Wer sagt, dass Besitz nicht glücklich macht, kennt den Toaster in Judiths WG nicht. Er ist knallgelb und brennt ein Bild von Spongebob in das Weißbrot.
Der Toaster widerspricht der Statistik: Die besagt, dass Bewohner von Ländern, in denen man die Bude voll sinnlosem Plunder hat, im Weltdurchschnitt eher unzufrieden sind. Glücklicher sind Menschen, die zwar nicht arm sind, deren Besitz aber so überschaubar ist, dass sich keine Haushaltsgeräte mit Comicfiguren darunter befinden. Ich habe keinen Spongebob-Toaster. Stattdessen habe ich ein Kombi-Gerät, das mir ganze zwei Besitztümer erspart. Laut Statistik müsste ich also vor Lebensfreude sprühen! Trotzdem ahne ich: Mit dem Spongebob-Toaster wäre ich glücklicher.
David, mit dem ich Kombi-Toaster und Bett teile, will von der Statistik nichts hören. Jeden zweiten Tag klingelt der Paket-Mann und bringt ihm ein Buch. Dann ordnet er die Wälzer im Schrank neu und schaut ganz glücklich. Ich beobachte ihn aus sicherer Entfernung. Seit meinem vierten Umzug innerhalb von zwei Jahren beurteile ich Bücher weniger nach Inhalt und mehr nach Gewicht. Mit zwei Kisten voll Literatur habe ich mein erstes, vollmöbliertes Zimmer bezogen. Da hat mein Leben noch in eine Wagenladung gepasst. Das ist ein nettes Gefühl: Mit so einer Wagenladung voll Leben kann man überall hinfahren und, wenn es einem da nicht gefällt, auch wieder zurück. Mit der ersten selbst möblierten Wohnung hingegen stehe ich mit einem halben Fuß in der Midlife Crisis. Fast bekomme ich Aussteiger-Phantasien: in einem VW-Bus durch Osteuropa. Nirgendwo zu Hause. Man braucht eigentlich nichts, um glücklich zu sein. Nichts! Außer vielleicht einen Spongebob-Toaster.
Und dann treffe ich mich mit Ella. Ella hat so eine Art Aussteiger-Dasein geführt die vergangenen zwei Jahre: Sie ist nie lange irgendwo geblieben, selten lange bei irgendetwas geblieben. Ella hier und da und dort: Für ein paar Monate Praktikum hat sie ein schönes Einzelzimmer in einer Altbau-WG gehabt. Für ein paar Wochen hat sie in einem weniger exquisiten Zweibett-Zimmer in der psychosomatischen Klinik residiert. Danach ist sie von ihren Eltern aus täglich die 80 Kilometer zu ihrem neuen Studienort gependelt. Ella ist nicht besonders glücklich. Sie will endlich irgendwo zu Hause sein, sagt sie. Gerade jetzt, wo sie eine Wohnung hat – eine, wo sie bleiben will. Die Wohnung ist nur noch zu leer, seufzt sie. Es fehle einfach, sagt sie, das ganze unnütze Gerümpel, das in so eine Wohnung hineingehört. Damit wäre Ella schon ein bisschen glücklicher. Susanne Krause
Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es dann nicht lange, bis man sich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“.
Geboren in der östlichsten Stadt Deutschlands, aufgewachsen in der oberbayrischen Provinz: Susanne Krause musste sich schon früh damit auseinandersetzen, wo eigentlich ihre Heimat ist – etwa wenn die bayrischen Kinder wissen wollten, was sie für eine Sprache spreche und wo „dieses Hochdeutschland“ sei.