Das Zusammenleben ist nicht immer einfach – ausgesteckte elektrische Zahnbürsten oder Pin-up-Girl-Poster am Kühlschrank können auch schon mal zum Dauerstreitpunkt werden, solange keiner nachgibt.
Die Welt – widewidewitt – als Wunschkonzert klang damals bei Pippi Langstrumpf noch verblüffend einfach. Im Laufe des Erwachsenwerdens zeigt sich jedoch: Das Weltgeschehen in die Hand zu nehmen, ist in etwa so schwierig, wie die Eltern davon zu überzeugen, man brauche dringend ein zahmes Äffchen als Haustier. Es ist schließlich schon schwer genug, seine Weltvorstellungen in der eigenen Villa Kunterbunt zu verteidigen.
Da wäre etwa Julias Poster: Ein Pin-up-Girl in einer Fünfzigerjahre-Waschküche. Das schmückt ihren Kühlschrank – zumindest immer dann, wenn ihre französische Mitbewohnerin das Bild nicht gerade abgehängt hat. In der Welt der Mitbewohnerin hängen keine nackten Frauen am Kühlschrank, wenn sie Herrenbesuch empfängt. Sobald dieser wieder von dannen gezogen ist, stellt Julia, widewidewitt, ihre Welt wieder her. Allerdings nie für lange, ehe das Spiel von vorn beginnt. Und sowieso: Julias Weltbild der Französin als sexuell befreite Frau ist unwiderruflich längst futsch.
Auch Lukas ficht einen stummen Kampf in seiner Wohnung aus. Eigentlich sind er und sein Mitbewohner sich in allem einig. Sie leben in einer harmonischen Männer-WG ganz ohne Reibereien. Wäre da nicht Lukas’ Zahnbürste. Im Grunde ist an ihr nichts Verwerfliches: Sie steht im Bad auf seiner Seite der Ablage und steckt in seiner Steckdose, um den altersschwachen Akku geladen zu halten. Wie Julias Pin-Up-Poster hält sie jedoch niemals lang die Position. Egal, wie oft er sie einsteckt: Wenn Lukas von der Uni heimkommt, ist seine Steckdose leer. Warum? Das kann er nicht sagen. Harmonische Männer-WGs haben deswegen keine Reibereien, weil man so etwas einfach nicht anspricht. Stattdessen setzt Lukas lieber zu einem stummen Gegenschlag an und steckt die elektrische Zahnbürste seines Mitbewohners ein. Man verändert die Welt eben in kleinen Schritten.
Pippi Langstrumpf sänge übrigens ganz sicher ein anderes Lied, wenn sie nicht allein in ihrer Villa Kunterbunt leben würde. Susanne Krause
Jugend: Das bedeutet Nestflucht. Raus aus der elterlichen Einbauküche, rein ins Leben. Nur dauert es dann nicht lange, bis man sich einen Pürierstab zum Geburtstag wünscht – oder Sehnsucht nach Mamas Gulasch hat. Eine Kolumne über das Zuhause, was auch immer das sein mag. „Bei Krause zu Hause“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Beziehungsweise“.
Geboren in der östlichsten Stadt Deutschlands, aufgewachsen in der oberbayrischen Provinz: Susanne Krause musste sich schon früh damit auseinandersetzen, wo eigentlich ihre Heimat ist – etwa wenn die bayrischen Kinder wissen wollten, was sie für eine Sprache spreche und wo „dieses Hochdeutschland“ sei.