Frischfleisch oder Resteessen?

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Steffi ist schon zu lange Single. Sie hat eine Schwäche für Aufgewärmtes. Das verbindet sie mit Christian, der sich einmal im Monat mit seiner Ex trifft. Resteessen? Dabei soll doch Frischfleisch sehr gesund sein.

Steffi hat sich verliebt. Severin ist groß, sieht unglaublich gut aus und das Beste: Er gehört ihr und ihr ganz allein. Für diesen Prachtkerl hat Steffi keine Kosten und Mühen gescheut. Knapp hundert Euro hat sie investiert, hat ihn vom Elektromarkt bis in ihre Wohnung geschleppt und liebevoll auf seinen dort schon lange reservierten Platz im Küchenregal gestellt. Steffi seufzt und schlägt lächelnd die Augen nieder. Wenn sie an Severin denkt, wird ihr gleich ganz wohlig. Denn seit sie nun einen Hightech-Mikrowellengrill hat, sei ihre Lebensqualität um mindestens zweihundert Prozentpunkte gestiegen, schwärmt sie. Ich glaube, Steffi ist schon zu lange Single.

Wo wir schon beim Thema sind: Steffi ist nicht die einzige, die eine Schwäche für Aufgewärmtes hat. Als ich mich mit Christian auf einen Kaffee am Hauptbahnhof treffe, sehe ich ihm schon von Weitem an, dass er irgendwas angestellt hat. Irgendwas heißt in diesem Fall Lara und ist seine Exfreundin. Ungefähr einmal im Monat ist sie seine betrunkene Exfreundin, die ihn anruft, ob sie nicht noch „was machen wollen“. Klar, sagt Christian dann, weiß genau, dass „was machen“ eigentlich „es machen“ bedeutet, und nimmt sich fest vor, diesmal aber wirklich nicht wieder mit ihr im Bett zu landen. Wie das so funktioniert, kann man sich denken.

Ich schaue auf meine Schuhspitzen und nicke langsam. Was jetzt kommt, kenne ich schon: „Ich muss damit aufhören, das tut mir wirklich nicht gut“, sagt Christian. Er wird auch damit aufhören. Zumindest ungefähr für einen Monat. Ich zucke mit den Schultern. Im Grunde ist es ja auch nicht die schlechteste Idee, sich ab und zu mit Verflossenen zu vergnügen. Da weiß man wenigstens, was einen erwartet. Das Problem ist nur: Ein Leben aus Konserven ist ungesund, ab und an ein bisschen Frischfleisch sollte schon drin sein. Wer aber einen vollen Vorratskeller hat, der wird bequem.

Damit wären wir wieder bei Steffi. Die habe ich nicht mehr gesehen, seit Severin in ihr Leben getreten ist. Ich frage sie, ob wir später gemeinsam Essen gehen. Total anstrengend, findet Steffi und unterbricht die Telefonverbindung: Sie muss in den Keller eine Dose Rindergulasch holen, da hat sie keinen Empfang. Ich will mich schon geschlagen und Steffi ein für alle Mal an die Mikrowelle verloren geben, da ruft sie zurück. Ihr Exfreund habe ihr gerade geschrieben. Mit seiner Neuen sei es vorbei, ob die beiden nicht mal wieder „was machen wollen“. „Resteessen“, sage ich. Steffi schluckt. Heute Abend wird gekocht.
Lisi Wasmer

Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche. „Beziehungsweise“ erscheint im Wechsel mit der Kolumne „Bei Krause zu Hause“.
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Lisi Wasmer setzt sich in ihrer Kolumne mit allen Tücken der Partnersuche auseinander. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gibt uns Lisi Einblicke in verschiedenste Beziehungen. Die Lektüre endet bei uns oft mit Tränen in den Augen- sei es vor Lachen, Freude oder Traurigkeit.