Sören und Susanne überdenken den Nutzen der Klingel. In Zeiten permanenter Smartphone-Kommunikation ist diese doch überflüssig. Oder vielleicht doch nicht?
Das Geräusch der Klingel bedeutet selten etwas Gutes. Es ist lange her, dass ein Freund spontan an der Tür stand und gefragt hat, ob ich Lust habe, zum Spielen rauszukommen. Wenn heute Freunde zu Besuch kommen, weiß man von deren Ankunft durch vorangegangene U-Bahn-verspätet-sich-SMS meist bereits so genau, dass man den Türöffner auch ohne Klingel im richtigen Moment drücken könnte. Mein Mitbewohner Sören schlägt deshalb vor, wir sollten unsere Klingel gleich ganz ausschalten. Das würde uns viele nervige bis verstörende Intermezzi an der Sprechanlage sparen. Wir würden morgens nicht mehr von dem Austräger der Stadtteilzeitung geweckt, der so lange mit der Hand gegen das Klingelpanel schlägt, bis ihn irgendwer ins Treppenhaus lässt. Und nächstes Halloween müssten auch wir nicht mehr überlegen, wie es möglich ist, trotz des Vordachs über der Haustür Wasserbomben auf die betrunkenen Klingelputzer zu werfen.
Bestätigt wird Sören auch von der Dame an der Gegensprechanlage, die auf ihren Arzttermin bei Dr. Krause besteht. Ich stecke meinen Kopf aus der Zimmertür in den Flur, wo mein Mitbewohner bereits seit einer Minute vergeblich darauf beharrt, dass wir eine Privatwohnung sind. Die Dame unten vor der Haustür sieht das anders. Ich persönlich fände eine Arztpraxis nicht besonders vertrauenserweckend, wenn der Name des Arztes auf ein Fuzel Papier geschrieben und schief mit Tesa über das Klingelschild gepappt ist. Aber meine selbsterwählte Patientin lässt sich auch dann nicht abwimmeln, als ich Sören den Hörer abnehme und erkläre, dass ich über keinerlei medizinische Ausbildung verfüge. ,,Ich habe aber einen Termin‘‘, sagt sie empört. Ich beginne Sörens Plan gutzuheißen.
Aber dann, eines Tages nachts um drei. Es ist kalt. Ich stehe auf wundgetanzten Füßen unter dem Vordach an der Haustür. Mein Schlüssel? Nicht da. Ich erinnere mich wieder daran, wofür Türklingeln gut sind: Um den Mitbewohner wach zu klingeln, der sein Handy vor dem Schlafengehen lautlos gestellt hat.
Von Susanne Krause