Cloutboi Juli und Pink Stan / Foto: Tolga Bölükbasi
von Tolga Bölükbasi

Band der Woche: Cloutboi Juli und Pink Stan

Cloutboi Juli und Pink Stan machen Songs über Vitamintabletten, Tiefkühlpizzen und Waveboards. Und so verschieden wie die Themen der Songs, so verschieden sind auch die Musikrichtungen, die in den Songs vereint werden. Das können Elemente sein, die an die Anfangszeit des Grunge erinnern, aber auch Cloudrap oder Trapbeats. Weiterlesen „Band der Woche: Cloutboi Juli und Pink Stan“

Band der Woche: Call it a Wasteland

image

Call it a Wasteland hat „nie versucht, nach einer Band zu klingen oder in eine Musikrichtung zu passen“.
Ihr harter Musikstil passt zu ihren emotionalen Themen: Verlust, Hass und Schmerz.

Orakel zu sein, ist heute keine Kunst mehr. Zumindest nicht, wenn das Orakel die Pop-Trends der kommende Jahre voraussagen soll. Denn mittlerweile funktioniert die Erschaffung einer Pop-Gegenwart mittels der Ästhetik der Vergangenheit überraschend verlässlich. Vor ein paar Jahren, auf dem Höhepunkt des Achtzigerjahre-Revivals, äußerten ein paar kühne Kulturpessimisten, dass nicht etwa im Anschluss wieder irgendjemand nach einer neuen Ästhetik forschen würde, sondern dass – schön chronologisch die Vergangenheit abschreitend – schon bald die Neunzigerjahre zurück in die Zukunft kehren werden. Die Modewelt war dann anschließend mal wieder der Pionier, der Baby-Doll-Kleidchen, Karohemden und Doc-Martens-Schuhe zurück an den modernen Großstadt-Menschen heftete. Und nun taucht nach und nach der passende Soundtrack zur Neunzigerjahre-Retrotopie auf: Gitarrenfokussiert und authentizitätsverliebt klingen derzeit einige Bands, was unter diesem Aspekt ein wenig paradox erscheint, weil die große Wut der Grunge-Bands ja gerade deshalb so authentisch wirkte, weil sie nach einem Jahrzehnt popmusikalischer Reduktion mittels Künstlichkeit überraschte. Aber eine gewisse Wut und Wucht kann man auch wieder ganz gut brauchen. Inwiefern die ein authentischer Ausdruck einer im Ganzen derzeit recht braven Jugend ist, sei mal dahingestellt.

Lieber hört man die Münchner Band Call it a Wasteland. Da tönt schon der Name, dass man hier nicht gedenkt, sich mit hübsch-braver Indie-Musik auszuruhen. Dementsprechend brechen die Gitarren im ersten Track der im Oktober veröffentlichten Debüt-EP des Trios mit unverhohlenen Metal-Anleihen herein. Denn das muss man sich bei aller Zerbrechlichkeit, die etwa die Musik von Nirvana trotz der Wucht hatte, bewusst machen: Grunge und Alternative setzen sich im Prinzip aus Hardrock, Metal und Punk zusammen. Und Call it a Wasteland setzen genau da an. Auf den für die Trio-Besetzung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug erstaunlich dichten Sound singt die Gitarristin Tooney Pham mal entspannt und mit warmen Timbre, mal hymnisch und zweistimmig mit dem Bassisten Johannes Rest und mal drängend und brechend an der Grenze zum Schreien. Das erinnert an Bands wie Veruca Salt oder Soundgarden. Und vielleicht auch an Queen Adreena, allerdings waren die exzessiver.

Doch die drei Musiker von Call it a Wasteland, die jetzt alle Mitte 20 sind, wurden gerade geboren, als der Grunge seine Hochphase hatte. Und das ist vermutlich der Grund, warum die Musik von Call it a Wasteland nicht nach einer vergangenheitsbesoffenen Cover-Band klingt. „Wir haben nie versucht, nach einer Band zu klingen oder in eine Musikrichtung zu passen“, erklären sie. Sie haben sich über einen Facebook-Post von Tooney gefunden, als sich deren vorherige Band aufgelöst hatte. Der härtere Musikstil ergibt sich auch aus dem Themenspektrum, das sie kreativ bearbeiten: „Die Songs kreisen hauptsächlich auf emotionaler Ebene um Dinge wie Verlust, Hass, Schmerz und eine Fuck-You-Attitüde.“ Und in manchen Stücken ihrer EP „Neurocytes Collide“ gelingt es ihnen herrlich, sich aus bisweilen etwas vorhersehbaren Strukturen zu lösen und ganz anhand der von ihnen gesetzten Themen zu musizieren. Etwa im Song „Ghosts“, dessen Gitarrenlinien zu Beginn ein wenig in die Indie-Ecke kippen, der sich aber dann in einer ewigen Steigerung zu einem spukenden Geisterstück aufschwingt. In Tooneys Stimme ist dann ein Streben zu hören, von dem man mehr hören will. Jetzt planen sie erst einmal Konzerte zu spielen, etwa am Donnerstag, 4. Januar, mit weiteren Rumpel-Gitarren-Bands im Münchner Club Rumours. 

Stil: Grunge/Alternative
Besetzung: Tooney Pham (Gesang, Gitarre), Johannes Rest (Bass, Gesang), Julian Heller (Schlagzeug)
Aus: München
Seit: 2015
Internet: www.callitawasteland.bandcamp.com

Text: Rita Argauer


Foto: Benedikt Rest

Band der Woche: Manatees Fight Club

Manatees Fight Club hat sich sowohl dem Grunge als auch dem Indie verschrieben. In ihren Songs mischen sie soziale Themen mit surrealen Szenen, denn “der Spaß sollte bei der Musik nie fehlen und ein bisschen Selbstironie hat noch keiner Band geschadet”.

Dass Popmusik richtig lustig wird, ist selten. Außer im Hip-Hop, der es durch seine bisweilen sowieso recht theatrale Form ermöglicht, dass die Musiker auf der Bühne zu Kunstfiguren werden. Im Indie-Rock hingegen ist Humor, vor allem einer, der sich auch einmal gegen den Künstler selbst richtet, eher schwierig. Denn Indie möchte den Hörer berühren, ihn mitnehmen, sein Seelenleben durchrütteln. Dass einem Künstler, der sich selbst nicht ernst nimmt, so etwas gelingt, ist außergewöhnlich. Doch im Grunge gab es Anfang der Neunzigerjahre Bands, denen das gelang. Etwa Nirvanas wesentlich unbekanntere Zeit- und Stilgenossen Mudhoney oder die Supersuckers schafften es, sich selbst auf die Schippe zu nehmen und dabei gleichzeitig zu vermitteln, dass sie es mit ihrer Musik durchaus ernst meinen.

Nun ist in München eine Band aufgetaucht, die als Selbstbeschreibung einen Text aus dem Kindler Tier-Lexikon wählt: „Manatees (zu deutsch Manatis) sind Säugetiere und gehören zu den Seekühen. Sie sind sehr friedliche, neugierige und zutrauliche Tiere. Ihr Leben besteht aus Essen, Schlafen und mit Artgenossen Schmusen“, schreibt die Band Manatees Fight Club auf ihrer Homepage. Doch Kuschelrock hat hier keiner zu erwarten, denn folglich seien diese süßen Seekühe für die fünf Musiker die richtigen Lebewesen, die sie in die Kampfarena illegaler Tierkämpfe schicken würden. Zumindest mit ihrem Bandnamen und dem Bandlogo, in dem eben jene Tiere in blutrot gefärbtem Wasser zum Zweikampf antreten.

Willkommen in dem schrägen Universum, in dem sich das Quintett stilistisch positioniert. Sänger Michael Seitz und Gitarrist Felix Weißl sind für die Texte verantwortlich. Soziale Themen wie Straßenarmut oder Depression mischen sie mit absurden Songideen und surrealen Szenen: „Der Spaß sollte bei der Musik nie fehlen und ein bisschen Selbstironie hat noch keiner Band geschadet“, erklären sie. Doch wenn man das dann als eine Mischung aus Grunge und den Libertines musikalisch vorgetragen hört, zeigt sich die Kehrseite: Schwere und verlangsamte Gitarrenriffs treffen auf tief-röhrenden Gesang, Moll-Harmonik und Mitteilungsbedürfnis brechen sich an zur Schau gestellter Slacker-Attitüde und einer zelebrierten Outsider-Rolle. Die Musik von Manatees Fight Club schwingt permanent zwischen Würde und Loser-Einstellung. Das führt zu einer Ironie, die der von Becks Slacker-Hymne „Loser“ sehr viel näher ist, als den ironischen Distanzierungen, die die Popwelt von 2000 an erfuhr.

Drei Songs haben Manatees Fight Club, die sich Anfang 2017 in ihrer jetzigen Besetzung zusammenfanden, bislang aufgenommen. Die Musik ist präsent und drückend produziert. Derzeit suchen sie ein Label und planen, ein Album aufzunehmen. Doch neben dieser klassischen Herangehensweise drückt auch da wieder dieser spezielle Humor aus postpubertärem Jungswitz und einer wohltuenden Verweigerungshaltung durch: „When you go out, don’t be yourself“ singen sie und schreiben Nirvanas Wunsch „Come as you are, as you were, as I want you to be“ weiter. Dabei halten sie sich nicht mit Kleinigkeiten auf, sondern veröffentlichen ein Manatees Fight Club Memory-Spiel zum Ausdrucken, das sie mit einer ähnlichen Vehemenz bewerben wie ihre Musik.

Stil: Grunge/Indie
Besetzung: Michael Scheitz (Gesang), Johannes Knebl (Lead-Gitarre), Felix Weißl (Rhythmus-Gitarre), Martin Berger (Bass), Bernhard Geiger (Schlagzeug)
Aus: München/Altötting
Seit: 2017

Text: Rita Argauer

Foto: Michael Scheitz