Mercedes Diaz de Leon verkauft in ihrem Laden in Neuhausen fair produzierte Kleidung von deutschen Designern und Kleidungsstücke ihres eigenen Labels. Es ist ein kleiner Kampf gegen die Gleichförmigkeit der Massenware
Von Valerie Präkelt
Der „Nui Conceptstore“ liegt in der Volkartstraße, mitten in Neuhausen. Es ist eine gut besuchte, umtriebige Straße mit vielen Geschäften und Restaurants. Hier lässt man offenbar keinen Trend aus: Anwohner haben für Bäume Mäntelchen gehäkelt. Dieses Phänomen hat einen Namen: „Guerilla Knitting.“ Auch Mercedes Diaz de Leon, 28, die Besitzerin des „Nui Conceptstores“, hat dem grauen Baugitter vor ihrem Modeladen einen frühlingshaften Anstrich verpasst: Sie hängt Osterglöckchen an das Gitter, während sie mit Passanten spricht. Man kennt und schätzt sie hier, nebenan betreibt ihre Familie die Tapas Bar „Volkart“, in der sie selbst lange gearbeitet hat.
Mercedes will der massenproduzierten Mode den Rücken kehren. Nachhaltigkeit ist wieder in – das spürt auch die Modebranche. Preislich kann fair produzierte Ware aus hochwertigen Stoffen mit den Schnäppchen von sogenannten Fast-Fashion-Ketten wie H & M oder Zara zwar nur selten mithalten. Trotzdem hat die Designerin im Sommer 2015 ihren eigenen Laden eröffnet.
Es ist ein kleiner Kampf gegen die Uniformität der Massenware und ein Statement für nachhaltige Mode von deutschen Jungdesignern. Hier, in ihrem Laden in Neuhausen, verkauft sie fast ausschließlich fair produzierte Mode von deutschen Designern – und Kleidungsstücke ihres eigenen Labels Nui. „Ich wollte eine Plattform schaffen, auf der sich junge Talente präsentieren können. Es ist nicht leicht, nach dem Abschluss den Traumberuf Designer auch verwirklichen zu können“, sagt die gebürtige Mexikanerin, die seit ihrem fünften Lebensjahr in Deutschland und seit 15 Jahren in München lebt.
Im kleinen Laden hängt eine Handvoll kupferfarbene Kleiderstangen an weißen Seilen von der Decke. Daran: Mode in exklusiver Stückzahl, alles – bis auf die italienische Marke Gaudi – wird fair in Deutschland produziert. „Ich will keine Massenware verkaufen“, sagt Mercedes.
Die Räume dienten
früher ihrer Mutter
als Atelier und Galerie
Sie hat 2010 einen Abschluss in Schnitt und Entwurf an der Meisterschule für Mode in München gemacht. „Wir haben heute kaum noch eine Bindung zu Designern, nur zu großen Labels und Ketten“, sagt sie. „Bei Nui ist das anders. Und trotzdem noch bezahlbar.“ Heißt: Die Mode bewegt sich in einem Preisrahmen von bis zu 200 Euro, der Großteil liegt aber deutlich darunter. Eines der Labels, das Mercedes verkauft, ist „WE.RE“, das Münchner Modelabel von Katharina Weber und Theresa Reiter.
Die beiden Designerinnen arbeiten seit 2014 zusammen, aus dem ursprünglich temporär angelegten Projekt ist eine richtige Marke geworden, die mit sportlichen, schlichten und minimalistischen Kleidungsstücken besticht. Andere Designer, wie etwa „Jeeij“ aus Berlin oder die zwei Schwestern von „Pikfine“ aus Köln, die fast ausschließlich mit deutschen Materialien und Stoffen arbeiten, würde man in München allenfalls über die Internetplattform Dawanda unterstützen können. Bei Mercedes kann man sie anprobieren, in der Toilette, die zur Umkleide umfunktioniert wurde. „Hier ist immer noch alles etwas provisorisch“, sagt Mercedes und lacht.
Man kann sich nur schwer vorstellen, dass das jemand der sympathischen Ladeninhaberin übel nehmen könnte. Denn ein eigener Laden kostet insbesondere am Anfang viel Geld. „Dann muss man improvisieren.“ In den Räumen, die früher ihrer Mutter Mercedes Felgueres als Atelier und Galerie dienten, wirkt das charmant. Im Hinterzimmer lehnen großflächige Malereien an der Wand, einige der Unikate stehen im Laden zum Verkauf. Vorne, am Tresen, näht Mercedes ihre eigene Kollektion und die Linie von Babykleidung, die sich in Neuhausen gut verkaufen lässt. All das entsteht direkt hier im Laden.
Mit der Hausmarke Nui bleibt sich die 28-Jährige treu: klare Linien, ein Mix aus hochwertigen Stoffen und ein elegantes, aber dennoch lässiges Design. Kleidung, die Mercedes selbst trägt, die Spaß machen darf und sich trotzdem von dem abhebt, was man bei großen Marken kaufen kann.
Mercedes ist herzlich, begrüßt jeden Kunden und lacht viel. Sie ist laut, aber auf eine angenehme, nie anstrengende Weise. Und dass sie als Designerin selbst stilsicher ist, erkennt man sofort: Ihre dunklen, langen Haare sind offen, geschminkt ist sie nur dezent. Sie trägt eine dunkle, enge Hose, dazu einen dunkelblauen Baumwoll-Pullover mit Kroko-Muster, den sie auch verkauft. Das ist eines ihrer Prinzipien: Alles, was sie verkauft, muss sie selbst mögen und für tragbar erklären.
„Nui“ ist keine Revolution, wird nicht das Ende von Fast-Fashion-Ketten bedeuten, natürlich nicht. Aber der Store trifft den Zeitgeist: Hier wird faire und nachhaltig produzierte Mode verkauft, die stiltechnisch mit dem schlechten Ruf von Öko-Schlappen und Batik-Shirts l nichts mehr zu tun hat. Und: Er passt zu München.
Es gibt in München
einen Markt für coole,
nachhaltige Mode
Der nachhaltige Einkauf wird vielen Münchnern immer wichtiger. Im Februar wird in Schwabing ein verpackungsfreier Supermarkt eröffnen, Smoothie-Bars und vegane Restaurants boomen schon längst. Ebenso der „Dear Goods“-Shop im Glockenbachviertel: Das Geschäft für vegane Mode gibt es in Berlin, Essen und München bereits seit 2012, im Januar erst hat in der Friedrichstraße in Schwabing eine zweite Dependance eröffnet. Ein paar Straßen weiter, in der Schellingstraße, hat im Dezember ein neuer Second-Hand-Shop eröffnet.
Ob der Erfolg dieser Geschäfte einem Trend geschuldet ist oder nicht, sei offen gelassen. Vielleicht ist das auch gar nicht wichtig. Denn eins steht fest: Einen Markt für coole, nachhaltige Mode gibt es in München. Und das, obwohl eine Studie von Greenpeace im Frühjahr 2015 zeigte, das deutsche Jugendliche im Alter von zwölf bis 19 Jahren von Fair-Fashion nur wenig halten. Vielleicht kommt die Einsicht mit dem Studentenleben, mit dem Erwachsenwerden. Und wenn nicht? Dann hält „Nui“ dem Fast-Fashion-Fieber weiter entgegen: mit fairer, nachhaltig produzierter Mode von talentierten Jungdesignern.
Von: Valerie Präkelt