Musikalisch und modebewusst

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Wir porträtieren an dieser Stelle bis zur Vernissage alle 20
mitwirkenden KünstlerInnen unserer Ausstellung
“10 im Quadrat Reloaded”
 im Farbenladen – mal Fotograf, mal
Modell. Heute: Musiker Matija Kovac.

Gesang, Blockflöte, Gitarre, Bass und Synthesizer – das
alles beherrscht Matija Kovac, geboren 1995, gut. Doch die Blockflöte spielt
Matija am liebsten und am längsten – seit 16 Jahren. Weil er die Musik, die man
mit ihr machen kann, so sehr liebt, studiert er Blockflöte an der
Musikhochschule. In Matts Leben dreht sich alles um die Musik, schließlich
verdient er auch sein Geld damit. Er singt und spielt Blockflöte in der
Indie-Pop-Band Matija und in der
Alternative-Pop-Band Aggressive Swans.

Seine größte Inspirationsquelle ist David Bowie. Nicht nur wegen
dessen Musik und seiner Persönlichkeit, sondern auch weil Bowies Erscheinung
Matija inspiriert und er ihn als Modefigur gut fand. Für Matija ist es wichtig,
wie Musiker angezogen sind. „Es ist schön,
Audio und Visuelles zu verbinden“, sagt er.

Gerade befindet Matija sich im Schreibprozess, denn es ist
ein neues Album geplant – aber nicht nur das, auch eine größere Deutschlandtour
steht bevor. Bei Matija ist immer viel los. Deswegen findet er es wichtig,
einen Ausgleich zu finden – wie Konzertbesuche, Reisen, Spazierengehen oder in
einem Café zu sitzen, etwas zu lesen, einen Kaffee zu trinken und dabei
Zigaretten zu rauchen. „Ich muss auch mal eine Woche nur was für mich machen
und alles hinten anstellen“, sagt Matija.


Text: Lena Schnelle

Foto: Eva-Marlene Etzel

Magische Momente, authentische Auftritte

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Welche Musiker fallen in München auf? Jeden Montag stellen wir auf der Junge-Leute-Seite die „Band der Woche” vor. Zehn Bands, die in den vergangenen Monaten von sich reden machten, stehen nun zur Wahl für die „Band des Jahres” – ein Überblick:

Für Pop aus München sind wir regelmäßig unterwegs: Wir schauen bei den Konzertbühnen dieser Stadt vorbei. Wir besuchen Proberäume und durchkämmen das Internet. Von daher wissen wir meist, welche Bands in München auffallen und von welchen Bands man in Zukunft hören wird – nachzulesen jeden Montag in unserer Rubrik „Band der Woche“. Ende des Jahres gehen wir einen Schritt weiter. Wir haben zehn Bands, die uns in diesem Jahr aufgefallen sind, ausgewählt für die Wahl zur „Band des Jahres“. Die Facebook-Abstimmung läuft bis Ende Januar. Hier die zehn Bands im Überblick:

Matija
Indie-Pop

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Das Gefühl kennen die Musiker noch aus ihrer Anfangszeit, als sie sich noch The Capitols nannten: Die Stimmung im Münchner Club Strom kocht, junge Frauen stehen in der vordersten Reihe und schmachten den Frontmann an, der sich betont cool inszeniert; der Traum von präpotenten Jungs. Neu ist: Sänger Matija, nach dem jetzt die Band benannt ist, wird gerade auf den Armen der Fans durch die Halle getragen. Matija wird als das nächste große Münchner Indie-Ding gehandelt. Die Songs haben Hit-Potenzial, poppige Melodien treffen auf einprägsame Gitarrenriffs – die Fanliebe scheint nicht zu erlöschen.
Foto: Rue Novelle


Klimt
Soul-Pop / Singer-Songwriter

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„Um sich weiterzuentwickeln, muss man manchmal allein sein.“ Das sagt Verena Lederer, Sängerin von The New Colossus, die man mittlerweile viel häufiger mit ihrem Soloprojekt Klimt auf Münchens Bühnen bestaunen kann. Melancholische Melodien am Klavier treffen auf eine soulige Stimme, verraucht und auch ein bisschen verrucht, brechend, aber dennoch immer sicher. Um sich weiterzuentwickeln, muss man auch Risiken in Kauf nehmen. Dieses Jahr hat die 25-Jährige ihre Festanstellung als Beauty-Redakteurin gekündigt, um Musik zu studieren. Foto: Ar Hart

King Pigeon
Indie-Pop

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Das Atomic Café gibt es nicht mehr. Das ist schade. Aber immer wieder tauchen junge Musiker auf den Münchner Bühnen auf, die in dem ehemaligen Britpop-Club ihre musikalische Unschuld verloren haben und dort mit der Musik sozialisiert wurden, die sie heute selbst spielen. Bei King Pigeon heißt das: treibendes Schlagzeug samt Bass, funkig-kratzige Gitarrenriffs, ein etwas aufgerauter Grundklang, melodiöser Gesang und vor allem live viel Druck und Energie. Dazu erzählen die Musiker etwas vertrackte Liebesgeschichten. Wie damals im Atomic Café – nur hier von Dauer. Und das ist gut so. Foto: Sebastian Menacher

Ni Sala
Bluesrock

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Auf einmal steht die Welt Kopf. Auf dem Boden sind ein Schlagzeug, der Bass, die E-Gitarren zu sehen, an der Decke hängen auf diesem Bandfoto die Musiker. Oder anders herum. Eine Täuschung, und das passt sehr gut zu Robert Salagean. Vor noch gar nicht so langer Zeit wollte er weg aus München, weg aus dem spießigen Deutschland mit all seinen Verpflichtungen. Längst ist er wieder zurück – mit neuer Musik und seiner neuen Band Ni Sala, die diese Stadt um einiges spannender macht: Post-Weltenbummler-Bluesrock mit ausladenden Hippie-Phrasen und fetten Gitarren-Riffs. Foto: Luis Zeno Kuhn

Liann
Singer-Songwriter

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Kilian Unger ist alles, nur kein Punkrocker. Als Singer-Songwriter nennt er sich Liann, er singt deutschsprachige Lieder, einfache, aber poetische Texte über sein Viertel, seine Freunde, seine Kindheit, seine Kneipen. Sein Auftreten, seine Texte, seine Musik – all das macht Liann zu einer Figur, die nicht unnahbar erscheint. Ein bisschen holt er so eine nostalgische Schlager-Ästhetik in den Indie-Lifestyle. Authentisch könnte man das aber auch nennen – ein Wert, für den Plattenfirmen viel Geld ausgeben, eine Ausstrahlung, die man zum Glück nicht kaufen kann. Mit seinem Lied „Eismann“ hat er zum Beispiel das Herz von Sportfreunde Stiller-Manager Marc Liebscher berührt, es folgten Auftritte im Vorprogramm der Sportfreunde und der Rapperin Fiva. Aber auch sein Auftritt beim Festival „Sound Of Munich Now“ war umjubelt – auch von Tobias, Gitarrist der Punkrock-Band Todeskommando Atomsturm. An sich höre er nur Punkrock, sagt der, aber die Musik von Liann, „die hat mich berührt“. Foto: Victoria Schmidt

Beta
Hip-Hop

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Weg vom Wilde-Kerle-Image, raus aus der Komfortzone. Als nach dem dritten Album – der Debüt-Platte bei Sony – die Karrierechancen von Exclusive eher als gering eingeschätzt wurden, starteten Schlagzeuger Christian Rehländer und Bassist Markus Sebastian Harbauer mit der herrlich störrischen Hip-Hop-Band Beta. Eine Bandbesetzung aus Gitarre, Bass, Elektronik und Schlagzeug trifft dabei auf den Aggro-Berlin-sozialisierten Rapper Sebastian Grünwald. Funk-Licks, dröhnende Elektro-Bässe und Gitarren-Soli sind genauso Teil des Konzepts wie Raps und die dem Hip-Hop so eigene Überheblichkeit: „Ich hab’ lieber kein Style als Dein’ Style“, lautet die erste Punchline, mit der das Quartett aufbricht und die konsensverwöhnte Münchner Szene ein bisschen aufwirbelt. Das macht in erster Linie großen Spaß und kann erfolgreich werden – im kommenden Jahr gehört die Aufmerksamkeit trotzdem wieder Exclusive, die jetzt doch eine weitere Platte bei dem Major-Label veröffentlichen. Foto: privat

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Eliza
Alternative-Pop

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Feen-Pop mit sphärischen Klängen. Melancholischer Alternative, märchenhaft und düster, laut und leise, süß und sauer. Die Musik von Eliza verbindet Elemente, die auf den ersten Eindruck nicht zusammenpassen – und doch öffnet sich mit jedem Song eine gewisse Magie, vorausgesetzt, man lässt sich darauf ein. Im Mittelpunkt steht Sängerin Elisa Teschner. Auf einem der Bandfotos steht die Sängerin in schwarz-rotem Spitzen-Outfit vor einem See, gesäumt von Tannen und einem etwas verhangenen Himmel – „Game of Thrones“ lässt grüßen. Dieses groß angelegte Fantasy-Reich findet sich auch in der Musik – und muss jetzt noch den Weg aus dem Labyrinth finden. Dafür setzt die Musikerin auf Neuausrichtung: In der zweiten Jahreshälfte 2017 wurden der Produzent und Musiker ausgetauscht, die Musik klingt nun elektronischer. Dementsprechend wird sich 2018 auch abseits der Musik einiges ändern. Es soll einen neuen Look geben, verspricht Elisa. Und auch der Bandname wird sich verändern, Eliza heißt dann were here. Foto: Conny Mirbach

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Paul Kowol
Singer-Songwriter

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Die Namensänderung ist noch nicht vollzogen. Aber da sich neben Gerald Huber (Cat Sun Flower, Triska) nun auch Sportfreunde-Manager Marc Liebscher um die Zukunft von Singer-Songwriter Paul Kowol kümmert, wird das nicht mehr lange dauern. Liebscher ist ein Freund prägnanter Bandnamen, so wurde aus Spunk später die erfolgreiche Formation Fertig, Los!, und aus der List-Nachfolgeband die Combo 50/50. Das ist alleine schon deswegen erwähnenswert, weil sich Paul Kowol als Künstler schon einprägen soll, wenn seine Songs im Radio gespielt werden – und das wird wohl in nicht allzu später Zukunft passieren. Paul Kowol umgarnt mit klassischen Popsongs und überbordenden Liebesliedern sein Publikum. Der Grat ist schmal, auf dem er sich bewegt, er macht Mainstream-Musik, die auch nichts anderes als das sein will. Doch sein musikalisches Niveau ist hoch. Er lässt seinen Gesang vom Singen ins Erzählen kippen, so etwas kann man nicht trainieren, so etwas kann man nicht lernen. Das ist ein Grundgespür, das hoch begehrt ist. Zuletzt kamen immer wieder Produzenten für ein paar Tage in einen Münchner Vorort, um mit Paul an Songs zu arbeiten, um Songs aufzunehmen. Bald soll es an die Öffentlichkeit gehen. Der zuletzt favorisierte Bandname: Paul. Einfach und prägnant. Foto: Walter Hämmerle

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Swango
Hip-Hop

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Es lässt sich jetzt nicht überprüfen, aber vielleicht ist Swango in China die erfolgreichste Münchner Band – zumindest, was die Anzahl der verbreiteten Videos betrifft. Und das kam so: Die drei Musiker von Swango spielten diesen Jahr beim Festival „Sound Of Munich Now“. Die Besucher lauschten dem mitreißenden Hip-Hop der Band und wunderten sich, woher der Beat kommt. Links auf der Bühne stand Skill-Gott Heron, ein Stepptänzer und in diesem Fall ein menschlicher Beat-Generator. Das hat man in München zuvor nicht gesehen, ebenso wenig die Gäste aus Hongkong – erstmals spielten internationale Bands bei diesem Festival. Die holten bereits beim Soundcheck ihre Kameras hervor und drehten Videos von den Rap-Stücken mit der Stepp-Einlage, die vielleicht seitdem in China viral gehen. Aber Swango ist mehr als eine musikalische Zirkusnummer. Mänekin Peace, englischer Muttersprachler, ist einer der besten Rapper Münchens, flankiert durch Akustikgitarre und Stepp-Beats kommt sein Ausnahmetalent umso mehr zur Geltung. Foto: David Weichelt

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Chaem
Art-Pop

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Zwischen diesen beiden Momenten liegt fast ein Jahr: Im Januar stand die Musikerin Chaem auf der Bühne im Muffatwerk, sprang als Sängerin von Flor and the Sea barfuß über die Bühne, eine Pop-Elfe. Nun, im Dezember ihr erster Auftritt mit ihrem Soloprojekt. Nein, sie steht in ihrem roten Kleid nicht starr auf der Bühne – sehr präsent ist sie, aber bei weiten nicht mehr so ausgelassen wie früher. Das liegt auch an ihrer Musik, die man derart vertrackt und gleichzeitig modern selten in München erlebt. Ihr Elektro-Pop ist versponnen, unter vereinzelte Klavier-Klänge legt sie Beats. Keine schnellen Beats. Vielmehr zähmt Chaem die Drum ’n’ Bass-Beats und fügt sie ganz zärtlich zu den harmonisch suchenden Akkord-Welten hinzu. Und auch ihren Up-Tempo-Song „Carrousel“ bremst sie. Die Ausgelassenheit wird nur angedeutet, aber am Ende bleibt die Melancholie. Foto: Christin Büttner

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Text: Rita Argauer und Michael Bremmer

Band der Woche: Kytes

Im Sommer haben die Kytes mit ihrem eingängigen Indie-Pop die Bühnen der Republik gestürmt, derzeit ziehen sie sich auf eine Hütte zurück, um trotz des öffentlichen Drucks ihren eigenen Sound finden zu können

Es ist erstaunlich, wie sehr Werbung, Kreativität, Wirtschaft und Musik mittlerweile verknüpft sind. Vor gar nicht langer Zeit existierten da noch harte Trennlinien. Ein bisschen lassen sich diese Pole in der Indie-Musik anhand der Werbung eines großen Handyanbieters nachzeichnen. 2001 schon benutzte diese Handyfirma einen Song der Alternative-Indie-Band The Dandy Warhols in einer Werbung. Eigentlich war der Song „Bohemian like you“ bereits ein Jahr zuvor erschienen, der Erfolg durch diesen Clip war jedoch so groß für die Band, dass sie die Single im Anschluss daran noch einmal neu veröffentlichten, damit in die Charts einstiegen und den Anfang der Mainstream-Karriere des vormals alternativen Musikstils Indie-Rock einleiteten.

Seitdem sucht diese Handyfirma im Besonderen und die Werbung im Allgemeinen die Nähe zu dem alternativen Lifestyle, der eben über die vergangenen 15 Jahre zum standardisierten Way-of-Life der Millennials wurde. Auf die Musik hat das natürlich enorme Auswirkungen. Es ist keine Anti-Haltung zum Mainstream mehr, eine Indie-Band zu gründen; ganz im Gegenteil. Man sieht das auch im Handywerbungsvergleich: Während The Notwist noch aus einer alternativen Anti-Haltung heraus einst die Anfrage dieses Telefonkonzerns um ihren ja thematisch durchaus passenden Song „Pick up the phone“ ablehnten, ist die Werbeverwertung der Musik heute fast eine Auszeichnung. 

Etwa bei der erfolgreichen Münchner Indie-Band Kytes. In deren aktuellem Biografie-Text wird stolz darauf verwiesen, dass ihr Song „On the Run“ half, „schätzungsweise 100 Millionen Call-Ya-Tarife“ zu verkaufen. Den Erlös, den das Münchner Quartett dafür bekam, nutzte es jedoch, um ihr Debüt-Album „Heads and Tales“ aufzunehmen und zu produzieren. Und die Musiker kauften sich dafür einen Band-Bus. Und beides brauchte es auch, um an diesen doch vergleichsweise überragenden Punkt zu kommen, den die Band in knapp zwei Jahren nun erreicht hat: das professionelle Musiker-Dasein, das gerade in der Auszeichnung des New-Music-Awards in Berlin gipfelte. Einer Auszeichnung der bundesweiten jungen Radio-Programme der ARD, die 2013 etwa die Münchner Band Exclusive bekam. Bei denen stand Major-Deal und Professionalisierung zu der Zeit dann auch nichts mehr im Weg. Ähnlich ist das bei den Kytes: In den vergangenen eineinhalb Jahren haben sie bundesweit mehr als 100 Konzerte gespielt, auf Festivals, unter anderem dem „South by Southwest“ in Texas überzeugt und im September das Debüt-Album veröffentlicht, das ihren eingängigen Indie-Pop noch mehr Menschen zugänglich machte. „Erfolg ist für uns, wenn wir immer einen Schritt weiter gehen können“, erklären sie, „wenn wir durch unsere Musik mehr Menschen erreichen, größere Shows spielen und einfach Zeit zum Musik machen finden.“ 

Und da klingt das Quartett, das seine Karriere vor zwei Jahren nach ersten Erfahrungen in der Schülerband Blind Freddy noch einmal völlig neu aufsetzte, dann trotz der kommerziellen Ausrichtung wieder ein wenig idealistisch. Denn Erfolg sei für sie auch die Zeit, in der sie sich einsam auf abgelegene Hütten zurückziehen könnten, um dort an neuen Songs zu arbeiten, in der Hoffnung, dass da eventuell vielleicht sogar eine neue EP herausspringe. In einer Hütte in Mittenwald sind sie gerade, mit Musikern der Band Claire, um dort neue Wege auszuprobieren. „Viel Musik ohne Druck machen und einfach spielen, spielen, spielen,“ erklären sie. Es könnte sein, dass die Musik dabei etwas roher und dreckiger werde, festlegen wollen sie sich aber noch nicht. Und ein wenig haben sie etwas erreicht, was nicht viele junge Bands derzeit haben: Ohne finanziellen Druck Musik zu machen. Heutzutage geht das wohl nicht mehr ohne Zugeständnisse an die Industrie.  

Stil: Indie-Pop

Besetzung: Michael Spieler (Gitarre, Gesang), Timophy Lush (Schlagzeug, Texte), Kerim Öke (Gitarre, Keyboards), Thomas Sedlacek (Bass, Synthesizer)

Aus: München

Seit: 2013

Internet: www.kytesmusic.com

Text: Rita Argauer

Foto: Christoph Schaller

Band der Woche: DEMO

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Eduard Demaceks Soloprojekt nennt er selbstbewusst DEMO. Dahinter steckt detailreiche Präzisionsarbeit. Zusammen mit Gastmusikern wie Stefan Zinsbacher am Piano und der Sängerin Kathleen Arnal nun elf Songs für seine erstes Album “This is for you” aufgenommen – zu hören ist sie bislang nur online.

In prä-digitalen Zeiten haftete dem Demo im musikalischen Kontext etwas Mystisches an. Denn Demos waren die geheimen Aufnahmen von Bands, die vor den eigentlichen Album-Aufnahmen entstanden sind und in denen – oft in mieser Qualität – die vermeintliche Essenz eines Songs, die dieser in überproduzierter Form auf dem Album verloren hatte, spürbar war. Es gab regelrechte Serien von sogenannten Bootleg-CDs, auf denen diese Demos auf unergründlichen Wegen zusammengeklaubt worden waren. In Schatzsucher-Manier konnte man die dann in seltsamen Eigenpressungen auf Flohmärkten entdecken. Ob sie dann hörbar waren, war eine andere Frage. Doch der mystische Rahmen der Demos reizte auch die Künstler selbst. So gab es auch immer wieder offizielle Veröffentlichungen von Demo-Versionen. Als B-Seite zur Single des Songs. Oder auf großartigen Alben als Demo-Sammlungen, die in abgewracktem, dumpfem und wunderbar nahbarem Klang als künstlerische Rebellion gegen die Industrie daher kamen. Mit der Veröffentlichung von Musik im Internet sowie den deutlich besseren Home-Recording-Möglichkeiten verloren Demos ihre Mystik und ein wenig auch ihren Sinn.

Der Wahlmünchner Eduard Demacek begibt sich also in einen popkulturelles Sagenfeld des rebellierenden Understatements, wenn er sein Solo-Projekt Demo nennt. Doch so unfertig und skizzenhaft, wie der Name vermuten lässt, ist diese Musik überhaupt nicht. Vielmehr hat der gebürtige US-Amerikaner, der die Münchner Szene zuvor etwa ein Jahr lang mit seinem Kumpanen Alex Strazdins als Cisnes leuchten ließ, ein reifes Album geschrieben. Unter dem Namen „This is for you“ hat er es bisher ausschließlich im Internet veröffentlicht. Doch die Musik geht auf überraschende Weise weit über die Attitüde hinaus, mal kurz seine Skizzen im Internet hochzuladen und so zu tun, als sei die hingeworfene Produktionsweise etwas, auf das die Welt gewartet habe.

Eduards Musik ist völlig anders: Denn es steckt detailreiche Präzisionsarbeit darin. Hektische Beats, die an Animal Collective erinnern, treffen auf Eduards Gesang und Gitarrenspiel. Elf Songs sind es geworden, bei denen Gäste wie der Münchner Stefan Zinsbacher am Piano oder die US-amerikanische Sängerin Kathleen Arnal auftauchen. Da passt auch Eduards Erklärung für seinen ungewöhnlichen Bandnamen: Das sei sein Spitzname zu Highschool-Zeiten gewesen – und zwar, weil er beim Skateboard-Fahren die Tricks eben so ausgesprochen gut demonstriert hätte.

In München arbeitet Eduard mittlerweile als Zahntechniker. Und dass seine Musik so durchdacht und gereift klingt, könnte auch mit seinen Erfahrungen in den vergangenen Jahren zusammen hängen. Mit Alex Strazdins gründete er 2011 das Lo-Fi-Duo Fjords, das die beiden später in Cisnes umbenannten und mit dem sie mit Ukulele und Tropen-Beats seltsam verschrobenen und etwas dumpfen Dream-Pop schufen. Weil das ziemlich angesagt war zu der Zeit, machte Eduard dann mit dem Ende seiner Ausbildung erst einmal nur Musik, es schien ganz gut zu laufen. Doch als sein Bandkollege Alex schließlich nach Berlin zog, wurde es Eduard zu unstet. Er begann in seinem Job zu arbeiten und schrieb nebenbei an seinem Album. Über ein Jahr hinweg nahm er verschiedenen Spuren auf. Schließlich entstand Musik, die popmusikalische Trends kennt, aber verbindlicher und etwas ernster klingt als das, was er mit Cisnes gemacht hat. Die haben sich im übrigen auch nicht aufgelöst. „Cisnes ruhen nur gerade“, erklärt er. Und so lange kümmere er sich um Demo.  

Stil: Indie-Pop
Besetzung: Eduard Demacek (Produktion, Songwriting)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: eddemo.bandcamp.com

Foto: Max Walker

Von: Rita Argauer

Sally Rides (Indie-Pop / Riot Grrrl)

Jahr: 2014, Woche: 50

Sally macht riot? Ihre Band Sally Rides haben Maria Cincotta, Barbara Langsdorf und Julie Kopec bei einem Riot-Grrrl-Rock-Camp gegründet. Bis nach Odessa hat es sie schon verschlagen – allen politischen Wirren in der Ukraine zum Trotz.

Maria Cincotta kennt die Ursprünge. Immerhin lebte die US-Amerikanerin einige Jahre in Portland in Oregon, dieser Stadt im Nordwesten der USA, die mit Sleater-Kinney eine der bekanntesten Bands aus dem Riot-Grrrl- und Post-Grunge-Umfeld hervorbrachte. Ladyfeste und Rock-Camps für Mädchen, all diese Veranstaltungen, in denen es um die Ermächtigung und den Platz von Frauen im von Männern dominierten Rockzirkus geht, hat sie dort kennengelernt. Seit ein paar Jahren lebt sie in München und bringt auch hier immer wieder diese Subkultur zum Ausdruck, die in Deutschland weit weniger präsent ist. Mit Sally Rides (Foto: Bethel Fath) hat sie nun schon die zweite Band in München gegründet, die sich musikalisch in diesem künstlerischen Umfeld bewegt.

Kunst und Politik hängen dabei unweigerlich zusammen. Die Ur-Riot-Grrrl-Band Bikini Kill etwa entstand aus einem Fanzine heraus, und in Portland fand das erste Rock-Camp für Mädchen statt; Maria war damals daran beteiligt und brachte die Idee mit nach Deutschland. Und bei einem dieser Münchner Rock-Camps ist auch ihre neue Band Sally Rides entstanden. Eigentlich sollen dort ja die Teilnehmerinnen als Band-Formationen herausgehen; Sally Rides ist jedoch die Band dreier Dozentinnen geworden, die diese Musik zwischen poppig-hymnischen Melodien, politischen Texten und schrammeliger Rockästhetik sehr originalgetreu auferstehen lassen. Während sich Marias andere Münchner Band, das Duo Elcasette, zuletzt mehr in Richtung Elektropop bewegt hatte, macht sie nun mit Barbara Langsdorf am Bass und der Schlagzeugerin Julie Kopec wieder analoge Rockmusik: Rumpelnd und charmant, aufbegehrend und dennoch zugänglich.

Dass eine derartige Ästhetik von Interesse ist und weltweit, wenn auch in kleinen Formen, stattfindet, zeigt der jüngste Ausflug von Sally Rides. Kurz nach der Gründung im vergangenen Sommer wurden sie – durch das Netzwerk „Munich-Kiev-Queer“ – zu einem Auftritt bei der Ausstellungseröffnung der Münchner Künstlerin Naomi Lawrence nach Odessa eingeladen. Mitten in den politischen Wirren der Ukraine flogen sie dorthin, um einen Musik-Workshop für Mädchen zu geben und ein Konzert zu spielen. Und mit der gleichen Unmittelbarkeit und der Imperfektion, bei der der Ausdruck wichtiger ist als technisches Können, arbeiten sie nun an ihrem ersten Album. Eine Tour soll im kommenden Jahr folgen – und wenn möglich bis in Marias Heimat führen. Rita Argauer

Stil: Indie-Pop / Riot Grrrl
Besetzung: Maria Cincotta (Gitarre, Gesang), Barbara Langsdorf (Bass), Julie Kopec (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2014
Internet: www.sallyrides.de

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.

The Living (Indie-Pop)

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Jahr: 2014, Woche: 31

Zwei Geschwisterpärchen und Gitarrist Simon Holzinger erste Single “Love is Soul” ist glatter mitreißender Folk-Rock. Gerade mit der Schule fertig und Anfang zwanzig: Die Mitglieder von The Living wirken auf den ersten Blick ganz schön brav. Ihre Musik und ihr Auftreten erstaunlich professionell. 

Zuerst einmal wirken The Living ganz schön brav. Gerade mit der Schule fertig und um die 20 Jahre alt, stellt sich die Münchner Band in schönstem, fast akzentfreien Englisch in einem Internet-Video vor: Sie würden ihre eigenen Songs schreiben und wollen ihrem Publikum etwas mitgeben. Süße, poppige Melodien und bloß keine störenden Klänge ergibt diese Musik, bei der sich die Band wünscht, dass ihre Hörer möglichst viele Bezugspunkte dazu finden.

Ähnlich menschlich und bodenständig zeigt sich die Band in den sozialen Netzwerken, empfiehlt ihre liebsten Lebensmittelgeschäfte auf Facebook und gibt in einem Video-Tagebuch Einblick in den Aufnahmeprozess ihre ersten Mini-Albums, an dem sie gerade arbeiten. Doch andererseits wirken die Musik und das Auftreten der jungen Band erstaunlich professionell. Die erste selbstproduzierte Single „Love is Soul“ ist glatter und mitreißender Folk-Rock, die Stimme von Sänger und Gitarrist Karlo Röding ist auf die genau richtige Art sehnsuchtsvoll-schmachtend in der Mitte und rau-kratzend in den Höhen, das sich langsam aufbauende Arrangement des Songs ist wohl durchdacht.

Vor eineinhalb Jahren gründete sich das Quintett um die Geschwister-PaareKatharina und Johannes Würzberg, sowie Karlo und Kathrin Röding. Einzig der zweite Gitarrist Simon Holzinger macht ohne familiäre Verwicklungen mit. Doch eine zweite Kelly Family wird das dennoch nicht werden.

Zum Glück ist die Musik dafür zu zurückhaltend und zu wenig kitschig. Das zeigt sich, wenn etwa der Song „Let Me“ auf einem lieblichen Gitarren-Picking aufbaut, aber nicht in einen harmonisch wechselnden Refrain aufbricht. Sondern die einzelnen Strophen, die durch geschicktes Hinzufügen einer zweiten Stimme, sanften Klavierakkorden und Bass wie Percussion die Musik langsam steigernd zum leuchten bringen.

In diesem Jahr konnten sie sich in das Finale des Sprungbrett-Wettbewerbes spielen, was ihnen den bisher größten Auftritt ihrer Karriere einbringt. Mitte August werden sie die große Bühne des Theatron-Festivals im Olympiapark bespielen. Und beim Final-Konzert dieses Wettbewerbs erlaubte sich das Quintett auch musikalisch einen Ausreißer: Ein Live-Video zu „Head over Heels“ zeigt ein euphorisch hüpfendes Publikum, während die Band dazu einen lauten und psychedelischen Rocksong spielt.

Stil: Indie-Pop
Besetzung
: Katrin Röding: Schlagzeug, Background-Gesang, Katharina Würzberg: Keyboard, Klavier, Synthesizer, Simon Holzinger: Gitarre, Background-Gesang, Johannes Würzberg: Bass, Karlo Röding: Gesang, Gitarre
Aus: München
Seit: 2013
Internet: www.facebook.com/TheLivingOfficial

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Rita Argauer ist die Musik-Expertin der Junge-Leute-Seite. Sie ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Münchner Bands und deswegen in den Clubs dieser Stadt unterwegs. Sie kennt die Szene auch von der anderen Seite: Sie singt und spielt Keyboard in der Band Candelilla.