Foto: Privat

Enthüllt oder emanzipiert?

In der Reihe „Unikate“ stellen wir in loser Folge Studentinnen und Studenten vor, die spannende Abschlussarbeiten geschrieben haben. Dieses Mal: Alina Sophia Schiess untersuchte die Weiblichkeit in der Fotografie.

Der weibliche Körper ist ein beliebtes Bildmotiv. In der Werbung, in Social Media, Film und Fernsehen, in Malerei und auch in der Fotografie. Alina Sophia Schiess, 24, hat in ihrer Master-Arbeit in der Kunstgeschichte die „Konstruktion und Kanonisierung von Weiblichkeit in der Fotografie nach 2000“ untersucht. Ihren Master schloss sie dieses Jahr an der Ludwig-Maximilians Universität München ab. „Die Fotografie wird in unserem Leben immer wichtiger, doch in der Kunstgeschichte geht sie als Disziplin oft unter und ist nicht stark an den Universitäten vertreten – zumindest hier in Deutschland. In den USA ist man da weiter“, sagt Alina Sophia. Für ihre Master-Arbeit untersuchte sie „unzählige“ Fotografien und entwickelte fünf Konstruktionsmethoden der Weiblichkeit in der Fotografie: Enthüllung, Sexualisierung, Verkleidung, Variation und Emanzipation. Anschließend ordnete sie sieben Fotografen und deren Werk den
Kategorien zu.
„Wichtig ist für mich, verschiedene Blickwinkel auf Weiblichkeit nachzuvollziehen. Weiblichkeit ist nicht fix. Sie ist nicht fest definiert“, sagt Alina Sophia. Die Kategorie der „Enthüllung“ beschreibt sie folgendermaßen: „Die biologisch weiblich konnotierten, sichtbaren Körpermerkmale werden fotografisch abgebildet. Dabei steht das Nackt sein im Mittelpunkt und die naturgetreue Wiedergabe der Geschlechtsorgane, wobei ich mich hier auf das rein optisch bestimmbare, binäre, körperliche Geschlecht beschränke und nicht auf die innere Geschlechtsidentität.“
Nachvollzogen hat sie dies anhand der Fotografie von Ralph Gibson. Für die „Sexualisierung“ steht David La Chapelle. Hier werde nach Alina Sophia „die Weiblichkeit auf eine degradierende Weise mit Sexualität verknüpft und die Frau als Sexobjekt präsentiert.“ Für die „Emanzipation“ steht Ellen von Unwerth. „Im Gegensatz zu La Chapelle wird bei Unwerth das Bild einer starken, selbstbewussten Frau, die sich ihrer Reize bewusst ist und diese geschickt einsetzt, gezeigt.“ Für die „Verkleidung“ stehen Tim Walker und Nick Knight. Für die „Variation“ stehen die Werke von Peter Lindbergh und Mari Katayama. Am Ende ihrer Master-Arbeit zieht Alina Sophia den Schluss: Ihre Ergebnisse seien zwar umfassend, aber nicht abschließend. Und auch wenn „bei jeder Konstruktion gesellschaftliche Geschlechterzuschreibungen stabilisiert und festgeschrieben werden“, sehe sie „große Chancen für die Fotografie, das Bild von Weiblichkeit zukunftsorientiert zu erweitern und zu prägen“.
Von Tabitha Nagy