Globetrotter mit Hindernissen

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Lieber Wien als Kathmandu? Unsere Kolumne zeigt, warum es manchmal keinen Unterschied macht, wo auf der Welt man sich befindet. Bekannten Gesichtern begegnet man meist dort, wo man es am wenigsten erwartet.

Leo hat notorisches Fernweh. Für ihr Praktikum hatte sie sich auch in Kathmandu beworben. Es ist allerdings nur Wien geworden. Vielleicht ist das auch nicht das Schlechteste: Erst kürzlich habe ich gelernt, das Kathmandu eine der Städte mit der höchsten Luftverschmutzung weltweit ist. Die Wiener Luft hingegen ist frisch, als Leo mich vom Westbahnhof abholt. Etwas zu frisch, um ehrlich zu sein: Während in Kathmandu der Mief des gesamten Himalajas steht, steht in den Straßen von Wien gar nichts. Es herrscht ein so reger Luftaustausch, dass Straßenschilder und Cafétische an uns vorbei über den Bordstein geweht werden.

Coole Kids würden solches Wetter wohl zum Anlass nehmen, ihr Fernweh mit tropischen Cocktails in Wiener Subkultur-Spelunken zu kurieren. Wir sind keine coolen Kids; wir greifen lieber zu Omas bewährtem Hausrezept und schauen „Traumhotel“. Für irgendwas müssen die horrenden Rundfunkgebühren, die Leo letztens nachbezahlen musste, schließlich gut gewesen sein. „Das Traumhotel“ ist eine Reihe mies geschauspielerter Schmonzetten, in der sich vor der Kulisse exotischer Paradiese jedes Mal aufs Neue dramatische Liebeswirren entspinnen, deren Texte wir auch mit Mündern voller Kekskrümel aufs Wort vorhersagen können. Es dauert nur etwa eine Viertelstunde klischeebeladener Dialoge, bis ich überzeugt bin, dass wir – während uns die Wiener Luft hier drinnen gefangen hält – im Rest der Welt nichts verpassen: Außer beschränkten Touristen scheint es etwa laut „Traumhotel“ in Indien nicht viel zu geben … na ja, da wären noch der Maharadscha und sein Sohn. Aber die werden gespielt von einem blauäugigen Deutschen mit Sprühbräune und dem türkischstämmigen Erol Sander. Das kann ich auch bei einem Spaziergang um den Hauptbahnhof haben.

Ein paar Wochen später habe ich mich trotz „Traumhotel“-Therapie aufgemacht in fremde Länder und fahre nach Schweden. Gerade bin ich dabei, die dänische Grenze hinter mir zu lassen und lausche der schwedischen Zugansagerin, als sich oberbayrische Gesprächsfetzen aus der Reihe hinter mir darüber legen. Ich drehe mich um: Hinter mir sitzen zwei Jungs aus meiner ehemaligen Schule, die auf dem Weg sind, Leos Freund während seines Auslandssemesters zu besuchen. Vielleicht fahre ich das nächste Mal doch lieber nach Kathmandu.

Von Susanne Krause