In der Reihe „Unikate“ stellen wir in loser Folge Studentinnen und Studenten vor, die spannende Abschlussarbeiten geschrieben haben. Diesmal: Elaine Goldberg untersucht, wie wir uns auf Instagram inszenieren
Eine Yoga-Pose am Strand. Die süße Katze auf der Kuscheldecke. Der Ausflug in die Berge. Was wie eine Auflistung von Freizeitmomenten klingt, lässt sich wohl auch in den typischen Instagram-Feed übersetzen. Es sind Bilder, die jeder kennt und täglich sieht. Alles wird in einem Foto oder Video festgehalten. Ein ständiger Bilderfluss. Aber: Ist das wirklich real? Warum ist Instagram so präsent in unserem Leben? Wie beeinflusst uns das?
Mit diesen und ähnlichen Fragen hat sich Elaine Goldberg, 24, in ihrer Bachelorarbeit in Theaterwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität mit dem Titel „Vom imaginären Leben in der Spätmoderne – Wie technische Bilder die Realität beeinflussen“ auseinandergesetzt. Die Thematik ist so aktuell, dass ihre Arbeit letztes Jahr auch als Buch im Büchner-Verlag veröffentlicht wurde.
Die These ihrer Abschlussarbeit lautet: Bild und Realität haben den Platz im Leben, in der Wahrnehmung der Menschen getauscht. Zur Veranschaulichung nennt sie ein Beispiel: Tausende Touristen im Pariser Louvre, die alle versuchten, ein Foto von der Mona Lisa zu machen. „Es geht da nicht mehr um die Kunst an sich, sondern darum, zeigen zu können: Ich bin hier gewesen“, sagt Elaine. Bilder seien für Menschen wichtiger geworden als ihr reales, physisches Umfeld. Und hier nimmt die Plattform Instagram und ihre Beliebtheit bei jungen Menschen einen besonderen Stellenwert ein, auf den sich Elaine in ihrer Arbeit vorwiegend konzentriert. Sie hat sich dafür Profile von erfolgreichen Influencern wie Pamela Reif angesehen.
Doch nicht nur Influencer inszenieren sich, sondern eigentlich versucht jeder seine Realität abzubilden: „Ganz überspitzt gesagt, sind wir alle Kardashians: Wir erfahren uns alle nur dann als präsent, wenn wir im Netz aktiv sind“, sagt Elaine. Ich fotografiere, also bin ich? Elaine nennt noch ein Stichwort: instagrammability. Es beschreibt die Eigenschaft, Dinge oder Orte so auszuwählen und abzubilden, dass sie auf Instagram viele Likes bekommen – und dadurch auch das Verhalten beeinflussen.
Ein Jahr lang hat sich Elaine mit dieser Thematik befasst. „Die Bachelorarbeit hat mich sehr beschäftigt, und mich verändert. Zwar habe ich immer noch ein Instagram-Profil, ich habe die App aber mittlerweile von meinem Smartphone gelöscht und schaue nur noch manchmal über den Browser rein“, erzählt die 24-Jährige, die inzwischen für ihr Masterstudium nach Wien gezogen ist. Sie sagt, Instagram habe sie irgendwann einfach unglücklich gemacht.
Mit Theorien aus der Soziologie, dem Poststrukturalismus, der Phänomenologie und der Kunstwissenschaft untersuchte Elaine Goldberg den Bereich zwischen Bildern und dem wirklichen Leben. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es sich nicht um eine Dichotomie, also Zweiteilung von Bild und Realität handelt, sondern vielmehr eine Art Aufmerksamkeitsverschiebung stattfindet“, sagt sie. Die Aufmerksamkeit wandere vom realen Umfeld immer mehr in eine Bilderwelt. Doch in dieser Bilderwelt bleibt die Realität eine Virtualität, so lautet das Schlusswort ihrer Arbeit. Auf dem Cover ihrer Bachelorarbeit ist eine Menschenmenge abgebildet. Auf einem Konzert. Jeder Mensch hält ein Smartphone in die Höhe.
Von Ornella Cosenza