Alida Johannsen will mit der Initiative Enactus München und deren Projekt Greendesert in Kooperation mit lokalen Partnern betroffene Flächen in Kamerun wiederbegrünen, um Betroffenen eine neue Lebensgrundlage zu ermöglichen. Dazu werden u.a. in alten Kaffeesäcken (im Bild) Pflanzensamen in Randgebieten der Wüste ausgelegt. Foto:Alessandra Schellnegger

Für eine „grüne“ Wüste

Alida Johannsen bekämpft mit Kaffeesäcken die Versandung.

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Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Friederike

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Es wird politisch, wie sollte es auch anders sein. Unsere Autorin ist alles andere als begeistert von den Ergebnissen der Bundestagswahl. Mit ihrer Wochenplanung möchte sie ein Zeichen setzen. Auf dem Programm steht die

RAGE AGAINST ABSCHIEBUNG Soliparty, sowie eine Diskussionsveranstaltung

in der Seidlvilla.

Ich habe zuerst überlegt, einen persönlichen Brief zu
schreiben. Einen Offenen Brief an die Regierung oder so. Dass es doch
Leute unter 30 gibt, die ihre Zukunft interessiert. Dass wir nicht bloß stolz
unsere Freunde und Follower per Instagram darüber informiert haben, dass wir
die coole Briefwahl gemacht haben – sondern dass uns unsere Zukunft in Deutschland
etwas angeht. Und vor allem: dass wir ziemlich unzufrieden sind,
nach der Wahl noch mehr als davor. Aber hört das wer? Liest das wer? Ist doch
alles scheiße gerade! ‘Tschuldigung, aber bei so einem politischen Wetter, was
hier gerade über Deutschland zieht, ist mir in dieser Woche kaum nach Feiern zumute. An Alltag ist
noch nicht zu denken – und irgendwie doch, weil man der AfD und ihren Wählern
ja wohl kaum den Gefallen tun und in Resignation verfallen kann.

Meine Woche
von Freitag bis Freitag ist nichtsdestotrotz der momentanen Stimmung geschuldet
und eine paradoxe Mischung aus Protest und Stillstand, melancholischer
Akzeptanz und Verdrängung. Wem es ähnlich geht, der möge sich anschließen.

Am Freitag bin ich auf einem 30. Geburtstag, der wahrscheinlich
vor der HFF im Bahnwaggon Minna Thiel endet. Was gibt es passenderes, als einen
Bier-Trink-Ort, der nach einer verstorbenen Liebe benannt wurde, der der
Protagonist Gerhart Hauptmanns Bahnwärter Thiel noch viele Jahre nachtrauert?
Die Münchner Künstlerin Muun spielt einen sonderbar melancholisch-motivierenden
taktvollen Sound, der weder komplett ablenkt, noch ständig an die
bevorstehenden Zeiten denken lässt.

Samstag starte ich mit einer Spazierrunde durch das Westend.
Ich will endlich in den neuen Laden von Phaedra Richter, Vindue
um mir ein neues an ferne Länder erinnerndes Sofakissen auszusuchen. Danach
gibt’s einen leckeren amerikanischen Bagel bei Onofrio’s in der Heimeranstraße
32. Am Abend schicke ich meinen Freund auf die Tattoo- und Bodypainting-Messe
Artistink in die TonHalle und gehe mit ein paar Freunden ins Lost Weekend zur
Open Stage
. Mir stinkt es zwar, dass ein Laden, der Love kills capitalism über
seiner Tür stehen hat, einen Bankautomaten im Inneren besitzt, aber die
Veranstaltungen dort sind einfach spannend und inspirierend.

Sonntag besteige ich die Kreuzbergalm, die man auf dem
Prinzenweg vom Schliersee zum Tegernsee erreicht, um das hoffentlich gute
Wetter von dort oben zu genießen und mir all die schlechten Gedanken aus dem
Hirn pusten zu lassen. Abends schaue ich den Tatort im Stadion in der
Schleißheimerstraße
, dazu Pommes-Schranke! Montag ist bei mir kein Brückentag,
weshalb es unnötig wäre, mögliche Abendveranstaltungen für den Sonntag
herauszusuchen. Klar ist: Die Theatersaison hat wieder begonnen und wer sich
noch in der luxuriösen Situation sieht, einen Studentenausweis zu besitzen,
sollte gefälligst im Volkstheater vorbeischauen, oder im Rationaltheater oder
im Heppel + Ettlich oder oder.

Montag zieht es mich nach der Arbeit ins Feierwerk zur erneuten
RAGE AGAINST ABSCHIEBUNG Soliparty.
Vielleicht schaffe ich es aber vorher auch noch ins Container Collective, wo
ein kleiner feiner Flohmarkt stattfinden soll. Ich müsste dringend mal
ausmisten, mir eine Winterjacke kaufen und einen guten Cocktail gegen den Frust
trinken.. Untermalt ist der Schranzmarkt mit Flohrave, oder so ähnlich.
Standgebühr liegt bei 10 Euro.

Dienstag ist Feiertag und meine Eltern sind in der Stadt. Ich
will ihnen ein bisschen liebevolles München abseits der kommerziellen und
sexistischen Wiesn zeigen und hoffe, dass das Gans am Wasser im Westpark
geöffnet hat. Am Abend gehen wir ins wieder aus der Sommerpause zurückgekehrte
Welcome Cafe in der KAMMER 3.

Mittwoch werde ich am Nachmittag im Vinty’s in der
Landsbergerstraße
vorbeischauen – denn nachdem ich meinen Kleiderschrank
ausgemistet habe, ist Platz für Neues.

Von Donnerstag bis Sonntag finden die mittlerweile siebten
Afrikanischen Filmtage
im Münchner Gasteig statt und da sie nicht besser in die
jetzigen Tage passen würden, bin ich sicher dabei: Unter anderem möchte ich den
Berlinale Preisträgerfilm Félicité von Alain Gomis
sehen.

Freitag findet eine Info- und Diskussionsveranstaltung zum
Thema Global Care in der Seidlvilla statt. Jeder, der sich jetzt Sorgen um die
Welt macht, oder sich um die Welt sorgen will, sollte da unbedingt vorbeischauen.
Ich denke, dass das der richtige, wenn auch kognitiv anstrengendere Abschied
einer langen, nicht gerade unpolitischen Woche ist. Aber wenn wir unter
30-Jährigen zeigen wollen, dass unsere Zukunft nicht ohne uns gestaltet werden
kann, sollten wir uns nicht nur übers Wahlergebnis aufregen oder gar gleich
auswandern, sondern die vielen uns gegebenen Möglichkeiten annehmen und nutzen.
In diesem Sinne passt dann auch die Abendveranstaltung: Freitagabend sehe ich
mir die Fotoausstellung Faces of India an und lasse die Woche im AWI
ausklingen.


Text: Friederike Krüger

Foto: Privat

Schwimmender OP-Saal

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Sandra Schimek heuerte für zehn Wochen auf dem schwimmenden Krankenhaus Africa Mercy an, um medinzische Hilfe in den ärmsten Ländern der Welt  zu leisten.

Für Menschen wie Olivienne, 25 Jahre alt, ist die Africa Mercy vielleicht die einzige Chance auf ein neues Leben. Olivienne leidet an einem Gesichtstumor, linksseitig.

400 Ärzte, Krankenschwestern, Reinigungskräfte, Köche, Lehrer und andere Helfer aus mehr als 30 verschiedenen Nationen wohnen und arbeiten auf dem schwimmenden Krankenhaus. Auch die Münchnerin Sandra Schimek war 2015 dabei. Das Schiff, mit dem Mercy Ships seit 1978 medizinische Hilfe in den ärmsten Ländern der Welt leistet, beherbergt sowohl das Personal als auch die OP-Säle und Krankenstationen. Während einer Missionsreise fährt es für eine Dauer von zehn Monaten Häfen im afrikanischen Raum an. Im September 2015 liegt es im Hafen von Tamatave, an der Ostküste Madagaskars, und Sandra Schimek ist zehn Wochen dabei.

Olivienne ist mit ihrem Vater angereist. Für die Kosten der Fahrt bis in den Hafen hat er sein Reisfeld verkaufen müssen. Es ist ihre große Chance auf ein bisschen Normalität in einem Leben, das von Armut, Krankheit und Schikane geprägt ist.

Sandra ist hier nicht hauptberuflich. Eine Mischung aus Fernweh, der Suche nach Neuem und der Pause von Altem hat die Frau mitte Zwanzig hierher verschlagen.

Nach dem Fachabitur beginnt die Münchnerin eine Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und wird Krankenschwester. Seit 2008 ist sie im Klinikum Großhadern angestellt. Doch das reicht Sandra nicht. Im Winter 2011 schreibt sie sich für das Pflegemanagement-Studium in München ein. Im Frühjahr 2015 folgt die Bachelor-Arbeit. Doch auch das ist ihr nicht genug, oder vielleicht reicht es ihr auch einfach gerade in Deutschland. Sie will mehr tun und anders helfen.

Dass Sandra auf dem Mercy-Schiff arbeiten darf, ist ein Privileg unter jungen Medizinfachkräften. Ihr Wissen im Bereich der Kinderkrankenpflege ist gefragt. Hunderte Bewerbungen erreichen die Organisation Mercy Ships, die sich über Spenden finanziert, jedes Jahr. Trotz der eher streng christlichen Werte und Regeln. Und obwohl die Menschen für ihren Einsatz zahlen müssen, statt entlohnt zu werden. Für Sandra sind das etwa 700 Dollar im Monat für Kost und Logis.

Auf fünf Krankenstationen an Bord des Schiffes werden so viele Patienten wie möglich untergebracht. In fünf OP-Sälen wird beinahe rund um die Uhr operiert. Meist sind es orthopädische Eingriffe, Verbrennungen, gynäkologische Behandlungen und viele gutartige Tumore.

Celestin, acht Monate alt, wird mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte eingeliefert. Beim falschen Füttern mit der Flasche ist Flüssigkeit in seine Lunge gelangt. Seine Lungenentzündung wird behandelt und später die Spaltung operiert. Celestins Eltern ruhen sich unterm Krankenbett aus. Es ist laut und stickig. Aber das ist ihnen egal. Hauptsache, der Kleine wird wieder gesund.

Die wenigen Krankenhäuser in Madagaskar sind verwaist. Für Behandlungen müssen die Menschen selbst zahlen. Und das kann kaum jemand. Mercy Ships ist für viele die einzige Chance, denn die Behandlung ist kostenlos. Doch auch das liegt nicht in ihrer Hand. Wer das Schiff betritt, wurde zuvor bei den Screening Days ausgewählt. Ärzte reisen durch das Land und suchen die Patienten aus. Kriterien sind Krankheit und Heilungschancen. Aber auch, ob die Familien den Weg zum Schiff selbst bewerkstelligen können.

Jeden Tag kommen neue Patienten, der OP-Plan ist streng getaktet. Operiert wird im Schichtwechsel. Am Ende eines Tages siegt das Gefühl, etwas Gutes tun zu können – und die Müdigkeit. Vielleicht sitzt man noch zusammen, ohne Alkohol natürlich. Doch irgendwann kriecht jeder in sein Stockbett und zieht die Vorhänge zu. Einer der wenigen Momente, in denen man auf dem Schiff allein ist. Mit sich und den überwältigenden Eindrücken des Tages. Mit Bildern von unterernährten Kindern, von offenen Verletzungen und Missbildungen, wie sie die meisten Mediziner aus westlichen Ländern nicht kennen.

Manche Bilder gehen Sandra nicht aus dem Kopf. Zum Beispiel das eines Mädchens, das furchtbar weint. Irgendwas in ihrem Rachenraum schien starke Schmerzen zu verursachen. Sandras Kollegin zieht später einen langen Wurm aus der Nase des Kindes. Diese Erlebnisse tauscht sie am Handy mit ihren deutschen Kolleginnen aus. „Die haben es kaum glauben können“, sagt sie. Manche konnten auch nicht verstehen, warum sie dafür noch Geld zahlt. Auch Sandra hatte sich das alles leichter vorgestellt. Medizinische Begriffe fallen ihr zu Beginn nicht auf Englisch ein, die Sprachbarrieren zwischen ihr und den behandelnden Ärzten sowie den Patienten machen ihr anfangs zu schaffen. Sie ist auf ihre Kollegen angewiesen. Doch trotz ständig neuer Besetzung ist das Personal schnell ein eingespieltes Team – hoch motiviert und hilfsbereit, denn wer hier ist, will wirklich hier sein. Und so ist es am Ende der Abschied, der Sandra nicht leicht fällt.

Mit zehn Wochen hat Sandra die Mindestdauer eines Einsatzes bestritten. Viele ihrer Kollegen bleiben länger. Bis Juni 2016 wird die Africa Mercy, die von Spenden abhängig ist, noch im Hafen von Madagaskar liegen. Dann macht sie einen Halt im Trockendock in Südafrika. Der nächste Einsatz beginnt dann wieder Ende August.

Fotos: privat

Von: Friederike Krüger