Von Freitag bis Freitag München – mit Friederike

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Friederike trotzt dem November, der sich langsam doch dazu entschieden hat, sein goldenes Herbstlicht in nebliges Grau zu verwandeln. Eine dickere Jacke anzuziehen, daran muss sie sich aber erst gewöhnen. Aber bei einer Woche prall gefüllt mit Flohmarkt, Weihnachtsbasar, Lesung, Kunst und Party kann man schon mal vergessen, dass ein dünnes T-shirt nicht mehr ausreicht.

Eigentlich hatte ich mich gerade ziemlich gut mit der Tatsache arrangiert, dass der November ein Sabbatical einlegen wollte. Jeden Tag diese wunderschönen 7-Uhr-Sonnenaufgänge und ständig sommerliche Temperaturen. Ich möchte weiter Bärlauch essen und Pilze sammeln. Und im T-Shirt aus dem Club nach Hause gehen. Doch nun hisst der Sommer schließlich doch sehr bestimmt die Segel und macht den nassgrauen Novembertagen Platz. Um da heile rauszukommen, plane ich mir eine schöne Woche und trotze damit dem Grau.

Ich fange gleich heute damit an. Es ist Freitag und im Audimax der TU findet die alljährliche, immer gut besuchte Geographenparty statt. Die Preise sind niedrig und die Party wild. DJ XX legt sehr tanzbaren Sound auf und ich packe mir eine Winterjacke für den Rückweg ein.

Am Samstag merke ich, dass meine Jacke zu dünn war. Ein verkaterter Tag eignet sich wunderbar zum Stöbern und Schlendern. Der Gute Nacht Flohmarkt im Backstage findet ab 17:00 Uhr statt und bietet neben privaten Ständen Streetfood-Produkte an, die meinen Heißhunger auf Fettiges und Würziges mit Sicherheit stillen werden.
Gestärkt radle ich dann ins Lost Weekend. Ein hippes Studentencafé in der Schellingsstraße. Das lädt unter dem Titel FLUCHT zu einer arabisch-deutschen Lesenacht ein. Es gibt Musik und Texte aus beiden Welten von Wajiha Said, Ramo Ali und Nora Schüssler und Das Ding ausm Sumpf.
Aber das ist noch nicht alles an diesem Samstag: Bevor ich – mit neuer Jacke – wohlig warm nach Hause fahre, mache ich noch einen Abstecher auf den Giesinger Berg und feiere das 10-jährige Jubiläum von Giesinger Bräu.
Und dann wäre da noch die Eröffnung vom Bahnwärter auf dem Abrissgelände des Schlachthofs. Musik liefert DJ Max Mausser von YumYum und Biedermann&Brandstifter. Alles ist ein bisschen provisorisch. Das ist Aktivismus pur und viel frische Luft. Wenn mir jetzt nicht klar wird, dass ein T-Shirt allein zu dünn ist, weiß ich es auch nicht mehr.

Sonntag empfehle ich möglichst viele Sonnenstrahlen einzufangen, Ordnung auf dem Schreibtisch zu machen, in meinem Fall Arabisch Hausaufgaben anzufangen und abends den Tatort zu schauen. Wie immer! Wie immer, schön gediegen. Gute Begleitung für den Sonntag bietet übrigens Ella Josaline, eine der derzeit größten Münchner Musikhoffnungen.

Am Montag schaue ich im Lyrikkabinett vorbei. Dort werden Fluchtgeschichten vorgelesen, die zuvor gemeinsam mit Münchner Autorinnen und Autoren und Geflüchteten aufgezeichnet wurden. Im Anschluss haben wir die Möglichkeit mit den hier Angekommenen ins Gespräch zu kommen.

Umstimmung statt Stillstand: Ich lasse ein bisschen Weihnachten in meine Seele. Das Wintertollwood auf der Theresienwiese öffnet am Dienstag wieder seine Tore. Diesjähriges Motto ist „Na sauber“, alles rund um den Müll. Find ich gut. Da gibt’s doch sicher ein paar recycelte Handschuhe für mich, langsam wird’s beim Radeln nämlich ungemütlich. Danach treffe ich die Organisatoren von BreakOut, einer Veranstaltung, bei der für den guten Zweck getrampt und mit jedem Kilometer Geld gespendet wird. Ich war diesen Sommer selbst begeisterte Teilnehmerin und habe mit meiner Freundin Stefi auf dem Weg nach Schweden beinahe 10.000 Euro gesammelt. Im Juni 2016 ist die nächste Chance zur Teilnahme!

Am Mittwoch wird ab ab 20 Uhr im Rationaltheater Stadt, Land, Fluss gespielt. Als Geographin muss ich das natürlich selbst ausprobieren!

Mein Donnerstag beginnt auf einer Ausstellung in den stillgelegten Waschräumen auf dem ehemaligen Gelände der Luitpoldkaserne. Hier zeigen 16 junge Künstlerinnen und Künstler unter dem Titel M O O S ihre Werke, kuratiert von der wals.gallery. Weiter geht es im Cord: Ein letztes Mal Indielektro, ein letztes Mal mit T-Shirt vor der Tür! TIGERKID und Monaco Fiasco werden nochmal ordentlich einheizen, meine neue Jacke ist wohl trotzdem nicht verkehrt.

Am Freitag bin ich schon fast in November – und Weihnachtsstimmung. Der Märchenbazar im Schlachthof wird mir letzte Zweifel nehmen. Mit alten Jahrmarktbauten und viel Glühwein. Er öffnet unter der Woche immer um 16 Uhr, am Wochenende schon morgens. Da gibt es dann auch Weißwurstfrühstück!

Umstimmung ist gut, Novemberblues mit akuter Lesen-im-Bett-Sucht muss nicht mehr sein. Deshalb werde ich mich am Freitagabend erneut unter Leute mischen, auf einer Geburtstagparty, mit Glühwein und neuer Mütze, aber im T-Shirt auf dem Balkon stehen und durch graue Schleierwolken nach den Sternen suchen – ach, du hässlicher November, ein Sabbatjahr hätte dir so gut zu Gesicht gestanden. Ich hatte mich fast in deine Sonnenaufgänge verliebt.  

Von Freitag bis Freitag München: Unterwegs mit Matthias

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Eigentlich ist Matthias gestresst, weil: Klausurenzeit. Das schöne Wetter und seine Operation “Morgenstund’ hat Gold im Mund” lassen ihn allerdings trotzdem immer wieder Lernpausen einlegen. Vom Tollwood und dem

Stadt-Land-Rock-Festival

treibt es ihn ins

Attentat zum Griechischen Samstag. Er schreckt auch nicht vor etwas härterer Kost zurück, denn auf der Studiobühne wird eine Inszenierung von Ernst Jüngers “Stahlgewittern” gezeigt. Seine Woche endet an der Isar, nach einem Besuch der Vernissage der Fakultät für Design der Hochschule in München.

Eigentlich sollte ich mich nicht aufregen. Es ist ja nun wirklich normal,
dass das Wetter schön wird, das Sommertollwood startet und die Sommerfeste
steigen sobald ich mitten in der Klausurphase bin. Soweit also nichts Neues.
Für diesen Sommer habe ich mir aber etwas überlegt – morgens lernen, mittags so
tun als ob, und die warmen Sommerabende ohne Lernstress genießen. Operation
„Morgenstund hat Gold im Mund“ ist positiv gestartet. Deshalb kann ich mir
am Freitag erlauben, in den Olympiapark zum zweiten Abend vom
Stadt-Land-Rock-Festival
zu fahren. Vier junge Bands treten heute auf, ich freu
mich besonders auf die Birdwatchers – ein gemütlicher Abend mit
Indie-Folk-Klängen.

Am Samstag wird es wieder richtig warm und sonnig – ein Grund mehr, ab 15
Uhr die Bibliothek zu verlassen. Hätte ich aber sowieso getan, ich muss nämlich
heute an zwei Orten vorbeischauen. Die Radltour zum MMA – und zum Flohmarkt,
der diesmal auch Streetfoodmarkt ist – bezahle ich teuer mit einem Sonnenbrand
im Nacken. Macht aber nichts – vielleicht find ich einen schicken Schal für
meine sensible Haut, oder ein bisschen Sonnencrème… Nach Sonnenuntergang
flitzen mein Studentenferrari und ich den Giesinger Berg hoch und machen einen
Abstecher beim Sommerfest im Attentat Griechischer Salat. Dort wurde mir nämlich
neben gutem Wein und leckerem Essen auch eine Zaubershow versprochen – und so
was lass ich mir nicht entgehen.

Mit Sonnenbrand und leichtem Kater beschäftige ich mich am Sonntag seit 9 Uhr mit den
verschiedenen Konzepten von Europäisierung – ich komm nicht wirklich voran. Da
bin ich selber schuld, ist mir bewusst. Also muss ich mir einen Ruck geben –
die Wissenschaft geht heute vor. Ich fühl mich fast intellektuell. Es bleibt
aber heute nicht bei dem einen Ruck – die Wäsche muss gemacht werden, und
staubsaugen sollte ich eh regelmäßiger. Aber welcher Student kennt das nicht?
Steht eine Klausur an, ist die Wohnung plötzlich blitzeblank. Ich bin mit mir
zufrieden. Tatort und Weißbier zum Abschluss? Don’t judge me, ich setz mich
aufs Sofa.

Nach meinem semi-produktiven Ruhetag gestern, bin ich am Montag wieder voll bei Kräften. Die dicke Wolkendecke tut mir auch gut, so verpasse
ich wenigstens nichts. Aber das lala-Wetter passt auch ganz gut, denn mein
Abendprogramm führt mich zum Salon Irkutsk nach Schwabing. Hier spielt heute
der Musiker Tobias Tzschaschel, den man vor allem als Macher der Hauskonzerte
kennt. Jetzt kommt erstmals sein Soloprogramm – „poetische Sprache,
zwischenmenschliche Beziehungen erforschen, Gefühlsausbrüche zulassen und unter
die Elefantenhaut wollen“. Ich bin gespannt.

Operation Morgenstund’ ist nach wie vor ein Riesenerfolg – ich feiere mich
mittlerweile öffentlich als Revoluzzer der modernen Lernphase. Ich befürchte
leider, dass ich am Dienstag außerhalb der Bib mehr lernen werde als drinnen. Nicht
dass ich am Eisbach besondere Geistesblitze hätte, schön wäre es. Nein, heute
steht Kultur auf dem Programm, und zwar harte Kost. Auf der Studiobühne führt
Jan Stuckmeier bei seinem Stück „Vulgär-Heroismus. Denk ich an Jünger in der
Nacht“
Regie – unter dem Motto Theater tut weh! Die jungen Schauspieler
verarbeiten die erste Fassung von Ernst Jüngers „In Stahlgewittern“ als Vorlage
einer heroischen Utopie. Meine bisherigen Abende bei der Studiobühne waren
stets ein Feuerwerk aus viel Genie und sehr viel Wahnsinn – wie gesagt, Theater
tut weh.

Der große Tag ist da. Am Mittwoch muss ich beweisen, dass meine militärische
Lerntaktik Früchte trägt. Mit Jünger im Kopf und Europa im Herzen – dass ich
den Satz mal von mir gebe – schreite ich zur Uni und verteidige die EU vor dem
Demokratiedefizit…oder klage ich sie an? Scheiße! Letzter Blick in den
Ordner, und ab ins rhetorische Stahlgewitter. Ich hab ein gutes Gefühl – ich
hab vorerst meine Freiheit wieder! Die Sonne ist auch wieder da, sodass das
Abendprogramm steht. Badehose und Mitbewohner sind bereit, wir fahren zum
Beachvolleyball. Nach zwei Stunden Klausur und zwei Stunden Sport bin ich
physisch und mental durch – Dusche, Weißbier, Bett, ich bin dann mal weg.

Am Donnerstag entscheide ich mich dafür, meine Nebenfachklausuren unter einer anderen
Operation anzugehen. Der Kommandostab ruft Operation „Hahnenschrei“ ins Leben –
und ich denke die erste Stunde in der Bib darüber nach, wann ich das letzte Mal
einen Hahn habe schreien hören. Hält mich nicht davon ab, in der Mensa das
Hühnchengeschnetzelte zu essen. Die letzten Lernstunden sind hart, weil ich
mich auf den Abend so richtig freue. Lange ist es her, aber um 20 Uhr fahre ich
mal wieder nach Thalkirchen in den Sendlinger Bunker. Zwei lokale Indie-Bands
geben ihr bestes heute Abend. The Tonecooks und Matthew Austin versprühen
Charme im Bunker – und nach den Konzerten geht es solange, bis alle müde sind.

„Woche ist um, aufstehen du fauler Hund“, schreit der Hahn. Netter Kerl –
ich überdenke die Entscheidungen des vorigen Tages noch mal. Freitag ist ja
immer ein schwieriger Lerntag, für mich zumindest. Wenn ich bis 12 Uhr
produktiv bin, nenne ich das einen Tagessieg. Danach brauchen Körper und Geist
eine kleine Abkühlung – kopfüber in Isar, München du bist so wunderbar. Gegen
Abend mache ich mich auf den Weg in die Lothstraße 64, wo die Designstudenten
der Hochschule München ihre Abschlussarbeiten präsentieren. Ab 19 Uhr steigt
die Vernissage, aber auch das restliche Wochenende kann man Arbeiten aus Foto-,
Industrie- und Kommunikationsdesign bewundern. Zwischenfachlicher Austausch zum
Start des Wochenendes – nach der Vernissage geht es für mich zurück an die
Isar. München, du bist so wunderbar.

Matthias Kirsch

Foto: Oliver Schank

Electro aus der Hutschachtel

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In seinem Unternehmen verbindet Lukas Linner seine beiden Leidenschaften: Geschichte und Musik. Auf dem Flohmarkt kauft er historische Kisten und Koffer – in seiner Werkstatt verwandelt er sie in Soundsysteme.

Behutsam öffnet Lukas Linner (Foto: Monika Reitthaler) die hölzerne Truhe aus dem Zweiten Weltkrieg. Im Deckel kleben die Reste einer Gebrauchsanleitung in altdeutscher Schrift. Sie erklärt, wie der Benutzer die Gasmasken anzubringen hat. Im Innern der Truhe stößt man aber auf keine Gasmasken, sondern eingebaute Lautsprecher.
Elektronische Musik dröhnt daraus, der Bass lässt den Boden vibrieren. „Das ist
mein massivstes Stück“, sagt Lukas. Der 23-Jährige kauft alte Gegenstände vom
Flohmarkt oder Antikhändler und baut sie zu Soundsystemen um. Die
Gasmaskentruhe ist mit verschiedenen Lautsprechern, einem Verstärker und Akku
ausgestattet. Beliebig können Handys, Laptops oder MP3-Player angeschlossen und
Lieder abgespielt werden.

Mit seinem Ein-Mann-Unternehmen, das er Re-designed nennt,
verbindet Lukas seine beiden Leidenschaften: Geschichte und Musik. „Bei uns in
der WG sieht es aus wie im Museum“, sagt er. Lukas übertreibt nicht:
Kontrabässe, Gitarren, unzählige Truhen, Schachteln und Koffer häufen sich in
der Schwabinger Wohnung, in der er mit seiner Freundin und einer weiteren
Mitbewohnerin lebt. Zu fast jedem Gegenstand kann Lukas die passende Geschichte
erzählen. Von der Reisetruhe zum Beispiel, die noch aus Titanic-Zeiten stammen
soll. Oder der Gitarre eines ukrainischen Gitarrenbauers aus Odessa, er schätzt
ihr Alter auf mehr als 150 Jahre. „Ich möchte nutzlos scheinenden Dingen neues
Leben einhauchen, ihnen wieder einen Sinn geben“, sagt er.

Lukas trägt ein tief ausgeschnittenes Shirt und Jeans-Hemd,
die kurzen blonden Haare sind zur Seite gestylt. Bei gutem Wetter verbringt er
seine Wochenenden auf Flohmärkten, auch an diesem Samstag kehrt er mit voll
beladenem Auto zurück. „Eigentlich kann ich alle Dinge verwenden“, sagt er.
„Sie müssen nur alt und gebraucht sein.“ Von den Verkäufern lässt er sich über
die Geschichte seiner Neuanschaffungen aufklären, oder er recherchiert selbst.
Auch alten Akustikgitarren flößt Lukas mit Lautsprechersystemen neues Leben
ein, zusätzliche Informationen über das Instrument sucht er über die
Seriennummern im Internet.

„Ich versuche manchmal, Gegenstände an ihren Ursprungsort
zurückzuführen“, sagt er. Neulich habe er eine Gitarre von einem Flohmarkt im
bayerischen Chiemgau an ein Café in der Region verkaufen können. „Oft verliert
sich aber die Spur.“ Im Laufe der Zeit habe er ein Gefühl für Kostbares, Altes
bekommen. „Haben die Sachen Museumswert, baue ich sie nicht um.“ Lukas ist
fasziniert von dem Lebensweg, den die Gegenstände hinter sich haben. Da
verwundert es kaum, dass der 23-Jährige „nebenbei“ Geschichte studiert, wie er
sagt. „Ich mache das, weil es mich interessiert. Was ich später beruflich damit
anfange, weiß ich noch nicht.“ Bereits als Kind habe er Wert darauf gelegt,
dass Bücher auf realen Tatsachen beruhten, Fantasy-Romanen konnte er nie etwas
abgewinnen.

Einmal in der Woche fährt Lukas in die Werkstatt der
Familie in der Nähe von Landshut und baut dort seine Stücke zusammen. Er fräst,
sägt, schleift, meist die ganze Nacht. Dann setzt er die Elektroteile in
stählerne Ölkanister, Gitarren, Geigen- oder Kosmetikkoffer ein. Beigebracht
habe er sich das alles selbst, erzählt er mit seinem niederbayerischen Akzent.
„Die erste Gitarre ist noch explodiert, weil der Lautsprecher zu groß für das
dünne Holz war.“ In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat Lukas einiges
dazugelernt, „hauptsächlich durch Ausprobieren und Falschmachen“. Das technische
Wissen habe er sich angelesen oder Experten gefragt.

Für Andreas von Stosch, 21, hat Lukas eine alte Kiste vom
Flohmarkt zum Soundsystem umgebaut. Wenn Andreas unterwegs ist, hat er sie oft
dabei: „An der Isar, im Wald, auf der Straße: Ich transportiere die Anlage in
meinem Fahrradanhänger.“ Viele neidische Blicke habe er damit schon auf sich
gezogen. Andreas gefällt der Sound mehr als der von normalen Musikanlagen, wie
er sagt. Er erklärt: Da die Lautsprecher in einem eigenen Klangkörper eingebaut
sind, schwingt dieser automatisch mit. „Die Kiste selbst hört sich sehr gut an,
sie hat einen eigenen Sound“, sagt er. „Das Holz schnarrt und knarzt mit. Das
ist das Besondere.“ Andreas macht gerade eine Ausbildung zum Tontechniker. Für
seine „Schatztruhe“, wie er sie nennt, hat er knapp 200 Euro bezahlt.

Auch Lukas gibt seinen Stücken liebevoll Namen: Die
Gasmaskentruhe heißt wegen ihres massiven Sounds „Madame Bass“, eine
Hutschachtel mit Ledergürtel zum Umhängen „The Little Royal“. Lieblingsstück in
der WG von Lukas ist ein alter Kontrabass, der als Heimanlage umfunktioniert
wurde. „Davon würde ich mich nur ungern trennen“, sagt er. Auch seine erste
umgebaute Gitarre würde er nicht weggeben. Lukas hängt sehr an seinen Stücken:
„Es gibt Sachen, die wurden für den Verkauf hergestellt, aber jetzt kann ich
mich nicht mehr davon trennen.“ Erst kürzlich habe er schweren Herzens einen
Cello-Koffer an einen 73-jährigen Mann verkauft. Auf den Koffer hat Lukas
Familienfotos geklebt, die er von der Enkelin bekommen hatte.

Auf der Facebook-Seite von Re-designed hält Lukas
fotografisch die Geschichte seiner Stücke vom Erwerb über den Umbau bis zum
Verkauf fest. Der Besucher der Seite sieht den Cello-Koffer sogar in der
U-Bahn, auf dem Weg zu seinem neuen Besitzer – und schließlich in seinem neuen
Zuhause. „Wenn die Kunden die Stücke nicht wertschätzen, verzichte ich lieber
auf den Auftrag und das Geld“, sagt Lukas. Das sei bisher aber erst einmal
vorgekommen. Da musste er einen Club-Besitzer davon überzeugen, dass er dessen
Partyraum nicht mit seinen Heimanlagen ausstatten könne.

Lukas pflegt ein persönliches Verhältnis zu seinen Käufern:
„Oft schicken sie mir Fotos mit ihren Stücken.“ Besonders gerne erzählt er die
Geschichte von der Frau mit dem weißen Lederkoffer, einem Familienerbstück.
Lukas erinnert sich: „Schon als ich ihn gekauft habe, hatte ich das Gefühl,
dass sie sich nur schwer davon trennen konnte.“ Das war auf dem Flohmarkt in
Riem, Lukas hatte da bereits vier weitere Koffer unter dem Arm. Was er mit all den
Koffern vorhabe, wollte die Frau wissen. Er erzählte ihr von seinem Geschäft,
die beiden blieben in Kontakt und er schickte ihr regelmäßig Fotos von dem
Koffer aus der Werkstatt. Nach dem Umbau zur Musikanlage reiste die Frau aus
Burghausen nach München und kaufte den schicken Reisekoffer ihrer Großmutter
zurück.

Jenny Stern