Entgegen aller Argumente der phantasielosen Muggel-Welt: Ali ist Zauberschülerin. Zumindest sollte sie es sein. Doch leider lässt der heißersehnte Brief aus Hogwarts schon gute zwölf Jahre auf sich warten…
Ali wartet noch immer auf den Brief aus Hogwarts. Eigentlich hätte das Schreiben ja schon an ihrem elften Geburtstag eintreffen sollen, aber so ist das eben: Die Post hat mal wieder geschlampt. Zur Sicherheit schließt Ali deshalb das Gymnasium und auch eine Ausbildung ab, während sie sich in der Freizeit voll auf ihre Zauberkarriere konzentriert: Sie liest alle Harry-Potter-Bücher mehrmals, analysiert die Filme und publiziert im Freundeskreis ihre ersten Forschungsergebnisse über dunkle Magie.
In ihrem Kopf kennt Ali Hogwarts bereits so in- und auswendig wie eine zweite Heimat. Sie würde alle Geheimgänge finden, sie wüsste, wie man die „Kammer des Schreckens“ und den „Raum der Wünsche“ öffnet. Und weil sie so glücklich wäre, endlich am Ort ihrer Kindheitsträume zu sein, könnte ihr der „Raum der Wünsche“ nur noch einen Wunsch erfüllen: das Verlangen nach heißer Schokolade und einem Keks. Danach bliebe er für Ali leer.
Leider ist er auch nach all Jahren noch immer nicht eingetroffen: der Brief, in dem man sie wegen der Verspätung um Verzeihung bittet („Immer diese Muggelpost!“) und ihr mitteilt, dass Ali vom kommenden Herbst an die erste Klasse der Zauberschule besuchen wird. Kann Post aus Großbritannien nicht auch mal gut zwölf Jahre brauchen? Jedenfalls ist Ali inzwischen 23 Jahre alt und lebt noch immer in der Muggelwelt.
Zu ihrem Geburtstag haben ein paar Freunde zusammengelegt, um ihr einen Zauberstab zu kaufen. Jawohl, einen Zauberstab! Ich höre schon, wie diejenigen unter den Lesern, die offensichtlich niemals Kinder waren, murren, es gebe gar keine Zauberstäbe. Nichts da! Alis Zauberstab funktioniert: Er ist eine Universalfernbedienung. Einmal nach links wutschen: Der Fernseher geht an. Ein kräftiges Wedeln: Die DVD startet. Den Stab nach rechts drehen: Die Harry-Potter-Titelmelodie ist noch zwei Stockwerke tiefer zu hören. Zur Nachfolgerin des dunklen Lords reicht es damit nicht, aber immerhin: Ali ist nun die Herrin des Heimkinos. Da soll noch jemand sagen, es gebe keine Magie im Alltag! Falls Ali nun noch Kekse und heiße Schokolade an ihr Bett zaubern könnte, hätte sie so ziemlich alles erreicht, was sie in Hogwarts jemals lernen wollte. Und mit der richtigen Unterhaltungselektronik, da lassen sich auch die nächsten 70 Jahre des Wartens mit Sicherheit ganz gut aushalten.
Von Susanne Krause