Pop und Popcorn

Marie Bothmer, 21, ist bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag. Ihr erster Song ist auf dem Soundtrack von Cros Film „Unsere Zeit ist jetzt“ zu hören. Wie ihr das gelungen ist? Mit Ehrfurcht – und Vernunft.

Film ab: Mädchen blickt aus Zug, das Abteil ist leer. Draußen eine verregnete Landschaft. Der Regen prasselt laut gegen die Scheibe und eine einzelne, einsame Träne läuft der Protagonistin über die gerötete Wange. Aus dem Off ertönt Musik, langsam erst, dann lauter, leichtes Gitarrenspiel mit kleinen, traurigen Pianotüpfelchen und einer Frauenstimme, die mitten ins Herz trifft.

Diese Szene ist natürlich frei erfunden oder besser: angelehnt an diverse romantische oder melodramatische Filme, in denen ein einzelner Song das Tor zu sämtlichen ungeahnten Gefühlswelten öffnet. „Und ich wollte eben immer die sein, die zu so einer Filmszene den Song beisteuert“, sagt Marie von Bothmer. Sie sitzt in der Münchner Loretta-Bar, nippt an ihrem Cappuccino und unterscheidet sich in diesem Moment kein bisschen von den anderen Studentinnen in dem Lokal.

Marie ist 21 Jahre alt und hat ihr gewelltes, dunkelblondes Haar zu einem hohen Zopf gebunden. Die junge Frau mit den grünen Augen erzählt selbstverständlich und selbstbewusst von ihren Träumen. Die sind in jüngster Zeit in greifbare Nähe gerückt. Marie Bothmer, die für ihre musikalische Laufbahn auf das „von“ in ihrem Namen verzichtet, hat soeben ein Konzert von Andreas Bourani eröffnet, eine Open-Air-Show in Tettnang am Bodensee mit rund 3000 Besuchern. „Andreas hat meinen Song irgendwo gehört und mich dann als Vorband für einen Auftritt gebucht“, sagt Marie.

Das Lied, das Andreas Bourani hörte, heißt „Es braucht Zeit“, ein Song, der es vergangenen Herbst auf den Soundtrack von Cros Film „Unsere Zeit ist jetzt“ schaffte. Ein wichtiger Schritt für Marie Bothmer und ein Türöffner noch dazu. Im September 2016 unterschrieb sie einen Plattenvertrag
bei DolceRita, zwei Wochen bevor Cros Film in den Kinos startete. DolceRita gehört zur Warner Music Group und hat unter anderem Udo Lindenberg im Programm, ein richtiger Major-Deal also, und das, obwohl Marie damals erst einen einzigen Song in Planung hatte. „Es braucht Zeit“ ist ein einschlägiger, langsamer Pop-Song mit Hit-Potenzial, der von den lebenswichtigen Nichtigkeiten eines jungen Menschen handelt. „Ich war nicht ehrlich zu dir, ’ne weiße Lüge zu viel“, singt Marie mit klarer, aber durchaus spezieller Stimme. „Du hast mich so oft gewarnt und ich hab’s trotzdem gemacht. Deswegen rannte ich los, doch ich wusste nicht, wohin ich soll. Denn mein Ziel warst immer nur du.“

„Bereits beim ersten Hören der Demos war uns klar, dass wir diese junge Frau unter Vertrag nehmen müssen und dass eine erfolgreiche Karriere auf sie wartet“, sagt Rita Flügge-Timm, Chefin von DolceRita Recordings, und wirbt weiter für ihre neue Künstlerin: „Marie ist eine außergewöhnliche, zielstrebige junge Frau, deren Stimme uns bis ins Mark berührt und die einen unglaublichen Wiedererkennungswert hat – auch in ihrer Textwelt, in der wir uns alle wiederfinden.“

Mehr als 860 000 Mal wurde „Es braucht Zeit“ mittlerweile auf Youtube angeschaut, auf Spotify hat es fast die Millionenmarke geknackt. Vor rund zwei Monaten hat Marie Bothmer nun ihren zweiten Song „Gewinner“ veröffentlicht. „Wir wollen Gewinner sein, doch könn’ am Ende nur verlieren“, singt sie. „Denn Gewinner stehen am Ende ganz allein da.“ Das klingt ein bisschen nach Plattitüde – ist tatsächlich aber nicht weit entfernt von den Lebensrealitäten einer 21-Jährigen, die gerade einen Vertrag bei einer großen Plattenfirma unterzeichnet hat, als Vorband vor Künstlern wie Andreas Bourani oder Max Giesinger auftritt und nebenbei bereits Mädchenschwarm Cro ohne Panda-Maske gesehen hat.

Um zu verstehen, wie die junge Frau, die nebenbei im Kino jobbt und für ein Amerikanistik-Studium vom Chiemsee nach München zog, in so kurzer Zeit den Sprung ins große Musikgeschäft geschafft hat, muss man den Film zurückspulen: Marie, geboren und aufgewachsen im Chiemgau, singt schon als Kind. Ihre Eltern schenken ihr eine Gitarre, fortan komponiert sie eigene Songs, die so gut sind, dass sie schon als Teenager ein gern gesehener Act auf Familienfeiern und Hochzeiten ist.
Menschen, die damals auf einer dieser Feierlichkeiten waren, erinnern sich noch heute daran, wie beeindruckend die selbstgeschriebenen Liebeslieder der jungen Sängerin waren. Marie singt immer auf Englisch, studiert nach dem Abitur kurzzeitig auch Amerikanistik in München, „obwohl ich eigentlich schon wusste, dass ich richtig Musik machen möchte“.

Sie nimmt einen Song auf, lädt das Ergebnis auf Soundcloud hoch und postet den Link in die Facebook-Gruppe „Musiker in München und Umgebung“. 58 Sekunden dauert der Ausschnitt, mit dem sie den Münchner Produzenten Hubertus Dahlem, der unter anderem mit Sänger Adel Tawil (Ich+Ich) arbeitet, für sich gewinnt. Der wiederum überzeugt dann Maries Eltern davon, dass er alles andere als ein zwielichtiger, sondern ein professioneller Musikproduzent ist. Marie lacht laut, als sie erzählt, dass „meine Mutter mich erst einmal gefragt hat, ob er nur nach meiner Stimme oder auch nach Bikini-Fotos gefragt hat“.

Auch bei Marie muss der Produzent Überzeugungsarbeit leisten – er rät ihr, fortan auf Deutsch zu singen. „Davon war ich am Anfang gar nicht so begeistert“, sagt die junge Münchnerin (übrigens ohne einen Anflug von Dialekt) und lacht. Mittlerweile sieht sie das anders und resümiert: „Die Leute, die mit mir gemeinsam Songs schreiben, kennen mein Inneres.“

Fast ein Jahr ist das her, ein Jahr, in dem Marie Bothmer weit gekommen ist. Jetzt, im September veröffentlicht sie ihren neuen Song „Fieber“, Anfang 2018 soll das Album folgen. Sie wird Pop-Sänger wie Max Giesinger und Johannes Oerding auf Tour begleiten und in München auf dem Festival „Sound of Munich Now“ spielen. Natürlich hat Marie mit Warner Music einen starken Partner im Rücken; einen, der für Videodrehs Stylisten und einen Booker für Konzerte organisiert. Vor allem aber hat Marie ausreichend Respekt vor dem Pop-Genre. Sie weiß, dass ein Major-Vertrag auch bedeutet, „dass man vorher prüft, ob ein Song Radio- oder Hit-Potenzial hat“ und dass man Social-Media-Kanäle wie Instagram oder Youtube pflegen muss, um auch eine jüngere Zielgruppe zu erreichen.

Mit ihren Produzenten Hubertus Dahlem, Frederic Todenhöfer und Ingo Politz verschanzt Marie sich jetzt schon einmal zum Songschreiben in den Bergen. Von Stunden wie diesen berichtet sie einnehmend und wortmächtig. Wenn sie erzählt, wirkt sie älter als 21, vielleicht auch, weil sie ihren Nebenjob im Kino ebenso ernst nimmt wie den Musikeralltag. Marie weiß ganz genau, wie lange man von einem Vorschuss bei ihrem Plattenvertrag mit Warner leben kann und wie wenig ein Spotify-Klick finanziell bedeutet. Und schaut dann schnell auf die Uhr, „weil ich heute noch im Kino arbeite. Ich mache Popcorn.“ Leben kann Marie Bothmer von der Musik nicht. Noch nicht.


Text: Valerie Präkelt

Foto: Ben Wolf / Warner

Mein München: Marienplatz

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Menschen zu fotografieren ist manchmal gar nicht so leicht. Es ist schwierig, den perfekten Moment zu erwischen. Vor allem dann, wenn man die Menschen in dem Moment und nicht nachträglich zensieren will, wie Julian Mittelstaedt. Sein Projekt ist unter dem Namen  “oeffentlichzensiert” auf Instagram zu finden.

Julian Mittelstaedt, 25, fotografiert am liebsten Menschen auf der Straße. Für seine Reihe „Öffentlich Zensiert“ (noch bis zum 27.03. in der SZ Junge Leute Ausstellung „München – Am Rand“ im Farbenladen zu sehen) hat er Passanten abgelichtet, deren Gesicht zufällig verdeckt ist. Der Gedanke dahinter: „Wenn du auf der Straße Menschen fotografierst, müsstest du eigentlich nach einer Erlaubnis fragen“, erklärt Julian. „Zensur ist in der heutigen Fotografie ein brisantes Thema.“ Und das Einholen einer Erlaubnis nicht immer möglich. Deshalb hat der 25-Jährige nach einem Weg gesucht, Gesichter zu zensieren, „aber nicht in der Post-Production, sondern direkt vor Ort.“ Heißt: Julian Mittelstaedt sucht nach einer zufälligen Verschleierung. Das kann mal eine Zeitung sein, aber auch ein Baugerüst oder ein Schatten, der sich über das Gesicht legt – wie hier im Bild, das am Marienplatz entstanden ist. Wer glaubt, die Aufnahme der spontanen entstehenden Momentaufnahmen sei ein Kinderspiel, liegt falsch: Julian fotografiert ohne Autofokus, deshalb muss das Timing stimmen. Da die Bilder nicht gestellt sind, ist es ein kleines Kunststück, den richtigen Moment abzupassen. „Das kann auch schon mal vier bis fünf Stunden dauern.“ Das Projekt möchte er auch in Zukunft weiterführen und hat dafür den Instagram-Account „oeffentlichzensiert“ ins Leben gerufen. 

Von: Valerie Präkelt

Alles eine Frage der Technik

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Die 21-jährige Milena Wojhan assistierte bereits bei Fotoshoots von Florian David Fitz und Hannelore Elsner. Über eine junge Frau, talentiert und tough.

Milena Wojhan steht kritisch vor der weißen Wand. Ein Nagel hat sich verhakt, er wird ihre Fotografie im Ausstellungsraum Farbenladen so nicht tragen können. Kein Problem für die 21-Jährige: Als man ihr männliche Hilfe anbietet, lacht sie und winkt ab. „Alles eine Frage der Technik“ sagt sie und holt den Nagel aus der Wand – mit einer Gabel. Milena ist tough, das merkt man sofort. Auch an den Fotografien, die sie im Farbenladen zeigt: Junge Menschen beim Feiern, in absoluter Ekstase, kurz vorm Delirium. Ob der junge Mann, der schwitzend und betrunken direkt in die Kamera starrt, ein Problem damit gehabt habe, so gezeigt zu werden? Sie verneint.

Über das Projekt, für das sie junge Menschen beim Feiern mit ihrer Yashika t5 abgelichtet hat, sagt sie: „Ich habe im letzten Jahr viel von München gesehen, habe Abends die ganzen verrückten Jugendlichen in ihrem hedonistischen Rausch verewigt.“ Dabei widmet sie sich sonst vorwiegend der Mode-Fotografie, hat als ehemalige Balletttänzerin aber immer auch Tanz und Theater abgelichtet. Doch ganz egal, ob es um Mode oder dokumentarische Fotografie geht: Es ist offensichtlich, dass Milena nicht nur Talent hat, sondern auch die Technik beherrscht. 

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Milena fotografiert oft (aber nicht ausschließlich) junge Frauen. Es sind immer interessante und besondere junge Frauen; solche mit einer ganz eigenen, nahezu exklusiven Schönheit. Dabei könnte auch sie zweifelsfrei selbst vor der Kamera stehen: Sie ist groß und schlank, ihre platinblonden, kurzen Haare betonen die eisblauen Augen. Doch sie nur auf ihr Äußeres zu reduzieren, würde ihr nicht gerecht werden – ebenso wenig wie den jungen Frauen, die sie fotografiert. Da wäre noch ihr Auftreten, ihr Stil, die Art und Weise, wie sie spricht: betont und ruhig, mit weicher, aber deutlicher Stimme. Milena ist eine, an die man sich erinnert. Vielleicht liegt das daran, dass sie bereits mit 21 Jahren eine Künstlerin ist, die weiß was sie will – vor und hinter der Kamera.

Dabei steckt Milena Wojhan noch mitten in der Ausbildung, die sie bei „art in action“ in Thalkirchen absolviert. Ihre erste Kamera hielt sie allerdings schon lange vorher in der Hand. „Ich glaube, da war ich gerade sechs“, sagt sie. Zu dieser Zeit lebt die Wiesbadenerin noch mit ihrer Familie in Berlin, mit zehn folgte der Umzug nach München. Jahre später dann ein neuer Umzug, dieses Mal auf Zeit. In der südafrikanischen Metropole Kapstadt schootete sie ihre ersten, selbst organisierten Modestrecken, bis zu acht in einem Monat. Das hat die damals 18-Jährige ihrem Talent zu verdanken – und, wie sie erzählt, auch einer Portion Glück: „Ich wohnte mit einer Visagistin zusammen, die mich, ein bisschen wie eine Mentorin, unter ihre Fittiche nahm und mich vielen Leuten vorstellte.“ Kurzerhand fotografierte Milena erste Strecken ganz alleine, übernahm oft auch das Styling der Models.

Zurück in Deutschland entschied sich Milena dann für den klassischen Weg einer Ausbildung. „Ich will einfach alles über Fotografie wissen, von der Technik bis zur Kunden-Akquise.“ Neben der Ausbildung assistiert sie regelmäßig bei renommierten Fotografen, zum Beispiel bei Sammy Hart. Das führt dazu, das Milena alle Seiten des Geschäfts kennenlernt, etwa wenn sie Hart bei Fototerminen mit Prominenten wie Florian David Fitz oder Hannelore Elsner begleitet. „Letztlich sind das aber auch ganz normale Menschen“, erklärt die 21-Jährige. Sätze wie diese klingen bei ihr so, als würde sie ihr Business bereits durchschauen. Sie weiß, dass der Weg zu einer erfolgreichen Fotografie-Karriere nicht ausschließlich glamourös ist. Bevor du jemand bist, kann es passieren, dass du für deine Arbeit keinen Cent, sondern allenfalls ein Namedropping erhältst – ein Problem, das in der Kreativbranche nicht nur Fotografen kennen.

Für die junge Fotografin heißt das trotzdem: Veröffentlichungen im Material Girl Mag, im Jute Fashion Magazine oder im Schön! Magazine. 

Eins ihrer aktuellsten Fotos zeigt das Model Ana Saraiva. Ihr nackter Oberkörper wird nur von einer harten, durchsichtigen Plastikschale verhüllt. „Das war eine alte Bustier-Puppe, an der man sonst Unterwäsche fotografiert“, erzählt Milena. Das Plastik brach, und Ana konnte es wie ein T-Shirt anlegen. Das Ergebnis: Ein Foto von eigenwilliger, aber bestechender Ästhetik, das vom Sicky Mag exklusiv veröffentlicht und auf Instagram dutzende Male geteilt wurde. Die Idee zum Plastik-Bustier kam Milena spontan. So sind auch ihre Editorials, die sie schießt: „Ich bitte die Mädels oft, ihre geilsten Klamotten mitzubringen. Ich mache das ebenfalls und dann schauen wir, wo es uns hinführt.“ Im besten Fall in ein Fashion-Magazin. Ob sie dieser Richtung auch nach ihrer Ausbildung treu bleiben will, da ist sie noch nicht ganz sicher. Wichtig ist Milena Wojhan vor allem eins: „Ich will mit meinen Fotos eine Geschichte erzählen.“

Die Arbeit von Milena Wojhan ist auch bei der Ausstellung „München – Am Rand“ im Feierwerk Farbenladen, Hansastraße 31, zu sehen. Geöffnet an allen Wochenenden im März, samstags 16 bis 22 Uhr, sonntags 16 bis 20 Uhr. Eintritt frei.

Von: Valerie Präkelt

Fotos: Milena Wojhan

Ein Abend mit: Sarah Kreile

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Sarah Kreile, 23, ist nicht nur Sängerin der Band Akere, sondern auch Künstlerin. Momentan ist beispielsweise ihre interaktive Münchner Stadtkarte im Farbenladen zu sehen, die Münchner Originale zeigt und geheime Orte verrät, den Betrachter aber auch dazu einlädt, eigene Tipps zu verraten. Wenn Sarah nicht gerade singt oder malt zieht sie mit Sailerbua um die Häuser und isst und trinkt und lacht. Am liebsten zum Sound von  Krept & Konan – Don’t waste my time.

Hier beginnt mein Abend:
in der WG Küche. Essen, trinken, lachen, malen

Danach geht’s ins/zu:
eine andere WG Küche. Mehr essen, trinken. Laut lachen. Nicht mehr malen

Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil:
Pushende Musik spielen. Wie ein kleines Kind nerven

Mit dabei ist immer:
Nugga aka Norgerl aka Sailerbua

An der Bar bestelle ich am liebsten:
Wood mit Mate, Wein oder Leitungswasser

Der Song darf auf keinen Fall fehlen:
Krept & Konan – don’t waste my time

Mein Tanzstil in drei Worten:
Trash Gangsta Discoboogy

Der Spruch zieht immer:
habibi…

Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist:
keine Pizza keinen Döner nein…Thüringer Klöööse…nee Schmarren
Am ehesten ein Falavelsandwich oder eine Linsensuppe bei Türkischen Bistros in der Hauptbahnhofsgegend

Meine dümmste Tat im Suff war:
Hab gedacht dass meine kleine Eastpak Tasche geklaut wurde. Trag sie normalerweise immer um Rücken…Diesmal nicht …Hatte sie um den Bauch..aber im Vollsuff nicht gecheckt..dann mit einem Pushkick diverse Weißbiergläser in der Lokalität umgekickt und mit erhobenen Mittelfinger rausstolziert…Die Türsteher natürlich gleich mit….

Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt`s im/bei:
Minihofbräuhaus im Englischen Garten

Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach:
alte Registratur und Café King

Die Grenzen einer Stadt

Junge Künstler zeigen auf Einladung der Süddeutschen Zeitung ihre Werke im Farbenladen in der Hansastraße 31. Sogar der eine oder andere Galerist interessiert sich für die Ausstellung.

Kunst, Musik, Bier: Wenn man müsste, könnte man die Vernissage von „München am Rand“ am Samstagabend im Farbenladen in der Hansastraße auf diese drei Punkte reduzieren. Aber natürlich ist da noch viel mehr: Es wird gelacht, geratscht, getanzt – und immer wieder heiß über die Kunst diskutiert, der dieser Eröffnungsabend ja eigentlich gehört. Denn immerhin hat Redaktion der Junge-Leute-Seite der Süddeutschen Zeitung, 13 junge Künstler eingeladen, im Farbenladen auszustellen.

Die Fragestellung, der die Fotografen, Illustratoren, Video-und Performance-Künstler nachgingen: Wo hört München auf, wo fängt es an? Wie verlaufen die Grenzen unserer Stadt; emotional, sozial, kulturell? Das haben Natalie Brück, Yunus Hutterer, Sarah Kreile, Julian Mittelstaedt, Saskia Pfeiffer, Paulina Rauwolf, Amelie Satzger, Julia Schneider, Linnéa Schwarz, Luca Senoner, Oda Tiemann, Korbinian Vogt und Milena Wojhan interpretiert und dabei mit einer beeindruckenden Professionalität bewiesen, so dass die Aufmerksamkeit des vollen Farbenladens ihnen zurecht gehört. Kein Wunder, dass am Abend bereits der eine oder andere Münchner Galerist mit wachen Augen und geschärftem Blick vorbeischaut. Ein Kompliment für die Ausstellung? Vielleicht ein kleines – denn eigentlich kommt junge Kunst in München noch immer zu kurz, lediglich die Ausstellungsräume Centercourt und Easy! Upstream sorgen dafür, dass junge Positionen regelmäßig präsentiert werden. Umso bereichernder, dass auch die Junge-Leute-Seite an diesem Wochenende zeigt, wie viele spannende Münchner Talente nur darauf warten, entdeckt zu werden. Das begrenzt sich nicht nur auf Kunst: Immerhin spielt Solokünstlers Atlataş am Samstag seinen ersten Gig und überzeugt mit türkischem Electro-Pop – eine kleine Weltpremiere.

Übrigens sind die ausstellenden Künstler nicht nur in ihren Arbeiten immer wieder an ihre Grenzen gegangen: Bei der Vorbereitung versagte der Zugang zum Internet, Künstlerin Paulina Rauwolf musste spontan ihre geplante Performance neu denken. Alle anderen kämpften mit Wasserwaage, Hammer und Nagel – einer davon hatte sich so hartnäckig in der Wand verkeilt, dass er sich letztlich nur mit der Hilfe einer Gabel entfernen ließ.

All das sind Momente, die man auf einer Vernissage nicht erlebt. Denn als die Türen um 19 Uhr endlich öffnen, ist das Werkzeug gerade noch pünktlich im Hinterzimmer verschwunden. Grund zu feiern gibt es am Samstag also genügend: Die Kunst, die Musik, die Besucher, München. Und fünf Jahre Junge-Leute-Ausstellung im Farbenladen noch dazu.

„München – Am Rand“, Feierwerk Farbenladen, Hansastraße 31, geöffnet an allen Wochenenden im März, samstags 16 bis 22 Uhr, sonntags 16 bis 20 Uhr. Eintritt frei. Zudem an den Öffnungstagen: junge Literatur und Konzerte.

Fotos: Alessandra Schellnegger

Von: Valerie Präkelt

Fantasie statt Uniformität

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Mercedes Diaz de Leon verkauft in ihrem Laden in Neuhausen fair produzierte Kleidung von deutschen Designern und Kleidungsstücke ihres eigenen Labels. Es ist ein kleiner Kampf gegen die Gleichförmigkeit der Massenware

Von Valerie Präkelt

Der „Nui Conceptstore“ liegt in der Volkartstraße, mitten in Neuhausen. Es ist eine gut besuchte, umtriebige Straße mit vielen Geschäften und Restaurants. Hier lässt man offenbar keinen Trend aus: Anwohner haben für Bäume Mäntelchen gehäkelt. Dieses Phänomen hat einen Namen: „Guerilla Knitting.“ Auch Mercedes Diaz de Leon, 28, die Besitzerin des „Nui Conceptstores“, hat dem grauen Baugitter vor ihrem Modeladen einen frühlingshaften Anstrich verpasst: Sie hängt Osterglöckchen an das Gitter, während sie mit Passanten spricht. Man kennt und schätzt sie hier, nebenan betreibt ihre Familie die Tapas Bar „Volkart“, in der sie selbst lange gearbeitet hat.

Mercedes will der massenproduzierten Mode den Rücken kehren. Nachhaltigkeit ist wieder in – das spürt auch die Modebranche. Preislich kann fair produzierte Ware aus hochwertigen Stoffen mit den Schnäppchen von sogenannten Fast-Fashion-Ketten wie H & M oder Zara zwar nur selten mithalten. Trotzdem hat die Designerin im Sommer 2015 ihren eigenen Laden eröffnet. 

Es ist ein kleiner Kampf gegen die Uniformität der Massenware und ein Statement für nachhaltige Mode von deutschen Jungdesignern. Hier, in ihrem Laden in Neuhausen, verkauft sie fast ausschließlich fair produzierte Mode von deutschen Designern – und Kleidungsstücke ihres eigenen Labels Nui. „Ich wollte eine Plattform schaffen, auf der sich junge Talente präsentieren können. Es ist nicht leicht, nach dem Abschluss den Traumberuf Designer auch verwirklichen zu können“, sagt die gebürtige Mexikanerin, die seit ihrem fünften Lebensjahr in Deutschland und seit 15 Jahren in München lebt. 

Im kleinen Laden hängt eine Handvoll kupferfarbene Kleiderstangen an weißen Seilen von der Decke. Daran: Mode in exklusiver Stückzahl, alles – bis auf die italienische Marke Gaudi – wird fair in Deutschland produziert. „Ich will keine Massenware verkaufen“, sagt Mercedes.

Die Räume dienten
früher ihrer Mutter
als Atelier und Galerie

Sie hat 2010 einen Abschluss in Schnitt und Entwurf an der Meisterschule für Mode in München gemacht. „Wir haben heute kaum noch eine Bindung zu Designern, nur zu großen Labels und Ketten“, sagt sie. „Bei Nui ist das anders. Und trotzdem noch bezahlbar.“ Heißt: Die Mode bewegt sich in einem Preisrahmen von bis zu 200 Euro, der Großteil liegt aber deutlich darunter. Eines der Labels, das Mercedes verkauft, ist „WE.RE“, das Münchner Modelabel von Katharina Weber und Theresa Reiter.

Die beiden Designerinnen arbeiten seit 2014 zusammen, aus dem ursprünglich temporär angelegten Projekt ist eine richtige Marke geworden, die mit sportlichen, schlichten und minimalistischen Kleidungsstücken besticht. Andere Designer, wie etwa „Jeeij“ aus Berlin oder die zwei Schwestern von „Pikfine“ aus Köln, die fast ausschließlich mit deutschen Materialien und Stoffen arbeiten, würde man in München allenfalls über die Internetplattform Dawanda unterstützen können. Bei Mercedes kann man sie anprobieren, in der Toilette, die zur Umkleide umfunktioniert wurde. „Hier ist immer noch alles etwas provisorisch“, sagt Mercedes und lacht.

Man kann sich nur schwer vorstellen, dass das jemand der sympathischen Ladeninhaberin übel nehmen könnte. Denn ein eigener Laden kostet insbesondere am Anfang viel Geld. „Dann muss man improvisieren.“ In den Räumen, die früher ihrer Mutter Mercedes Felgueres als Atelier und Galerie dienten, wirkt das charmant. Im Hinterzimmer lehnen großflächige Malereien an der Wand, einige der Unikate stehen im Laden zum Verkauf. Vorne, am Tresen, näht Mercedes ihre eigene Kollektion und die Linie von Babykleidung, die sich in Neuhausen gut verkaufen lässt. All das entsteht direkt hier im Laden.

Mit der Hausmarke Nui bleibt sich die 28-Jährige treu: klare Linien, ein Mix aus hochwertigen Stoffen und ein elegantes, aber dennoch lässiges Design. Kleidung, die Mercedes selbst trägt, die Spaß machen darf und sich trotzdem von dem abhebt, was man bei großen Marken kaufen kann.

Mercedes ist herzlich, begrüßt jeden Kunden und lacht viel. Sie ist laut, aber auf eine angenehme, nie anstrengende Weise. Und dass sie als Designerin selbst stilsicher ist, erkennt man sofort: Ihre dunklen, langen Haare sind offen, geschminkt ist sie nur dezent. Sie trägt eine dunkle, enge Hose, dazu einen dunkelblauen Baumwoll-Pullover mit Kroko-Muster, den sie auch verkauft. Das ist eines ihrer Prinzipien: Alles, was sie verkauft, muss sie selbst mögen und für tragbar erklären.

„Nui“ ist keine Revolution, wird nicht das Ende von Fast-Fashion-Ketten bedeuten, natürlich nicht. Aber der Store trifft den Zeitgeist: Hier wird faire und nachhaltig produzierte Mode verkauft, die stiltechnisch mit dem schlechten Ruf von Öko-Schlappen und Batik-Shirts l nichts mehr zu tun hat. Und: Er passt zu München.

Es gibt in München
einen Markt für coole,
nachhaltige Mode

Der nachhaltige Einkauf wird vielen Münchnern immer wichtiger. Im Februar wird in Schwabing ein verpackungsfreier Supermarkt eröffnen, Smoothie-Bars und vegane Restaurants boomen schon längst. Ebenso der „Dear Goods“-Shop im Glockenbachviertel: Das Geschäft für vegane Mode gibt es in Berlin, Essen und München bereits seit 2012, im Januar erst hat in der Friedrichstraße in Schwabing eine zweite Dependance eröffnet. Ein paar Straßen weiter, in der Schellingstraße, hat im Dezember ein neuer Second-Hand-Shop eröffnet.

Ob der Erfolg dieser Geschäfte einem Trend geschuldet ist oder nicht, sei offen gelassen. Vielleicht ist das auch gar nicht wichtig. Denn eins steht fest: Einen Markt für coole, nachhaltige Mode gibt es in München. Und das, obwohl eine Studie von Greenpeace im Frühjahr 2015 zeigte, das deutsche Jugendliche im Alter von zwölf bis 19 Jahren von Fair-Fashion nur wenig halten. Vielleicht kommt die Einsicht mit dem Studentenleben, mit dem Erwachsenwerden. Und wenn nicht? Dann hält „Nui“ dem Fast-Fashion-Fieber weiter entgegen: mit fairer, nachhaltig produzierter Mode von talentierten Jungdesignern.

Von: Valerie Präkelt

Wie Zuckerwatte


Alina Maria Birkner, 26, studiert an der Akademie der Bildenden Künste und gehört zu den talentiertesten Nachwuchskünstlern Münchens. Ihre Werke sind empfänglich für Assoziationen, Erinnerungen und Gefühle. Hipster-Kunst, könnte man meinen. Aber es steckt mehr dahinter. Längst verfolgen Kunstsammler ihren Werdegang im Internet

Von Valerie Präkelt

Abstrakte Malerei und Quantenphysik passen auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammen. Beim Malen aber inspiriert die Wissenschaft Alina Maria Birkner, 26. „Ich höre fast immer Vorträge, während ich male,“ erzählt die Künstlerin im Münchner Offspace super+Centercourt. Hier, im kleinen Ausstellungsraum in der Türkenstraße, lehnen noch bis zum 21. Februar vier großformatige Malereien der Akademiestudentin an den weißen Wänden. „I am a rainbow, too“ heißt die am 8. Januar eröffnete Ausstellung, weil die aufgemalten Neonrahmen von links nach rechts betrachtet einen Regenbogen ergeben. Gefüllt werden die zwei mal 1,5 Meter großen Leinwände mit flimmernden Pastellfarben. Sie erinnern an einen farbenprächtigen Wolkenhimmel in warmem Licht, wärmer zumindest als das, was München dieser Tage zu bieten hat.

Alina Maria Birkners Malereien entführen in andere Welten. Das klingt kitschig – aber die abstrakten Malereien begeistern nicht nur am Vernissage-Abend zahlreiche Besucher, sondern auch am Tag darauf. Während des Interviews bleiben draußen immer wieder Menschen stehen, machen Fotos mit dem Smartphone oder stecken einen Ausstellungszettel ein. Der Raum, den das Künstlerkollektiv „super+“ seit Mai 2014 betreibt, war früher eine offene Passage, in den Sechzigerjahren verkleidete die Stadt sie mit Wänden, damit dort Obdachlose nicht mehr übernachten konnten.

Alinas Bilder sind durch die großen Schaufenster auch von außen gut zu sehen. Überhaupt hat es den Anschein, als könne Schwabing sich ihrer Kunst derzeit nicht entziehen: Nicht nur im super+Centercourt, sondern auch im Easy!Upstream (ebenfalls Türkenstraße) hängen Bilder der Künstlerin. In der Akademie wird sie vom 2. Februar an ausstellen; ein Fresko, das sie im Oktober 2015 gemeinsam mit ihrem Vater René Birkner für die Ausstellung des Möbeldesigners Konstantin Grcic malte, ist noch bis September 2016 in der Pinakothek der Moderne zu sehen.

Alina scheint ihr Talent von den Eltern geerbt zu haben. Ihr Vater René Birkner malt die großformatigen Kino-Plakate für die City Kinos und das Kino am Sendlinger Tor, Mutter Alicja Podgórska Birkner ist Bildhauerin und Designerin, der kleine Bruder Balletttänzer. Beste Voraussetzungen also für eine Künstlerkarriere: Mit 19 bewirbt Alina sich an der Akademie der Bildenden Künste in München und lernt fortan in der Klasse des französischen Malers Jean-Marc Bustamante. Damals überzeugte sie mit großformatigen Porträts, ihren eigenen Stil hat sie schließlich in der abstrakten Malerei gefunden. „Ich muss zugeben, dass ich das meiste nicht an der Akademie, sondern von meinen Eltern gelernt habe“, sagt Alina, die ihr Studium im Februar abschließt. Was kommt danach? Eine Residency, also ein Künstlerstipendium in einer anderen Stadt oder einem anderen Land, wäre toll. „Am liebsten in Amerika.“ Aber für eine Residency muss man gut sein. Richtig gut. Und: Künstler gibt es wie Sand am Meer.

Allerdings übertreibt man nicht, wenn man behauptet, dass Alina Maria Birkner derzeit wohl zu den talentiertesten Nachwuchskünstlern Münchens gehört. Das hat mehrere Gründe: Alina verleiht der immer wieder totgesagten Malerei ein frisches, hippes Gesicht. Mit einer scheinbaren Leichtigkeit spielt sie mit Farben und Licht. Rosali Wiesheu, Kuratorin im super+Centercourt, erinnern Alinas Arbeiten, wie sie sagt, „an Zuckerwatte, die sich im Mund auflöst“. Das zeigt, wie empfänglich Alinas Kunst für Assoziationen, Erinnerungen, und Gefühle ist. Hipster-Kunst, könnte man meinen. Aber es steckt mehr dahinter.
In Alinas Arbeiten kann man sich verlieren. Am besten lässt sich das mit einem Phänomen erklären, dass man von Mark Rothko, dem Wegbereiter der Farbfeldmalerei, kennt. Von Rothkos besten Bildern sagt man, dass die Farben schimmern, wenn man sie länger betrachtet, der Betrachter tauche dann ganz in das Bild ein.

Darin steckt auch Alinas Magie, von der sich die Gäste der Vernissage gerne mitreißen lassen. Die enge Atmosphäre des Raums führt dazu, dass Fremde plötzlich miteinander über Kunst diskutieren, ganz, als wären sie auf der Ausstellung eines Starkünstlers. Es zeigt, wie ernst die Künstlerin mit den langen, braunen Haaren bereits genommen wird – auch von Menschen, die keine großen Kunstkäufer sind und vielleicht auch nie zu solchen werden. Dabei geht es Alina in der aktuellen Ausstellung nicht darum, Bilder zu verkaufen. „Aber wenn es so wäre, würde ich natürlich nicht nein sagen“, sagt sie und lacht. Es ist einer der Punkte, den die junge Malerin – wie übrigens viele andere Akademiestudenten – an der elitären Ausbildung kritisiert: Zwar feilt man an Technik und Intellekt, aber über den Markt wird nicht gesprochen. Dabei müssen junge Künstler ihr Leben, vor allem in einer teuren Stadt wie München, finanzieren können. Und zwar am besten von ihren Kunstwerken und nicht von einem 450-Euro-Aushilfsjob.

“Auf Instagram folgen ihr
fast 7000 Menschen, beobachten
ihre Arbeiten, ihre Entwicklung”

Die großformatigen Bilder, die Alina im super+Centercourt zeigt, kosten 5900 Euro. Das erzählt die Künstlerin ganz offen, wendet aber auch hastig ein, dass der Preis auf Grund der Größe deutlich höher ist als etwa signierte und limitierte Prints, die sie bereits ab 160 Euro verkauft. Über das Internet hat sie davon schon zahlreiche in die ganze Welt verschickt, unter anderem nach Amerika und Neuseeland. Der Ort, an dem sich internationale Künstler und Kuratoren, Galeristen und Sammler vernetzen können, ist Alinas Marktplatz. Vorerst zumindest, solange sie noch nicht von einer Galerie vertreten wird.

Alina gehört zu der Generation der Künstler, die Plattformen wie Instagram gezielt für die Vermarktung ihrer Arbeit nutzen. Auf Instagram folgen ihr fast 7000 Menschen; beobachten ihre neuesten Arbeiten, ihre Inspirationen, ihre Entwicklung. 7000 Follower mag in Zeiten, in denen Beauty- und Modeblogger mit ihren Accounts ein Millionenpublikum erreichen, nicht nach allzu viel klingen. Aber Alina folgen Szeneberühmtheiten, bei denen zahlreiche Galeristen und Künstler vor Neid erblassen würden.

 Da wäre zum Beispiel Simon de Pury. Kunstsammler und Auktionshausgründer – schwerreich, versteht sich. In der Kunstwelt gibt so jemand den Ton an. Oder Stefan Simchowitz, Supersammler aus Südafrika, der in der Kritik steht, bei jungen Künstlern die Preise gezielt nach oben zu treiben. Dass diese internationalen Player wissen, wer Alina Birkner ist, gilt als ein ziemlich großes Kompliment. Abheben lässt das die Münchnerin, die man meist nur gut gelaunt erlebt, nicht. Sie bleibt entspannt, lässt „die Zukunft auf mich zukommen.“ Ganz wie der berühmte Quantenphysiker Albert Einstein einst sagte: „Ich sorge mich nie um die Zukunft. Sie kommt früh genug.“

Copyright: Courtesy of the artist

Foto: Korbinian Vogt

Großes Format

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Vom kuschelnden Schauspieler bis zum ehrgeizigen Rapper, von der gemeinnützigen Studentenorganisation bis zur sozialen Modedesignerin: Diese jungen Menschen sorgen 2016 dafür, dass München bunt, spannend und lebenswert bleibt.

Foto: Amelie Satzger

Jede Woche treffen wir auf junge Münchner, die München zu „unserem“ München machen: zu einer spannenden Stadt, die man erst kennt, wenn man ihre Macher kennen und schätzen lernt. Wer diese Stadt im kommenden Jahr bunter und lebenswerter macht? Wir wissen es nicht. Und wagen trotzdem einen Ausblick: Münchens junge Leute 2016.

Leonard Hohm
Schauspieler

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Es gibt Menschen, die kennt man nicht, und doch ist man vertraut mit ihnen. Genauer gesagt: mit ihren Stimmen. Leonard Hohm, 25, ist einer von ihnen. Der Schauspieler ist wirklich sehr häufig zu hören. Er spricht Werbung für Firmen wie Sony oder Bosch, synchronisiert Serienfiguren und hat zig Hörbücher eingelesen. „Sprechen kann zum Sport werden, da wir unter starkem Zeitdruck arbeiten“, sagt Leonard. Nebenher spielt er noch Theater. 2016 sind neben einem Theaterprojekt auch weitere Hörbücher geplant: „Ich liebe die Arbeit im Studio und spiele gerne mit meiner Stimme. Aber was schon nervt: Wenn deine Freundin dann abends sagt: Lass mal nicht kuscheln, lies mir lieber was vor!“

Foto: Yunus Hutterer

Amelie Satzger
Fotografin

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Irgendwie kommt sie aus einer anderen Welt. Wenn Amelie Satzger, 20, sich selbst fotografiert, dann sieht sie aus wie eine Fee, manchmal auch wie eine Gottheit aus dem antiken Griechenland. Es sind jene mythologisch angehauchten Selbstporträts, die die Fotografin erfolgreich machen. Angefangen hat das auf der Nordseeinsel Föhr: Familienurlaub mit den Eltern. Irgendwie langweilig. Also hat Amelie, damals 19, ihre Kamera genommen und die Fotos dann auf Instagram gepostet. Die Bilder kamen an: Innerhalb weniger Wochen hatte sie mehrere Tausend Follower, auf der Fotoplattform 500px sind es mittlerweile mehr als 19 000. Amelie studiert Fotodesign an der Hochschule München. 2016 werden Amelies Selbstporträts auf der Kunstmesse Stroke zu sehen sein. 

Foto: Amelie Satzger

Bianca Kennedy
Künstlerin

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Bianca Kennedy taucht ab. Die 26-Jährige, die Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste München studiert, widmet sich derzeit der Badewanne. „Das ist für mich ein ganz besonderer Ort“, sagt Bianca, denn dort würden Klassenunterschiede aufgehoben. Wer in die Badewanne geht, ist nicht arm oder reich, der ist für einen Moment lang befreit von seiner eigenen Geschichte. Abtauchen, die Füße übers Wasser gleiten lassen und sich dabei vorstellen, man habe gerade einen Wal in den Wellen entdeckt, so ist das zumindest in Biancas filmischer Arbeit „Sonar Sounds“. Die junge Künstlerin hat in den vergangenen Monaten mehr als 200 Badeszenen aus berühmten Filmen gesammelt, die sie in der Videoinstallation „We are all in this together“ miteinander verbindet. Parallel arbeitet sie mit ihrem Freund Felix Kraus an einer Filmtrilogie, die das Leben von Mensch-Tier-Pflanze-Pilz-Hybriden in einer fernen Zukunft imaginiert.

Foto: Adrienne Meister 

Sophia Klink
Literatin

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Wenn Sophia Klink Texte schreibt, spielt die Natur darin eine große Rolle. Die 22-Jährige versucht in ihrer Prosa die Dinge zu verarbeiten, die sie aus ihrem Biologiestudium kennt: „Ich wollte einfach zeigen, wie toll diese Welt ist. Es weiß zum Beispiel kaum einer, dass Regenwürmer zehn Herzen haben.“ Die Natur wird bei ihr zum Reibungspunkt für die Sehnsucht ihrer Figuren nach Ruhe abseits der Stadt. 2015 hat Sophia das Literaturstipendium der Stadt München erhalten, das Autoren ein Arbeiten frei von finanziellem Druck ermöglichen soll. Gefördert wurde ihr Romanprojekt „Luftunterfläche“, dessen Erstfassung demnächst fertig werden soll. Sophia Klink liest am 15. Januar 2016 im Keller der kleinen Künste.

Foto: Thomas Freimuth

Florian Kamhuber
und Fabian Halbig

Filmemacher

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Es darf gelacht werden: Florian Kamhuber, 25, und Fabian Halbig, 23, produzieren mit ihrer Filmfirma „Nordpolaris“ Stoffe, die den Zuschauer mit intelligentem Humor unterhalten sollen. Vergangenen Sommer haben die beiden ihren ersten Langspielfilm produziert, der 2016 Premiere feiert: Die Tragikomödie „Dinky Sinky“ (Regie: Mareille Klein) erzählt die Geschichte einer Sportlehrerin, die unbedingt schwanger werden will. Die Hauptrolle übernahm Residenztheater-Schauspielerin Katrin Röver, der Film-Fernseh-Fonds Bayern förderte das Projekt mit 50 000 Euro. Für das kommende Jahr sind bereits viele neue Projekte geplant: Die beiden produzieren eine Sitcom, die die Männerdomäne Baumarkt ironisch aufbricht, und Fabian, Schlagzeuger der Killerpilze, bringt mit seiner Band ein neues Album heraus.

Foto: Vera Brückner

Alexander Hoffmann
Veranstalter von „Cook and Code“

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Die ersten Schritte in der IT-Welt will Alexander Hoffmann Anfängern in seinem Projekt „Cook and Code“ vereinfachen. Der 27-Jährige organisiert Veranstaltungen, bei denen Experten und Neulinge zusammenkommen und in lockerer Atmosphäre ihr IT-Wissen auffrischen können – zum Beispiel wird auch zusammen gekocht. Für das Jahr 2016 hat sich Alexander eine Menge vorgenommen: „Beim Social Hackathon am 23. Januar werden sich drei bis vier soziale Projekte vorstellen, die ein bestimmtes Problem mit ihrer Website haben“, sagt Alexander. Über einen ganzen Tag hinweg versuchen sich die Teilnehmer an einer Lösung für diese Probleme.

Foto: privat

Hannah Klose
Netzwerkerin

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Netzwerkerin Hannah Klose, 24, bringt Menschen zusammen. Zum Beispiel als Vorstandsmitglied des Projekts „Rock Your Life“, das Hauptschülern Mentoren an die Seite stellt, um den Übergang ins Berufsleben zu erleichtern. Aber auch darüberhinaus hat sie 2016 viel vor: Hannah organisiert die Intrapreneurship Conference 2016 in München mit und stellt als Heartleaders-Botschafterin Veranstaltungen rund um wertschätzende Kommunikation in der Arbeitswelt auf die Beine. Außerdem holt sie bei 12min.me einmal im Monat Sprecher für Vorträge zu Business-Themen auf die Bühne – in lockerer Atmosphäre und strenger Zwölf-Minuten-Taktung. Wo Hannah Menschen verbindet, ist das Ziel meist dasselbe: Statt Ellbogenmentalität soll Arbeit Raum für Innovation, Erfüllung und Potenziale bieten.

Foto: mantro.net

Alina Birkner
Malerin

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Ist Malerei nun in oder out, hip oder verstaubt? Immer wieder wird ihr in der Kunst der Tod prophezeit. Davon lässt sich Alina Birkner, 26, nicht beeindrucken. Die Malerin studiert an der Akademie der Bildenden Künste und schließt ihr Diplom im Februar ab. Alina pinselt mit Acryl geometrische Formen in Pastellfarben auf eine nasse, meist großformatige Leinwand. Ihr Können stößt auf so viel Begeisterung, dass sie im Oktober 2015 gemeinsam mit ihrem Vater René Birkner, der eigentlich Filmplakate gestaltet, ein riesiges Fresko für die Ausstellung des Möbeldesigners Konstantin Grcic in der Pinakothek der Moderne malen durfte. 2016 steht aber erst einmal die eigene, abstraktere Kunst auf dem Plan: zum Beispiel im Münchner Centercourt, wo Alina von Januar an vier großformatige Arbeiten zeigt.

Foto: Korbinian Vogt 

Lux
Rapper

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Es gab schon schlechtere Zeiten für Hip-Hop aus München. Edgar Wasser wird bundesweit gefeiert, Fatoni ist dieses Jahr mit seinem Album „Yo Picasso“ durch die Decke gegangen. Und München hat noch mehr Talente parat. Zum Beispiel Lukas Eichhammer, 25, alias Lux. Der Musiker hat 2015 das erste Album veröffentlicht, tourte mit Kumpel Edgar Wasser durch Deutschland. „Ich habe Blut geleckt“, resümiert er. Schon als Kind zieht es Lukas auf die Bühne: Er spielt im Residenztheater und eine Hauptrolle im Kinofilm der Kinderreihe „TKKG“. Mit 16 beginnt er zu rappen, 2012 kommt die erste EP. Lukas wird nächstes Jahr 26. Zehn Jahre Lux – Zeit, erwachsen zu werden? Ja. Deshalb kommt im Frühjahr eine neue EP und mit ihr ein neuer Lux. Es geht um Zukunftsängste, ums Rumhängen und Älterwerden – ganz genau weiß Lukas das auch nicht. Er rappt: „Ich bin nicht Lux, nur sein Synchronsprecher.“

Foto: Nils Schwarz


Mercedes Diaz de Leon
Mode-Designerin

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Es ist keine einfache Angelegenheit, dem Massenkonsum den Rücken zu kehren – vor allem nicht, wenn es um Mode geht. Mercedes Diaz de Leon, 28, hat es trotzdem versucht: Im Sommer eröffnete sie den „Nui Conceptstore“ in Neuhausen, der ausschließlich fair produzierte Mode von deutschen Jungdesignern und ihr eigenes Label Nui verkauft. Die gebürtige Mexikanerin, die in Deutschland aufgewachsen ist, hat ihr Handwerk an der Meisterschule für Mode in München gelernt. Nach dem Abschluss war sie ernüchtert: Alle tragen das Gleiche, kaufen bei großen Ketten Stücke, die nach kürzester Zeit im Schrank verstauben. Mercedes’ Laden ist keine Revolution. Aber ein Schritt in die richtige Richtung: eine Verkaufsplattform für talentierte Jungdesigner, die nachhaltig, lokal und fair produzieren und für den Modeliebhaber sonst allenfalls über Plattformen wie Dawanda erreichbar wären.

Foto: privat

Equalhats
Gemeinnütziges Studentenprojekt

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Sechs junge Münchner Studenten haben die Mütze zu einem Symbol der Solidarität erhoben. Ihr Motto: „Mache einen fremden Namen zu deinem.“ Auf den Mützen stehen Namen. Namen von Flüchtlingen, die bereits in Deutschland angekommen sind. Über den Namen wird das Gleichheitszeichen eingestickt. So setzt jeder mit der Mütze ein Statement. Bisher sind circa 400 Mützen verkauft und 2500 Euro eingenommen. Neben dem Studium ist oft zu wenig Zeit, aber für die nächsten Semesterferien plant das Team von Equalheads einen Sommerersatz für die Mütze zu finden. „Wir wollen auf jeden Fall weitermachen“, sagt Pauline Kargruber, Mitbegründerin des gemeinnützigen Studentenprojekts Equalhats. Die Mützen werden fair und im Inland produziert, alle Erträge gehen an die Aktion „Deutschland hilft“. Welcher Name auf der Mütze steht, ist nicht wichtig, man erfährt es auch nicht vorher. Das Zeichen, das man setzt, zählt.

Foto: privat

Nalan381
Hipster-Pop

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Es ist zuletzt gut gelaufen für das experimentelle Duo Nalan381. „Sie sind gekommen, um München ein bisschen mehr Sex einzuhauchen“, schrieb etwa der Bayerische Rundfunk. Und auch die SZ hat sich nicht zurückgehalten mit Lob: „Ätherische Töne mit hauchenden, hallenden, klagenden Stimmen, die verlaufen wie Wimperntusche im Swimmingpool.“ Nicht zuletzt deswegen haben Nikolaus Graf aka Nik Le Clap und Nalan Karacagil große Pläne für 2016. Die Findungsphase ihrer Musik ist abgeschlossen, im kommenden Jahr wollen sie mit einer neuen Platte über die Münchner Bühnen hinauswachsen. Ein Konzert in Berlin ist fix, sogar noch vor der Release ihrer Platte am 13. April in der Münchner Bar „Unterdeck“. Ihrem Indie-R ’n’ B bleiben sie treu, „aber der Sound wird interessanter, weil wir ja jetzt wissen, wie der andere tickt“, sagt Nik.

Foto: Rosanna Graf

Autoren: Carolina Heberling, Matthias Kirsch, Susanne Krause, Jennifer Lichnau, Valerie Präkelt