Der Lockdown ist zurück! Wir wollen euch die Zeit zu Hause ein bisschen schöner machen. Unsere Rubrik “Von Freitag bis Freitag München” heißt deswegen wieder “München hat Hausarrest”. Denn, zusammen ist man weniger allein ❤ Unser Autor Moritz bildet sich politisch und philosophisch weiter und diskutiert über das Thema „Petzen“.
Eigentlich dachte ich ja, dass ich mich nach über zwei Monaten Praktikum im kleinen und feinen Tutzing riesig darüber freuen werde, wieder zurück nach München zu kommen. Endlich wieder Großstadt, endlich wieder alle Freunde sehen, endlich alles aufholen, was man so die letzten Wochen verpasst hat. Aber obwohl es jetzt dieses Wochenende schon so weit ist, mag die Vorfreude nicht so wirklich aufkommen. Denn München hat schon wieder Hausarrest bekommen. Und ob ich jetzt in Tutzing in meinem Zimmer sitze und mich langweile, weil da grundsätzlich nicht sonderlich viel passiert, oder in München in meinem Zimmer sitze und mich langweile, weil da wegen dem zweiten Lockdown nicht sonderlich viel passiert, macht dann irgendwie auch keinen großen Unterschied mehr.
Wobei, so ganz stimmt das auch wieder nicht. Denn in München hab ich immerhin wieder (einigermaßen) besseres Internet und gottseidank gibt’s ja auch noch ein paar Online-Veranstaltungen. Da ich aber von Livestream-Konzerten schon im ersten Lockdown relativ schnell die Schnauze voll hatte und in diesem Jahr eigentlich auch schon genug Online-Theaterstücke, Online-Ausstellungen und Online-Workshops besucht hab, beschränke ich mich diese Woche einfach mal auf die beiden Felder, die mich schon immer am meisten interessiert haben: Politik und Philosophie.
Den Freitag starte ich direkt mit einem Thema, das fast schon wieder aus den Augen der Öffentlichkeit verschwunden zu sein scheint, obwohl sich seit dem Sommer kaum etwas verbessert hat. Die Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien an der LMU organisiert ein Webinar zu der festgefahrenen Situation in Belarus und den dortigen Protesten gegen Machthaber Lukaschenko. Die vier Belarus- und Osteuropaexperten, die für das Webinar eingeladen worden sind, liefern dabei nicht nur eine Einschätzung der aktuellen Ereignisse, sondern auch historische Hintergründe und einen Überblick, wie es überhaupt zu der gegenwärtigen Lage kommen konnte. Weil ich nach dem Webinar aber noch nicht genug habe und der Abend ja noch jung ist, schaue ich auch noch beim Philosophischen Foyer des Museums Villa Stuck vorbei. Dort geht es heute um das Thema „Petzen“ und die Frage, wie man das Petzen eigentlich moralisch bewerten sollte. Angesichts von immer mehr Regeln und Vorschriften, denen wir zur Zeit ausgeliefert sind und die immer weniger Leute wirklich befolgen wollen, vielleicht gar kein so uninteressantes Thema…
Für das Wochenende habe ich mich für eine spannende Kombination aus der Süddeutschen Zeitung, der Nemetschek-Stiftung und meinem Praktikumsplatz in den letzten zwei Monaten entschieden. Gemeinsam haben die drei Kooperationspartner das Diskurs-Projekt „Werkstatt Demokratie“ ins Leben gerufen, in dem ein von den SZ-Lesern ausgewähltes Thema eine Woche lang ausführlich in der Zeitung von allen möglichen Perspektiven aus beleuchtet und dann am Ende auch gemeinsam mit den Lesern diskutiert wird. Dieses Mal geht es um die anspruchsvolle Frage „Wie geht gutes Regieren?“, die gerade in der Corona-Krise nochmal an Bedeutung gewonnen hat. Die meisten Texte dazu in der SZ habe ich schon gelesen, am Samstag entwickle ich in einer Online-Veranstaltung zusammen mit anderen Teilnehmern in Kleingruppen meine eigenen Ideen über gute Regierungsarbeit und staatliche Eingriffe in Krisenzeiten. Unsere Ergebnisse formulieren wir am Ende in ein paar knappe Thesen, die schön griffig und hoffentlich auch einigermaßen schlau sind. Denn am Sonntag präsentieren wir diese Thesen dann gemeinsam dem EVP-Europaabgeordneten Manfred Weber, dem bayrischen Kultusminister Michael Piazolo und der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und diskutieren mit ihnen noch weiter über das Thema. Ich bin schon echt gespannt, was die drei Politiker aus ihrem Arbeitsalltag dazu zu erzählen haben und vor allem, was sie von unseren Gedanken über Staat und Gesellschaft so halten werden. Irgendwie habe ich leise Zweifel daran, dass Manfred Weber von meinen Überlegungen zu einem anarchokommunistischem Großeuropa mit Philosophenkönig so überzeugt sein wird.
Damit diese Idee aber schon mal ein wenig mehr Wirklichkeit wird und die europäische Öffentlichkeit weiter zusammenwächst, schaue ich in der Nacht von Sonntag auf Montag noch gemütlich auf dem Sofa den spanischen Film „Campeones“. Vielleicht fragt ihr euch jetzt, wie zum Teufel der erste Teil des vorherigen Satzes mit dem zweiten Teil inhaltlich zusammenhängt. Naja, eigentlich ist es ganz einfach. Der Film wird das ganze Wochenende über vom Europe Direct Informationszentrum (EDIC) München, einem von der EU geförderten Gemeinschaftsprojekt der Münchner Stadtbibliothek und des Münchner Referats für Arbeit und Wirtschaft, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kino Europa“ online bereitgestellt. Das EDIC will in dieser Veranstaltungsreihe die Qualität und Vielfalt der europäischen Kinos präsentieren und dadurch Europa in München erlebbar machen. Also schaue ich eine spanische Komödie, diskutiere darüber am Montagabend in einem digitalen Filmgespräch mit anderen Münchnern und trage dadurch meinen kleinen Teil zur Vernetzung der europäischen Öffentlichkeit bei.
Am Dienstag komme ich vom Großen wieder ins Kleine und wende mich gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung den Kommunen in Deutschland zu. Genauer gesagt der Kommune im Deutschland von morgen, denn es geht um die Chancen und Herausforderungen kommunaler Klimapolitik. In der Online-Veranstaltung werden vier Projekte vorgestellt, die sich diesen Herausforderungen auf kommunaler Ebene gestellt haben und beispielsweise Strategien zur nachhaltigen Mobilität entwickelt haben. Wer irgendwie kommunalpolitisch aktiv ist, darf auch gerne abschreiben und nachahmen.
Nach dem hoffentlich hoffnungsfrohen Blick in die Zukunft geht’s am Mittwoch zurück in die noch nicht allzu ferne Vergangenheit. Das Amerikahaus München beschäftigt sich mit den US-Wahlen 2020 und dabei insbesondere mit dem Wahlverhalten der „Blue Collar Workers“. Warum hat die weiße Mittelschicht vor vier Jahren so überwiegend für Donald Trump gestimmt? Wie haben diese Leute dieses Jahr abgestimmt und aus welchen Gründen? Und welchen Einfluss haben wirtschaftliche, demographische oder identitätspolitische Faktoren? Ich hoffe, dass ich am Mittwochabend um ein paar Antworten reicher bin.
Die Woche neigt sich dann so langsam wieder dem Ende zu und ich kann mich nicht so wirklich entscheiden, was ich am Donnerstag machen soll. Entweder schaue ich zum zweiten Teil der Online-Veranstaltung von der Friedrich-Ebert-Stiftung am Dienstag und lasse mich weiter kommunal inspirieren. Oder ich wage mich noch weiter in die Zukunft und ins Utopische vor und höre mir die interdisziplinäre Ringvorlesung der Hochschule München an. Die dreht sich allgemein um das Thema „Künstliche Intelligenz“ und behandelt heute die Auswirkungen von KI auf Interkulturalität. Oder die Wirkungen von Interkulturalität auf KI? Oder die Entwicklung von interkultureller KI? Ich werde aus dem Titel noch nicht hundertprozentig schlau, aber es klingt auf jeden Fall spannend und wird sicherlich politisch-philosophisch.
Ausklingen lasse ich die Woche am Freitag wieder mit einem Film, aber dieses Mal nicht auf dem heimischen Sofa. In der Zwischennutzung „Gabriele 3“ wird der Film „Freie Räume“ gezeigt, in dem es Selbstverwaltung, solidarisches Zusammenleben und kreative Politik junger Leute gehen soll. Organisiert wird die Veranstaltung gemeinsam von „Die Aktion! – Jugendbeteiligung München“ vom KJR und Common Ground. Danach gibt’s noch regen Austausch über den Film und dann ist auch diese Woche schon wieder durch. Ich habe mein Vorhaben durchgezogen, mich mal nur mit Politik und Philosophie zu beschäftigen und bin vielleicht auch ein wenig klüger geworden. Aber auf jeden Fall war’s nicht langweilig und das ist in Lockdown-Zeiten eigentlich ja auch schon genug.