Musikvideos zeigen Geschichten – und diese zu erzählen ist unser Ziel. Wir haben die Videos Münchner Bands stummgeschaltet und festgehalten, was die Film-Clips beschreiben. Diese Woche: Munich Experience von Saguru.
Irgendwann kommt dann für ein paar Sekunden noch etwas Romantik auf. Eine rot beleuchtete Unterführung. Ein kurzer Huckepack-Sprint. Ein Kuss. Aber dann ist die Szene auch schon wieder vorbei. Und der junge Mann, nun wieder alleine, kommt endlich am Königsplatz an. Dort löst er sich in der langsam aufgehenden Sonne einfach in Luft auf. Oder verschwindet im Boden. Oder wird entführt. Man weiß das nicht so genau, auf jeden Fall ist er auf einmal verschwunden. Vielleicht hat er auch einfach nur endlich die ersehnte Trambahn erwischt. Zu Beginn, am Stachus, mitten in der Nacht, ist nämlich für längere Zeit anscheinend nichts mehr gefahren. Deswegen ist der junge Mann nach seinem Barbesuch dann einfach losgelaufen.
Zuerst zum Marienplatz, dann weiter zum Eisbach, zurück zum Odeonsplatz und schließlich eben zum Königsplatz. Dazwischen musste er wegen einer zerknitterten Postkarte auf dem Boden auch noch lange an einen schönen Sommerabend im Olympiapark zurückdenken. Manchmal singt er ein wenig, der einsame Surfer an der Eisbachwelle kriegt sogar ein längeres Ständchen von ihm. Das alles ist wirklich die echte „Munich Experience“: Nachts an den Fahrplänen der MVG verzweifeln und deswegen den Weg einfach zu Fuß zurücklegen.
Wer ein paar Mal im Münchner Nachtleben unterwegs gewesen ist, kennt diese Situation wahrscheinlich nur zu gut. Einmal in einem großen Bogen nachts viele Münchner Sehenswürdigkeiten abklappern und dann einfach wieder aus München verschwinden. Lässt sich bestimmt so einigen Touristen als exklusive „Munich Experience“ verkaufen. Einsam und alleine durch die Stadt spazieren, höchstens kurz jemanden treffen und wehmütig an bessere Zeiten zurückdenken. München, wie man es eben zurzeit erlebt, die „Munich Experience“ in der Lockdown-Special-Edition.
Von Moritz Richter