Revierkämpfe im WG-Flur

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„Durch siegreiche Schlacht erobert!“ Dieser Eintrag im Grundbuch gilt heute nicht mehr. Dennoch ist der Münchner Wohnungsmarkt, ja gar einzelne Flächen in Wohngemeinschaften, hart umkämpft . Manchmal muss man sich sogar gegen die WG-Katze zur Wehr setzen…

Ich gerate immer an Männer mit Waffen. In meinem Bekanntenkreis finden sich Herren mit Degen, ein Armbrust-Besitzer sowie ein Typ, der seine neunschwänzige Peitsche mit auf Zugreisen nimmt. Abgesehen von der Peitsche, die zumindest noch im Hobbykeller zum Einsatz kommen kann, sind derlei Gerätschaften im sicherheitstechnisch überversorgten München, sagen wir mal: anachronistisch. Duelle um Haus, Hof und Ehre lohnen sich heute nicht mehr, wo der Wechselkurs für Ehre ähnlich wie der Euro einen Rekordtiefstand erreicht hat und „durch siegreiche Schlacht erobert“ nicht mehr als gültiger Eintrag im Grundbuch zählt. Ist vielleicht auch nicht das Schlechteste: Der Münchner Wohnungsmarkt ist schon anstrengend genug, ohne dass man sein WG-Zimmer gegen Anstürme obdachloser Studienanfänger mit Morgensternen verteidigen müsste.

Man sollte sich jedoch nicht zu sehr in Sicherheit wiegen: Judith hat diesen Fehler gemacht. Jetzt steckt sie mitten in einem Kampf um ihr Territorium: Die WG-Katze hat Judiths Bett zu ihrem Revier erklärt. Und von dem neu zugezogenen Pudel wird sie abends beim Heimkommen mit feindseligem Kläffen begrüßt. Sie wohne hier jetzt schon drei Jahre und lasse sich in ihrer eigenen Wohnung nicht anbellen, schreit Judith den Pudel an. Gut möglich, dass Judith sich in diesem Moment eine Armbrust wünscht. Wobei man Tiere eigentlich mit ihren eigenen Waffen schlagen sollte, finde ich. Stichwort: Duftmarke. Judiths Einwand, dass ihre zweibeinigen Mitbewohner zu Revierkämpfen gegen sie ansetzen würde, sobald sie in den WG-Flur pinkelt, erscheint freilich berechtigt.

Es bleiben dem modernen Menschen eben nicht viel mehr Möglichkeiten, seine Wut auszuleben. Wobei einer der Waffenbesitzer in meinem Freundeskreis dann doch ein Druckventil gefunden hat: Wenn aus der Spelunke unter seinem Schlafzimmer bis in die Morgenstunden dieselben drei Akkordeon-Akkorde erklingen, wenn dazu die osteuropäischen Nachbarn bereits seit einer Woche Polterabend veranstalten und in dem besetzten Haus gegenüber die Horde grölt, gibt er mit seiner Schreckschusspistole gerne mal einen Warnschuss in die Nacht ab.

Von Susanne Krause