispiel vier bis fünf Millionen Euro kosten“, erklärt Felix. „Die Städte können unsere Daten jedoch auch nutzen, um beispielsweise in viel befahrenen Vierteln die Parkkosten zu erhöhen, in anderen die Preise zu senken. Die so erreichte Umverteilung tut der Umwelt wie auch dem Stress des Autofahrers gut“, sagt Felix.

Wolfgang Großmann, Geschäftsführer der Park & Ride München GmbH hält das Projekt für „unheimlich charmant“. „Wir bekommen viele derartige Anfragen, aber das ist mit Sicherheit eine, die herausragt und ich bin neugierig, wie das weitergeht“, sagt er. Sein Unternehmen wartet im Moment auf ein Angebot der drei Studenten, um einen Test auf der Park & Ride-Anlage in der Aidenbachstraße starten zu können. Er hält es allerdings nicht für notwendig, die ganze Stadt München mit einem Erfassungsnetz auszustatten. „Letztendlich würde es reichen, die unattraktiveren Parkmöglichkeiten in einem Viertel mit Sensoren zu versehen, da man, wenn die belegt sind, mit einiger Sicherheit davon ausgehen kann, dass sonst auch alles belegt ist.“

Foto: Alessandra Schellnegger

Laden mit Lebensgefühl

Axel Schnerring und Stefan Losert haben in der Kaulbachstraße ein Geschäft aufgemacht, in dem sie selbst entworfene, lässige Klamotten verkaufen – und kleinen Münchner Labels eine Plattform bieten. Es ist aber auch ein Treffpunkt zum Hallo-Sagen, Einkaufen oder vor der Tür in der Sonne sitzen.

Von Matthias Kirsch

Die Dekoration im Laden ist teilweise minimalistisch, eine Mischung aus gekonnter Lässigkeit und Vintage. In den Regalen stehen Fotos von Patrick Swayze aus dem Film „Point Break“, das Cover von Charles Bukowskis „Women“ wurde sogar eingerahmt. Die Ladenfläche in der Kaulbachstraße ist Zeugnis für den Stil, den der Kleidungsladen „Cheers from Downtown“ versinnbildlicht: „Wir bieten Streetwear an, wie wir sie uns vorstellen – offen, mit Gefühl, nicht provokant, sondern etwas, das jeder tragen kann“, beschreibt es Gründer Axel Schnerring, 27.

Er und Stefan Losert, 28, hatten nie den großen Traum vom eigenen Laden – anders als viele Gründer von Modefirmen. „Lässige Kleidung hat mich zwar schon immer begeistert, aber dass wir gerade vor unserem eigenen Laden stehen, das ist kompletter Zufall“, sagt Axel. Er überlässt Sachen gerne dem Zufall, lässt einfach mal passieren. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann und einer Weltreise landete der gebürtige Ulmer in München, wo er 2012 mit einem BWL-Studium begann. Axel wohnte damals schon in der Kaulbachstraße, in eben dem denkmalgeschützten Gebäude, in dem sich heute der Laden befindet. Zu dieser Zeit gründete er das Label Cheers from Downtown – jedoch ohne das Ziel, ein eigenes Geschäft zu eröffnen.

Als Ende 2013 die Geschäftsfläche im Erdgeschoss seines Wohnhauses frei wurde, setzte der Jungunternehmer alles auf eine Karte. Ein Klamottenladen ist für Axel die Möglichkeit, seine Ziele von Selbstständigkeit mit seinem neugegründeten Label zu kombinieren. Die Vermieterin des Ladens war von seiner Idee überzeugt und gab „der Jugend eine Chance“. In Stefan, ebenfalls BWL-Student, fand Axel den geeigneten Partner für die Geschäftsgründung. Beide teilten die Motivation, auf eigene Faust etwas aufzubauen. „Die Schnitte von üblichen T-Shirts haben uns nie perfekt gefallen, deshalb haben wir unsere einfach selbst entwickelt“, erklärt Axel wie selbstverständlich.

Cheers from Downtown ist jedoch viel mehr als nur ein Laden. Die Kaulbachstraße 44 ist auch Treffpunkt – ob zum Hallo-Sagen, Einkaufen oder Vor-der-Tür-in-der-Sonne-Sitzen. Axel beschreibt dieses Lebensgefühl als etwas, „das man nur in einer Großstadt erleben kann. München ist perfekt dafür. Das verkörpert Cheers from Downtown.“ Ein Nachbar fährt gerade mit dem Longboard vorbei. Axel grüßt, grinst und sagt: „Das ist genau so einer wie wir. München eben.“

Axel und Stefan geht es um
das Glück, mit Gleichgesinnten
zusammenarbeiten zu können

Zusätzlich steht Cheers from Downtown auch noch für eine neue Entwicklung in der Münchner Modeszene: Der Laden ist eine Plattform für kleine, lokale Labels geworden. „Unsere eigene Kollektion füllt noch keine Regale, so weit sind wir noch nicht. Gleichzeitig wissen wir, dass wir mit der Möglichkeit, einen Laden führen zu können, riesiges Glück haben. Das wollen wir anderen Labels nicht vorenthalten“, erklärt Axel weiter. Modelabels passen nicht immer gut zusammen – trotzdem wollen die jungen Männer auch anderen Modemachern die Möglichkeit eröffnen, Teil des Ladens zu werden. „Wir sind und wollen kein Flohmarkt sein, aber wenn die Macher und ihre Produkte jung, kreativ und hip sind, finden wir einen Platz“, beschreibt Axel die Auswahl der Labels. 

So findet gleich gegenüber der Eingangstür „Emil Boards“ seinen Platz im Cheers from Downtown. Niklas Groschup, Gründer von Emil Boards, ist hier eher ein Exot, da er Skateboards produziert, keine Mode. Die Besonderheit: Die Bretter sind rechteckig und inspiriert von den „Hoverboards“ aus dem Kultfilm „Zurück in die Zukunft“. 

Geht man die kleinen Treppen zur Kasse hoch, trifft man auf der rechten Seite „New Bav“, ein Münchner Label, das 2014 von Nils Neumann, 24, gegründet wurde. Liebe zur Mode und vor allem zur Produktion wird bei New Bav groß geschrieben. „Ich komme aus der Textildruckerei, deswegen bedrucken wir auch jedes Teil selber“, erzählt er. Auf diese Nähe zum Produkt ist der Modemacher stolz. Das Markenzeichen von New Bav – Übergröße. Der weit geschnittene Stil ist aktuell sehr einzigartig. „So bauen wir uns eine Kundenbasis auf, die spezielle Schnitte mag.“ Einzigartig ist laut Nils auch die Plattform-Idee von Cheers From Downtown: „Kleinen Marken sind viele Türen oft versperrt – im Shop vereinen Axel und Stefan viele coole Labels, und ich stehe mit New Bav absolut hinter dem Konzept.“

Im hinteren Teil des Ladens, der dank eines alten Friseursessels ein wenig an einen Barbershop erinnert, hat mit „Pfizipfei“ auch ein etabliertes Münchener Label Platz gefunden: Die Münchner um Gründer Günter Grotzer, 29, stellen seit 2011 Mode in München her, aus Leidenschaft, neben ihren alltäglichen Berufen. „Unser Markenzeichen ist, dass wir keines haben. Aber wir zeichnen uns durch Qualität und kleine Details aus – und lassen uns von unserer Umwelt inspirieren“, erklärt Günter. Umweltbewusst präsentiert sich ebenfalls das Label „Delayon“, das erst vor kurzem in die Kaulbachstraße 44 eingezogen ist. „Ich habe München als naturnahe Stadt kennengelernt“, erzählt Magdalena Ozimirksa, Gründerin und für die Designs zuständig. Im Laden findet man vor allem Accessoires von Delayon, wie beispielsweise Sonnenbrillen aus Bambus.

Die Zusammenarbeit mit anderen Modemachern steht im Mittelpunkt – etwas, das bei jungen Ladeninhabern nicht üblich ist. Cheers from Downtown geht es nicht um Konkurrenz, sondern um das Glück, mit Gleichgesinnten zusammenarbeiten zu können. „Der Aufwand“, sagt Axel, „lohnt sich aber auf jeden Fall. Schon nach unserem ersten Jahr gibt uns der Laden so viel zurück – wir stehen morgens auf und machen unser Ding, das ist schon die größte Bezahlung.“

Fotos: Thomas Lehmann

Neuland

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Alexander Hoffmann will das Beste aus den Welten des Kochens und des Programmierens vereinen: er bietet IT-Workshops an, bei denen zwar nicht immer gekocht wird, aber doch immer das Zusammenkommen im Mittelpunkt steht.

Computer an der Küchenzeile? Führt meist zu einer Sauerei. Alexander Hoffmann strebt jedoch an, mit seinem Konzept Cook and Code das Beste aus den Welten des Kochens und des Programmierens zu vereinen. Seit Anfang Juli organisiert der 26-Jährige Veranstaltungen, bei denen die Teilnehmer sowohl ihr IT-Wissen aufpolieren als auch gemeinsam kochen können. Das Cook im Namen soll jedoch nicht bedeuten, dass zwangsläufig bei jedem Event gekocht werden muss. „Cook steht auch für das entspannte Zusammenkommen als Gruppe mit gemeinsamem Ziel“, erklärt Alexander. Der Student kennt sich aus in der Event-Organisation, er hat schon während des Studiums zahlreiche Konzerte veranstaltet. Dass er sich jetzt auf IT-Events konzentriert, hat vor allem damit zu tun, dass es seiner Ansicht nach an vernünftigen IT-Workshops mangelt – nicht nur in München. „In ganz Deutschland fehlt es an IT-Fachkräften“, sagt Alexander. Seine Events bilden zwar keine Experten aus, bringen diese aber kostengünstig und in gemütlicher Atmosphäre mit IT-Neulingen zusammen. Mit der Hilfe der Mentoren soll das Wissen nachhaltig vermittelt werden.  

Matthias Kirsch

Foto: Alexander Hoffmann

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Von Freitag bis Freitag München – Unterwegs mit Matthias

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Die Temperaturen dieses Hochsommers lassen sich sehen, und auch wenn Matthias sich in der Sternschnuppennacht am Mittwoch einen kilometerlangen Sandstrand für München wünscht, gibt er sich erst einmal mit dem Kulturstrand am Deutschen Museum zufrieden und genießt dort die Jason Serious Band. In der Glockenbachwerkstatt träumt er mit Meanders von irischen oder auch brasilianischen Stränden und auch im Theatron und beim Sommerwiesen-Open-Air gibt es unter freiem Himmel die unterschiedlichsten Musikrichtungen zu hören. Nicht einmal für Kino muss er sich dem Nachthimmel fern fühlen: Im Backstage wird Open-Air eine Doku über Kurt Cobain gezeigt.

Ich fühl mich heute jung. In der Zeit zurückgeworfen. Am Freitag ist mein Bruder in
München – hoher Besuch, und zwar für sein Eignungsgespräch an der Uni. Ich fühl
mich heute jung, auch weil ich mich selber sehe, etwas nervös, und unsicher, was
mich erwartet, in einem Raum voller Menschen, die entscheiden, ob ich selbst die
nächsten Jahre meines Lebens in dieser Stadt verbringen werde oder nicht.
Aufregend, ja, aber auch ernüchternd – wo geht die Zeit hin? Ich versuche,
nicht daran zu denken. Mit Bruder im Gepäck mache ich mich auf zum Backstage,
Open Air Kino. Heute mal mit der S-Bahn, nach 18 Uhr darf ich ja. Bruder muss
zahlen, ha! Es läuft eine Doku über Kurt Cobain, über Leben und Aufstieg des
blonden Engels. Das Ende kennen alle. Ich überhöre mehr als einmal:  „Mann, so lange ist das schon her? Wo geht
die Zeit hin?“ – manche Dinge ändern sich eben nicht.  
 

Samstag morgen: Cobain ist tot, ich wache auf – immer noch begeistert. Open Air Kino, hat
irgendwas von alten US-Filmen. Popcorn und Techtelmechtel im Autokino. Der
Trend kommt auch wieder zurück, keine Sorge. Bis dahin denke ich kurz wieder an
die Uni, diesmal nicht an die Vergangenheit. Wie die meisten sozial- und
geisteswissenschaftlichen Studenten muss ich noch hausarbeiten. Das Verb
gefällt mir. Darf man ja heutzutage, neue Wörter erfinden. Vielleicht kommt so
mal das Jugendwort des Jahres dabei heraus. Wie gutenbergen, oder merkeln. Ich
plane natürlich weder Plagiatsverbrechen noch will ich heute einfach nichts
tun. So denke ich großphilosophisch darüber nach, wie ich mein Gewissen
überreden kann, mich morgen erst mit Hannah Arendt zu beschäftigen. Vor lauter
Gedanken fahre ich bei der Radlnacht mit dem Strom Richtung Hauptbahnhof,
stolpere ins Kong, besser gesagt, man zerrt mich hinein. Hodini is back in
town
, so lautet das Motto. Soll bekannt sein in der Szene – ich denk mir meins,
aber lass mich darauf ein. Ein letztes Mal mit allen feiern, bevor sich die
Einzelteile der Gruppe in ihre respektiven Heimatdörfer verabschieden –
Wanderstudenten auf dem Weg in die Sommerpause.

In meinen – so red ich mir ein – bereits ewigen Studienjahren habe ich mich
nie an sie gewöhnt, die elektronische Musik, den ständigen Begleiter von
Sonnenstraße über Sonntagsgefühl bis hin auf die Sommerwiese. Am Sonntag dröhnt es mir
immer noch in den Ohren von gestern, aber es hilft ja nichts. Ich rolle mit der
Welle, schwappe zur Infanteriestraße, nah am Olympiapark. Auf der Sommerwiese
wird entspannt, getanzt, gesonnt und, nein, nicht gebadet. Die Entspannung ist trotzdem
auf den Gesichtern sichtbar, egal ob sonnencremeweiß oder britische Röte. Noch
hat die Musik mich nicht in ihren Bann gezogen, ein Bier, zwei vielleicht, dann
wird das schon. Karodecken werden ausgerollt, ich nehme ganz ungeniert Platz
und döse so langsam ab. Kann ja auch beruhigend wirken, so Dance Music, Baby.
Der Samstag holt mich ein, ich drifte ab in die Welt der Träume – unz, unz,
unz…

Montag? Montag. Ich stehe auf, sehr früh, Waschmaschine an, heute wird ein
guter Tag – ich lege mich wieder hin. Ich habe mich überschätzt. Kommt vor, aber
kein Problem. Ein weiser Mann hat mal gesagt, die Definition von Glück sei es,
keine Termine zu haben, dafür aber leicht einen sitzen. Das Wetter schreit nach
Terrasse, nach rumsitzen, nach Zeitung lesen. Oder mit der Zeitung Luft
zufächern, jedem das seine. Ich entscheide mich für den Hinterhof der
Glockenbachwerkstatt. Wie sooft in der Glocke wird es bald auch musikalisch.
Streets of Minga, so heißt das Album von Meanders, irisch-brasilianische
Singer-Songwriterin. „Come on and be part of this“, singt sie – gerne doch, sie
spricht mich ganz klar persönlich an. Bald habe ich dann auch leicht einen
sitzen, drunk on love, wahrscheinlich.

Nach einem Wochenende Elektro hat mir der Genrewechsel gestern gut getan. Am Dienstag schreien Kopf
und Körper nach mehr, und ich bin gewillt, der Versuchung nachzugeben.
Dafür muss ich aber eine – für München-Verhältnisse – weite Reise auf mich
nehmen. Wie Bilbo Baggins packe ich nur das Nützlichste in einen Beutel und
mache mich auf ins Abenteuer. Nur wenige Tage nach meinem Ausflug in die Nähe
des Olympiaparks muss ich es heute schaffen, die Grenze ins Hügelparadies zu
überqueren. An Loth- und Infanteriestraße vorbeigehuscht, lasse ich die
Schwere-Reiter-Straße schneller hinter mir als ein (gedopter) Radprofi und
schon bin ich am Olympiastation. Zum ersten Mal in diesem Sommer schaffe ich es
zum Theatron. Zu Gast im kleinen Amphi am See sind heute The Moonband, Folkmusiker
aus München. Die Klänge klingen über die Wasseroberfläche, langsam versammeln
sich die Menschen rund um die Bühne und schaukeln mit. Ich drifte ab, zurück in
die Welt der Träume – kein unz, unz, unz…

Es gibt ja diese Menschen, die ganz große Fans von Sternen sind. Eigentlich von allem, was man vor allem nachts und mit Teleskop sieht. Klingt so, also würde ich von Spannern reden, jetzt wo ich so darüber nachdenke. Jedenfalls überzeugen diese Menschen mich regelmäßig von der Schönheit des großen Nichts über uns, seien es Planeten oder Sterne oder ein Käfer, der sich auf die Linse des Fernglases verirrt hat. Ich lasse mich am Mittwoch Abend wieder entführen, in die
weite, schwarze Ferne – heute ist Sternschnuppennacht. Warmer, klarer Himmel –
wenn die SWM jetzt noch den Hebel von der Stromversorgung umlegt, wird es noch
romantischer. Den großen Wagen erkenne ich, einige andere Sterngebilde werden
mir beigebracht, und irgendwo meine ich, ET gesehen zu haben. Und dann, die
erste Sternschnuppe. Noch eine. Da, wieder – ich vergesse vor Begeisterung, mir
etwas zu wünschen. Aber dafür habe ich jetzt drei Wünsche auf Lager… verrate ich aber nicht!

Okay, ich verrate einen, den kleinsten Wunsch der letzten Nacht – ich
wünschte, an der Isar gäbe es Sandstrand! Meilenweit, weiß wie kolumbianischer
Schnee und so fein, dass er noch Wochen später zwischen den Arschbacken
hervorrieselt – ja, das wär doch was. Die wenigen sandigen Meter an der
Wittelsbacher Brücke sind wirklich toll, versteht mich nicht falsch, nur liegen
da um 6 Uhr morgens schon Handtücher zum reservieren. Mensch! Alles Aufregen
hat keinen Sinn, ob Mallorca oder Balkonia, die Touristen sind doch alle
gleich. Trotzdem sehne ich mich auf einmal nach Sand zwischen den Zehen (und
Pobacken). Also radle ich am Donnerstag zum Deutschen Museum, installiere mich am
Zweitlieblingsbrunnen der Münchner – und genieße den Kulturstrand. Die Jason
Serious
Band spielt heute Abend ganz ernste Musik, nehme ich mal an. Ist
übrigens einer der Hauptgründe, warum Menschen eine Band gründen – der Name.
Sandy Sandman kommt mir spontan in den Kopf als alter ego – gebt mir Pick-Up
Truck und Zahnstocher, Kid Country zieht nach Nashville.

Meine utopischen Musikerträume verwerfend steig ich am Freitag zum Start des
Wochenendes erstmal unter die Dusche. Es rieselt, immer noch. Zeigt aber
Wirkung. Genauso wie wenn man nach zwei Wochen Urlaub erst den sonnigen Süden
vermisst, nach der sechsten Staubsaug-Session wegen Strandgut im Schlafzimmer
dann doch froh ist, wieder in der Realität gelandet zu sein. Ich erinnere mich
auf einmal, an Verpflichtungen, an Rechnungen, an Deadlines. Und dann wieder an
meinen Studienbeginn – la Brohème hat die Zusage der Uni bekommen. Ich erinnere
mich an den Tag, als der Postbote mit meiner ankam. Wäre ich hergezogen, wenn
man mich damals mit viel Elektro und wenig Sand gelockt hätte? Blöde Frage,
natürlich wär ich das. Und ich habe es nie bereut – bestes Beispiel: Wo ging
die Zeit hin? Ich weiß es nicht so wirklich, und das kann nur bedeuten, dass
irgendwie, irgendwo immer was los war. Außer heute. Heute mach ich nichts. Ich
kratze mir ein paar Sandkörner aus dem Ohr, und leg mich drauf.

Matthias Kirsch


Foto: privat

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Matthias

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Eigentlich ist Matthias gestresst, weil: Klausurenzeit. Das schöne Wetter und seine Operation “Morgenstund’ hat Gold im Mund” lassen ihn allerdings trotzdem immer wieder Lernpausen einlegen. Vom Tollwood und dem

Stadt-Land-Rock-Festival

treibt es ihn ins

Attentat zum Griechischen Samstag. Er schreckt auch nicht vor etwas härterer Kost zurück, denn auf der Studiobühne wird eine Inszenierung von Ernst Jüngers “Stahlgewittern” gezeigt. Seine Woche endet an der Isar, nach einem Besuch der Vernissage der Fakultät für Design der Hochschule in München.

Eigentlich sollte ich mich nicht aufregen. Es ist ja nun wirklich normal,
dass das Wetter schön wird, das Sommertollwood startet und die Sommerfeste
steigen sobald ich mitten in der Klausurphase bin. Soweit also nichts Neues.
Für diesen Sommer habe ich mir aber etwas überlegt – morgens lernen, mittags so
tun als ob, und die warmen Sommerabende ohne Lernstress genießen. Operation
„Morgenstund hat Gold im Mund“ ist positiv gestartet. Deshalb kann ich mir
am Freitag erlauben, in den Olympiapark zum zweiten Abend vom
Stadt-Land-Rock-Festival
zu fahren. Vier junge Bands treten heute auf, ich freu
mich besonders auf die Birdwatchers – ein gemütlicher Abend mit
Indie-Folk-Klängen.

Am Samstag wird es wieder richtig warm und sonnig – ein Grund mehr, ab 15
Uhr die Bibliothek zu verlassen. Hätte ich aber sowieso getan, ich muss nämlich
heute an zwei Orten vorbeischauen. Die Radltour zum MMA – und zum Flohmarkt,
der diesmal auch Streetfoodmarkt ist – bezahle ich teuer mit einem Sonnenbrand
im Nacken. Macht aber nichts – vielleicht find ich einen schicken Schal für
meine sensible Haut, oder ein bisschen Sonnencrème… Nach Sonnenuntergang
flitzen mein Studentenferrari und ich den Giesinger Berg hoch und machen einen
Abstecher beim Sommerfest im Attentat Griechischer Salat. Dort wurde mir nämlich
neben gutem Wein und leckerem Essen auch eine Zaubershow versprochen – und so
was lass ich mir nicht entgehen.

Mit Sonnenbrand und leichtem Kater beschäftige ich mich am Sonntag seit 9 Uhr mit den
verschiedenen Konzepten von Europäisierung – ich komm nicht wirklich voran. Da
bin ich selber schuld, ist mir bewusst. Also muss ich mir einen Ruck geben –
die Wissenschaft geht heute vor. Ich fühl mich fast intellektuell. Es bleibt
aber heute nicht bei dem einen Ruck – die Wäsche muss gemacht werden, und
staubsaugen sollte ich eh regelmäßiger. Aber welcher Student kennt das nicht?
Steht eine Klausur an, ist die Wohnung plötzlich blitzeblank. Ich bin mit mir
zufrieden. Tatort und Weißbier zum Abschluss? Don’t judge me, ich setz mich
aufs Sofa.

Nach meinem semi-produktiven Ruhetag gestern, bin ich am Montag wieder voll bei Kräften. Die dicke Wolkendecke tut mir auch gut, so verpasse
ich wenigstens nichts. Aber das lala-Wetter passt auch ganz gut, denn mein
Abendprogramm führt mich zum Salon Irkutsk nach Schwabing. Hier spielt heute
der Musiker Tobias Tzschaschel, den man vor allem als Macher der Hauskonzerte
kennt. Jetzt kommt erstmals sein Soloprogramm – „poetische Sprache,
zwischenmenschliche Beziehungen erforschen, Gefühlsausbrüche zulassen und unter
die Elefantenhaut wollen“. Ich bin gespannt.

Operation Morgenstund’ ist nach wie vor ein Riesenerfolg – ich feiere mich
mittlerweile öffentlich als Revoluzzer der modernen Lernphase. Ich befürchte
leider, dass ich am Dienstag außerhalb der Bib mehr lernen werde als drinnen. Nicht
dass ich am Eisbach besondere Geistesblitze hätte, schön wäre es. Nein, heute
steht Kultur auf dem Programm, und zwar harte Kost. Auf der Studiobühne führt
Jan Stuckmeier bei seinem Stück „Vulgär-Heroismus. Denk ich an Jünger in der
Nacht“
Regie – unter dem Motto Theater tut weh! Die jungen Schauspieler
verarbeiten die erste Fassung von Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ als Vorlage
einer heroischen Utopie. Meine bisherigen Abende bei der Studiobühne waren
stets ein Feuerwerk aus viel Genie und sehr viel Wahnsinn – wie gesagt, Theater
tut weh.

Der große Tag ist da. Am Mittwoch muss ich beweisen, dass meine militärische
Lerntaktik Früchte trägt. Mit Jünger im Kopf und Europa im Herzen – dass ich
den Satz mal von mir gebe – schreite ich zur Uni und verteidige die EU vor dem
Demokratiedefizit…oder klage ich sie an? Scheiße! Letzter Blick in den
Ordner, und ab ins rhetorische Stahlgewitter. Ich hab ein gutes Gefühl – ich
hab vorerst meine Freiheit wieder! Die Sonne ist auch wieder da, sodass das
Abendprogramm steht. Badehose und Mitbewohner sind bereit, wir fahren zum
Beachvolleyball. Nach zwei Stunden Klausur und zwei Stunden Sport bin ich
physisch und mental durch – Dusche, Weißbier, Bett, ich bin dann mal weg.

Am Donnerstag entscheide ich mich dafür, meine Nebenfachklausuren unter einer anderen
Operation anzugehen. Der Kommandostab ruft Operation „Hahnenschrei“ ins Leben –
und ich denke die erste Stunde in der Bib darüber nach, wann ich das letzte Mal
einen Hahn habe schreien hören. Hält mich nicht davon ab, in der Mensa das
Hühnchengeschnetzelte zu essen. Die letzten Lernstunden sind hart, weil ich
mich auf den Abend so richtig freue. Lange ist es her, aber um 20 Uhr fahre ich
mal wieder nach Thalkirchen in den Sendlinger Bunker. Zwei lokale Indie-Bands
geben ihr bestes heute Abend. The Tonecooks und Matthew Austin versprühen
Charme im Bunker – und nach den Konzerten geht es solange, bis alle müde sind.

„Woche ist um, aufstehen du fauler Hund“, schreit der Hahn. Netter Kerl –
ich überdenke die Entscheidungen des vorigen Tages noch mal. Freitag ist ja
immer ein schwieriger Lerntag, für mich zumindest. Wenn ich bis 12 Uhr
produktiv bin, nenne ich das einen Tagessieg. Danach brauchen Körper und Geist
eine kleine Abkühlung – kopfüber in Isar, München du bist so wunderbar. Gegen
Abend mache ich mich auf den Weg in die Lothstraße 64, wo die Designstudenten
der Hochschule München ihre Abschlussarbeiten präsentieren. Ab 19 Uhr steigt
die Vernissage, aber auch das restliche Wochenende kann man Arbeiten aus Foto-,
Industrie- und Kommunikationsdesign bewundern. Zwischenfachlicher Austausch zum
Start des Wochenendes – nach der Vernissage geht es für mich zurück an die
Isar. München, du bist so wunderbar.

Matthias Kirsch

Foto: Oliver Schank

Geflasht

Chris Buchbinder und Nono Adjamgba haben einen Schuh mit Blinksohle entwickelt. Sänger Cro soll interessiert sein. Und jetzt hat sich auch der Styling-Berater von Justin Bieber in München gemeldet

Man sieht Chris Buchbinder und Nono Adjamgba an, dass ausgefallene Mode zu ihnen passt. Irgendwo zwischen Hip-Hop und Hipster kombinieren die beiden 27-Jährigen College-Jacke und Hut, Hemd und Sneaker. Der Weg zum Label war nach einer gemeinsamen Ausbildung zum Fahrzeuglackierer nicht unbedingt vorgezeichnet – und auch der Erfolg, der sich gerade anbahnt, überrascht. Überrascht? Das ist untertrieben. Es kann einen schon ein wenig aus der Fassung bringen, wenn ein kanadischer Popstar mit knapp 13 Millionen verkauften Platten und 72 Millionen Facebook-Fans Schuhe aus München tragen will. Doch der Reihe nach.

2006 haben sich Chris und Nono bei ihrer Ausbildung kennengelernt, dann trennten sich ihre Wege für einige Zeit. Nono ging zur Bundeswehr, Chris machte erste Erfahrungen an einer Modeschule. Als sie sich Jahre später wiedersehen, schlägt Chris die Idee für das Modelabel Dito vor. „Ich habe ihn damals ausgelacht“, erzählt Nono und grinst, „aber ich war auch schon immer begeistert von Kleidung.“ Im April 2014 ging es los – Chris hat sich um die Designs und Schnitte gekümmert, während Nono den Online-Shop und das Marketing übernommen hat.

Biebers Stylist Ryan Good
schlägt ein Foto-Shooting
für das „Billboard Magazine“ vor

Eigentlich wollten sie mit Dito vor allem T-Shirts, Jacken und Mützen produzieren. Aber die Kleidungskollektion steht derzeit etwas im Hintergrund – alles wegen „B. Allen“, das ist der Name vom aktuellen Verkaufsschlager von Dito. Den leuchtenden Schuh haben Chris und Nono nach dem Comic-Charakter Barry Allen benannt, der als „Flash“ den Kampf gegen das Verbrechen aufnimmt. „Der Schuh war eine Idee, um unser Angebot breiter zu gestalten“, erklärt Chris. „Dass die Sohle blinkt, sieht einfach geil aus und hat nostalgischen Charakter – früher gab es Kinderschuhe, die an der Ferse geblinkt haben und die keiner haben durfte. Heute produzieren wir die Schuhe einfach selbst.“

Was als kleines Projekt gedacht war, ist jetzt die Hauptaufgabe der Dito-Gründer. Ein Leuchtschuh fällt eben auf. Über Abraham Duke, Künstlername MacDuke, dem Filmproduzenten von Cro, sei, so sagen sie, der Kontakt zum Rapper entstanden. „Dann gingen die Bestellungen schon schnell in die Höhe“, sagt Nono und fängt an zu schmunzeln, „aber da wussten wir noch nicht, was uns erwartet.“ MacDuke streitet jedoch ab, Teil des Höhenflugs zu sein: „Die Jungs haben mir versprochen, den Schuh zuzuschicken, auch weil sie wissen, dass ich mit Cro zusammenarbeite. Ich habe leider nie was bekommen.“

Trotzdem wurde man auch außerhalb Deutschlands auf den Schuh aufmerksam. Chris fängt an zu erzählen, man merkt beiden die Begeisterung an: „Vor einigen Wochen bekam ich spät am Abend eine Mail – vom Stylisten von Justin Bieber. Er hatte unseren Schuh gesehen und will Justin gerne damit ausstatten.“

Über Fotos auf Instagram und Modeblogs wie Marc Medusa haben die Schuhe immer mehr Aufmerksamkeit bekommen – „so hat sie dann auch der Mitarbeiter von Justin Bieber entdeckt,“ sagt Chris und zeigt die E-Mail von Ryan Good, Stylist und bis vor kurzem Fashion-Coach des kanadischen Popstars. „Please forward me to the person who handles men’s press“, schreibt Good in der E-Mail, und erklärt im folgenden Satz: „Would like to use your LED sneakers for an editorial shoot with Billboard Magazine.“ Doch damit nicht genug. In Kopie ging die Mail auch gleich an JP Robinson, zuletzt Artdirector der Plattenfirma Def Jam Recordings. „Robinson hat dann prompt vorgeschlagen, Justin könnte die LED-Schuhe doch bei einem Fotoshooting für ein Cover der Zeitschrift tragen“, erzählt Chris.

Sollte dieses Projekt Realität werden, stehen Chris und Nino vor einer riesigen Herausforderung. Chris betont, wie wichtig es ist, das Wachstum des Labels selber steuern zu können. „Wir wollen die Entscheidung treffen, wie schnell es mit Dito weitergeht. Aktuell können wir das noch, zum Beispiel, wie viele Paar Schuhe wir herstellen lassen.“ Trägt ein Prominenter wie Justin Bieber den Schuh, dann werden die Bestellungen enorm in die Höhe schnellen. „Wir sind uns bewusst, dass eine solche Entwicklung sich nicht mehr steuern lässt“, stellt Nono fest, „und wir haben enormen Respekt vor der Aufgabe, die da potenziell auf uns zukommt. Aber wir haben keine Angst.“
 Beide sind sehr ernst, wenn sie über die Zukunft reden. „Wir müssen uns auf alles vorbereiten, egal ob wir 500 oder 5000 Bestellungen bekommen. Aber wir sind intern sehr stark, wir haben die gleichen Interessen und Ziele für das Label“, sagt Chris. Nono nickt zustimmend.

Diese Größenordnung ist von äußerster Wichtigkeit. Die erste Schuhbestellung beinhaltete vier Paar. Mittlerweile lässt Dito fast 500 Paar im Monat produzieren, 119 Euro kostet der Sneaker. Sollten diese Zahlen rapide ansteigen, haben sowohl Dito als auch ihre Produzenten in Peru und China ein Problem – beide haben eingeschränkte Kapazitäten. „Wir sind aktuell kein Mainstream-Label. Wir können nicht alle bedienen, aber wir wollen auch nicht alle bedienen“, erklärt Chris.

Dem Status und der Aufmerksamkeit, die der Schuh ihnen momentan beschert, sind die beiden trotzdem nicht abgeneigt. Für die Zukunft von Dito kann diese Möglichkeit entscheidend sein. Das Fotoshooting mit Justin Bieber ist für den Sommer geplant. Wenn es denn wirklich klappt. Chris und Nino und alle Beteiligten verfolgen jetzt gespannt, ob der Schuh im Billboard Magazine landet. Die Ruhe können sie jetzt nicht genießen, dafür gibt es zu viel Arbeit.

Matthias Kirsch

Foto: Alexander Gorodnyi