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Musikvideo-Kolumne: Color Comic

Musikvideos zeigen Geschichten – und diese zu erzählen ist unser Ziel. Wir haben die Videos Münchner Bands stummgeschaltet und festgehalten, was die Film-Clips beschreiben. Diese Woche: Curaçao von Color Comic.

Sie ist ein Mysterium. Die Frau taucht aus dem Nichts auf, bringt Salamipizza mit und bleibt. Warum sie am Filmset ist? Weshalb sie sich darauf einlässt? Was sie will? Weiß niemand, wird auch nie thematisiert. Nicht mal einen Namen trägt sie, nur eine Bezeichnung: „sexy lady“. Das sagt viel aus über den Regisseur, dem wir in diesem Vierminüter dabei zuschauen, wie er ein Musikvideo dreht und der neben besagter „sexy lady“ auch noch Sachen wie Outfits, coole Autos und „CA$H“ auf seiner How-to-Musikvideo-Liste stehen hat.

Während die Band erst durch die Tür hereinkommt, in der Maske malträtiert und dann von Szene zu Szene gescheucht wird, ist die Frau einfach da – und perfekt angezogen, von Anfang an. Ganz so, als wäre sie keine Darstellerin im Musikvideo, sondern Requisite. Sie verdinglicht sich dann auch wirklich und posiert später neben einem BMW, womit der Regisseur das „cool cars“ auf seiner Liste durchstreichen dürfte. Ist das ihr Auto? Scheint so, zumindest darf die Band nur zusammen mit ihr drinsitzen und herumalbern. Im Hintergrund, auf einem Greenscreen, sieht man aus dem Fenster des BMWs erst die Hafenpromenade Curaçaos vorbeiziehen und dann eine Weltraumschlacht à la Star Wars.

Dem Regisseur – der gute Herr ist ein wenig wankelmütig – gefällt das nicht. Eigentlich gefällt ihm gar nichts. Ständig schreit er seinen Assistenten zusammen und schmeißt just aufgenommene Szenen wieder um. Alles ist im Fluss, ständig verschieben sich Licht und Schatten. Überblick? Gibt’s nicht. Eines aber bleibt konstant: Die Frau ist eine Heilsbringerin, zumindest für die Band. Denn sie hat ständig Essen dabei: bereits erwähnte Pizza, Nachos, Popcorn – und Cocktail trinkt sie auch noch.

Nicht nur, aber vermutlich auch deshalb wird sie so gut aufgenommen. Als irgendwann nach Minute drei die Köpfe der Bandmitglieder und eine Nacho-Schale durchs Bild schweben, fliegt auch ihr Kopf mit. Man fragt sich da schon gar nicht mehr, weshalb. Ist einfach so. Zwischenzeitlich spielt sie, vermutlich dem Regisseur zuliebe, sogar Gitarre. Am Ende, wo sich die Jungs auf eine Couch schmeißen, fläzt sie sich mit ihnen hin und gemeinsam schlafen sie alle ein. Wer die Frau nun ist, weiß man zwar immer noch nicht. Allerdings ist das jetzt, wo sie da alle schlummern, auch ziemlich egal.

Von Max Fluder