Sünden auf dem Sofa

image

Serien sind doch auch nichts anderes als Drogen. Gesellschaftlich akzeptierte allerdings. Aber ist der regelmäßige Konsum wirklich unbedenklich?

Mit den Drogen ist es kompliziert. Rauchen ist lange nicht mehr so cool, wie es mal war, der Alkohol hingegen bleibt ein Evergreen – und Kulturgut, solange man sich nicht zu viel davon allein auf dem Sofa einverleibt. Sich Serien allein auf dem Sofa einzuverleiben, gehört hingegen noch zu den gesellschaftlich akzeptierten Drogen – in zehn Jahren könnte das anders aussehen. Psychologen streiten bereits, ob Seriensucht nicht eine ähnliche Abhängigkeit auslösen könnte wie Rauschmittel. Im Klartext heißt das: Wer seine tägliche Portion GZSZ verpasst, leidet eventuell unter Entzugserscheinungen.
Die Parallelen sind gar nicht so abwegig: Serien sind ein gemütliches Stück Realitätsflucht – eine Art zweites Zuhause, in dem man sich auskennt und wohlfühlt. Und genau wie beim Alkohol kriegt man es manchmal nicht hin, aufzuhören, wenn man eigentlich genug hat. Aber während es in den meisten Freundeskreisen auf wenig Wohlwollen stieße, zu sagen, man habe den ganzen Tag beim Saufen im Bett verbracht, statt auf die Klausur zu lernen, ist es okay, wenn man sich stattdessen die letzte Staffel von „House of Cards“ reingezogen hat.
Im Internet kann man sich mit wenigen Mausklicks ausrechnen lassen, wie viel Lebenszeit man bereits in Serien investiert hat. Wer sich alle Folgen von „How I Met Your Mother“ angesehen hat, saß dafür beispielsweise über drei Tage und vier Stunden vorm Bildschirm. „Breaking Bad“ könnte man an zwei Tagen durchkriegen – vorausgesetzt, man verzichtet auf Schlaf. Äquivalente Seiten, die genau aufsummieren, wie viel Zeit unseres Lebens wir damit verbracht haben, in Biergläser zu gucken, gibt es zum Glück noch nicht. Vielleicht ja in zehn Jahren – wenn Serienschauen illegal geworden ist und man versucht, Betroffene auf Cannabis umzustellen.

Susanne Krause