Ohne Mimik, ohne Liebe

image

Es gibt sie, diese Dinge, die Probleme schaffen, die wir ohne sie gar nicht hätten. Tobias und seine SMS sind so ein Fall: Er hätte besser gesprochen als getippt. Was bei 160 Zeichen alles schiefgehen kann.

Niemand mag Menschen, die im Nachhinein behaupten, sie hätten es ja gleich gewusst. Ich mache mich jetzt mal unbeliebt: Ich habe es ja gleich gewusst. Tobias schaut mich genervt über sein Handy hinweg an. Ich zucke mit den Schultern. Ist es meine Schuld, dass er noch nichts davon gehört hat, dass SMS das Leben nur komplizierter machen? Als ob es nicht schon schwer genug wäre, sich richtig zu verstehen, wenn man persönlich miteinander spricht. Was ist schon eine SMS? 160 Zeichen. Ohne Tonfall, ohne Mimik. 160 Gelegenheiten für Fehlinterpretationen und Missverständnisse.

In Tobias’ Fall genügte dafür schon einmal ein einziges Satzzeichen. Als ihn die Süße aus der Bar neulich per SMS um ein Date bat, antwortete er mit einem fröhlichen „Klar!“. Und schon war die sich anbahnende Romanze wieder vorbei. Mit seiner Ironie könne er sich zum Teufel scheren, schrieb sie ihm zurück. Auch seine Aufklärungsversuche halfen nicht weiter. Sie habe ihn schon verstanden, das Ausrufezeichen sage ja wohl alles.

Tobias seufzt. Schnee von gestern. So süß war die Barmaus auch wieder nicht. Aber Kathi, die ist süß, sagt er. Auch wenn er bisher noch keine drei Worte mit ihr gesprochen hat. Dafür sei er viel zu schüchtern, behauptet er. Hinter 160 Zeichen hingegen könne man sich wunderbar verstecken. Also hat er sich über eine Freundin Kathis Telefonnummer besorgt. Jetzt schreiben sie sich jeden Abend Kurznachrichten darüber, wie ihr Tag war, was sie gemacht haben – und irgendwann auch, dass sie gemeinsam ins Kino gehen sollten.

Klingt doch super, finde ich. Tobias seufzt schon wieder. Als er Kathi am vereinbarten Abend im Studentenwohnheim abholen wollte, machte die ihm gar nicht erst auf. Stattdessen schob sie ihm einen Zettel unter der Tür durch: „Geh weg.“ Später stellte sich heraus, dass sie ihn die ganze Zeit über für einen anderen Tobias aus ihrem Studium gehalten hatte: ein blödes Missverständnis. Peinlich, peinlich. „Das wäre dir ohne SMS nicht passiert“, sage ich und mache mich unbeliebt. Tobias reckt unmissverständlich den Mittelfinger. Lisi Wasmer

Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche. „Beziehungsweise“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Bei Krause zu Hause“.

image
Lisi Wasmer setzt sich in ihrer Kolumne mit allen Tücken der Partnersuche auseinander. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gibt uns Lisi Einblicke in verschiedenste Beziehungen. Die Lektüre endet bei uns oft mit Tränen in den Augen – sei es vor Lachen, Freude oder Traurigkeit.