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Eine Musical-Bühne ist ein hartes Pflaster. Ein Engagement bekommen nur die Besten – und oft auch nur dann, wenn sie bestimmte Stereotypen erfüllen. Vanessa Ehmann passt nicht in vorgefertigte Rollen, deshalb inszeniert sie ihr eigenes Musical.

München/Wien – Das Showbusiness ist mit Sicherheit ein hartes Pflaster. Ob in Hollywood, am Broadway oder in Wien am Konservatorium. Ob Theater, Film oder Musical. Das Aussehen ist oft wichtig – als Darsteller muss man in eine Rolle passen. Entspricht man jedoch nicht den gängigen Klischees, dann hat man es schwer. Dem Klischee der zierlichen Hauptdarstellerin entspricht Vanessa Ehmann, 26, nicht. Sie ist nicht blond, sie ist nicht klein und sie besitzt keine Modelmaße. Aber das Musical ist ihre große Leidenschaft – und Darstellerin zu sein ihr Traumberuf.

Schon zu Schulzeiten spielte sie im Schülertheater ihres Gymnasiums mit. Während ihres Magisterstudiums in Theaterwissenschaft in München, stand sie für das Nachwuchsförderprojekt des Theaters am Gärtnerplatz auf der Bühne, nun hat sie ihr künstlerisches Diplom am Konservatorium in Wien absolviert. Eigentlich beste Voraussetzungen für einen Einstieg in die professionelle Musical-Branche, aber Vanessa weiß: „Oft entscheidet nicht das Talent, sondern wie bekannt der Name schon ist, ob man eine Rolle bekommt oder eben nicht.“

Vanessa hat dunkelbraune Haare, hellgrüne Katzenaugen und ein Muttermal über der Oberlippe. Als sie von den Schwierigkeiten in ihrer Traumbranche berichtet, kann man ihre Empörung nicht übersehen. Sie reißt die Augen auf, ihre Stimme wird ein wenig heller und sie spricht plötzlich schneller. Junge Nachwuchsdarsteller hätten einfach keine Chance. Deswegen hat die 26-Jährige mit zehn Freunden und Kollegen einen eigenen Musical-Verein gegründet. Die Idee entstand bei einem Workshop für Musical und Operette von Andrea Mellis, im Moment sind die Mitglieder mit der Produktion des ersten eigenen Musicals beschäftigt. So können sich die „Aspiring Artists on Stage“ als Darsteller beweisen und den üblichen Vorsprechen entgehen.
Die jungen Musicaldarsteller stehen nicht nur auf der Bühne, sondern setzen sich mit jedem Aspekt einer professionellen Inszenierung auseinander: Verlagsrecht, Licht, Kostüm, Bühnenbild und Finanzierung. Doch es steht fast kein Budget zur Verfügung. Mit der Organisation von zwei Karaoke-Abenden mit Klavierbegleitung konnten sie Spendengelder sammeln. Seit Anfang August laufen die Proben von „City of Angels“ in einem Pfarrheim in Wien, das seine Räumlichkeiten kostenfrei zur Verfügung stellt. Die Premiere ist für den 3. September im Off-Theater geplant. Auch hier konnten Vanessa und ihr Team einen Sonderpreis für die sechs Vorstellungen aushandeln. „Uns ist klar, dass es dieses Jahr wohl noch keine Gage geben wird. Eine Eintrittskarte kostet zwischen 20 und 25 Euro. Der Saal hat etwa Platz für hundert Besucher. Erst mal müssen die Fixkosten gedeckt werden“, sagt sie. Außerdem hoffen die Darsteller, dass sie durch das selbst organisierte Stück nun auch beim Vorsingen für andere Produktionen größere Erfolgschancen haben als bisher.
Durch die Erfahrungen, die Vanessa schon vor ihrem Musical-Studium an verschiedenen Theatern gesammelt hat, weiß sie auch, was hinter der Bühne abläuft, kennt sich aus mit den in ihrer Branche gängigen Klischees. Sie hat ihre Magisterarbeit über die vier Archetypen im musikalischen Theater geschrieben. Dabei hat sie den Stimmlagen immer wieder vorkommende Rollen zugeordnet: Sopran, das Mädchen von nebenan; Mezzo, die Belt-Hexe; Tenor, der Held; Bass, der Unnahbare. Die Belt-Hexe, das war früher oft Vanessas Rolle.

Dennoch: Es scheint sich etwas zu bewegen in diesen festgefahrenen Klischees, die sehr von Äußerlichkeiten bestimmt sind. „Vor allem in der Broadway-Szene gibt es mittlerweile viele Musicals, die mit diesem Schema brechen. Es ist für jeden eine Nische da, in die er auch hineinpasst“, sagt Vanessa. Leider ist diese Art von Experimentierfreudigkeit noch nicht nach Deutschland übergeschwappt. Vielleicht wird das noch kommen, schließlich hat sich die Form des Musicals selbst auch erst in den vergangenen Jahren in Deutschland etablieren können. Doch noch immer werden Musicals eher als reine Unterhaltung betrachtet.

Aber auf die langsame Weiterentwicklung und Öffnung des deutschen Musicals will Vanessa nicht warten. In dem von Cy Coleman komponierten Stück „City of Angels“, das ihr Verein Aspiring Artists on Stage inszeniert, spielt sie die Hauptrolle.  

Stefanie Witterauf

Foto: Teresa Mitmahser

Mehr Information unter: www.aspiring-artists.at