Fiese Umzugsfalle

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Eine fiese Umzugsfalle ist wohl die schnelle Gewöhnung an provisorische Konstruktionen. Erst, wenn man Gäste hat, fällt einem auf, dass ein Balkon mehr sein kann, als ein Outdoor-Müllschlucker.

Auch Wochen nach seinem Einzug ist die neue Wohnung meines Bruders immer noch ziemlich kahl: weiße Wände, keine Vorhänge, Kisten, wo Möbel stehen sollten. Im Umzugsstress denkt man: Wenn der Krempel erst mal in der neuen Wohnung ist, kann man alles langsam angehen lassen. Erst verwandelt sich das neue Heim nach und nach in ein Konzeptkunstwerk aus dem Einrichtungsmagazin; und danach mistet man ganz gemütlich die Kisten mit ominösem Kabelsalat, Schulheften aus der Oberstufe und alten Computerspielen aus, die man im Keller untergestellt hat – nur provisorisch natürlich. Die simple Wahrheit am Wohnen ist allerdings: Wenn man etwas nicht sofort tut, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass man es nie tut. Ramsch, der einmal im Keller steht, verlässt diesen Ort frühestens beim nächsten Umzug. Nicht viele Dinge sind ähnlich langlebig wie Übergangslösungen.

Mit provisorischen Konstruktionen hat man sich schnell eingerichtet. Dank Gewöhnungseffekt scheint die Übergangslösung sehr schnell viel besser als das Endprodukt zu sein. Da braucht man erst Gäste, um zu merken, was in den eigenen vier Wänden nicht stimmt. Etwa endlich den ersten Besuch eines Rauchers, der mich wieder daran erinnert, dass ich einen Balkon habe. Der Balkon ist recht schnell zu übersehen, da er kaum tiefer ist als vierzig Zentimeter. Damals beim Einzug habe ich dort nur mal schnell zwei kaputte Stühle gelagert, um sie gleich im Anschluss zum Sperrmüll zu fahren. Jetzt stehen wir an diesem lauen Frühlingsabend zwischen kaputten Möbeln, meinem Papiermüll und einer Holzlatte, während Maxi seine zweite Zigarette raucht, und ich merke, dass so ein Balkon schon eine Nummer feiner ist als ein Outdoor-Müllschlucker.

Nach einem halben Jahr raffe ich mich also doch auf und bringe die Stühle (Okay, nicht zum Sperrmüll!) in den Keller. Für meinen Bruder bleibt also doch ein Funken Hoffnung, dass seine Wohnung nicht auf ewig kahl ist. Vielleicht hat er aber ähnlich wie Alex schon eingesehen, dass die aufwendigste Übergangslösung am Wohnen ist, sich überhaupt einzurichten. Sie ist zumindest heilfroh, dass sie immer zu faul war, ihre Bilder aufzuhängen – das spart Zeit beim nächsten Umzug. 

Von Susanne Krause