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Musikvideo-Kolumne: Marlene Mercedes

Musikvideos zeigen Geschichten – und diese zu erzählen ist unser Ziel. Wir haben die Videos Münchner Bands stummgeschaltet und festgehalten, was die Film-Clips beschreiben. Diese Woche: Baby keine Angst von Marlene Mercedes.

Wo wir uns die ganze Zeit über befinden, wird nicht klar. Bis zum Schluss nicht. Ob die Sängerin das weiß? Es scheint nicht so. Anmutig und verträumt tanzt sie sich allein durch den dunklen, vernebelten Raum, der nur von einem Spotlight-Scheinwerfer beleuchtet wird. Die Sängerin, das schwarze Hemd ganz aufgeknüpft, bewegt sich wie eine Ballerina durch die Szenerie. Sie dreht Pirouetten, hebt ihre rechte Hand über den Kopf und lässt dabei ihren Körper mitschwingen. Dem Ganzen haftet eine gewisse Schwarz-Weiß-Optik an, getränkt von Melancholie und süßer Verlorenheit.

Es sind anregende, sinnliche Bilder, die die Zuschauenden über diese viereinhalb Minuten Musikvideo hinweg begleiten. Bilder, deren Effekt durch den langsamen Schnitt, durch die leise schwenkende Kamera nur verstärkt werden. Szenenwechsel gibt es kaum. Eingeleitet durch ein Close-Up der Augen der Tänzerin, in denen sich der nächtliche Sternenhimmel spiegelt (oder hinter denen er sich verbirgt?), sieht man die Sängerin nun sanft und still durch das Universum dahinschweben. Sie dreht sich dabei. Tanzt, fliegt über der leeren Fläche und lässt das mit der Schwerelosigkeit ganz und gar einfach aussehen.

Irritationen stellen sich nicht nur hier ein. Wer ist etwa dieser junge Mann, ernster Gesichtsausdruck, ebenfalls schwarz gekleidet, der immer wieder aus dem Nebel hervortritt? An dem Marlene sich festhält, den sie umarmt, eindringlich ansieht, plötzlich aber fallen lässt? Als Tanzpartner scheint er jedenfalls nicht zu taugen. Während sie in der nächsten Einstellung Pirouetten durch den dunklen Raum dreht, ist er längst durch den Nebel entschwunden. Ob das die Erklärung für die plötzliche Verzweiflung, den Ärger und die Angst ist, die sie später durchdringen und ihren Tanz zum Stoppen bringt? Vermisst sie ihn, oder möchte sie vielleicht sogar nie wieder etwas mit ihm zu tun haben?

Zum Schluss wird zumindest diese letzte Frage beantwortet. Man sieht die Tänzerin und den Unbekannten, in eine innige Umarmung vertieft, während die Kamera sich langsam von den beiden Traumwandlern entfernt. Ende gut, alles gut?

Von Louis Seibert