Ein Bier auf den Vermieter

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Vermieter können schwierig sein, vor allem wenn es geldgierige Investoren sind. So einen Vermieter hat Judith neuerdings. Der einzige Vorteil: Sie lernt endlich mal die Nachbarn kennen. Und die sind gar nicht so schlecht – immerhin besser als der neue Vermieter.

Als ihre Wohnung an einen Privatinvestor verkauft wird, feiern Judith und ihre WG eine Party. Es ist eine Abschiedsparty, Motto: „Die fetten Jahre sind vorbei.“ Die fetten Jahre, das war jene idyllische Zeit, in der die Wohnanlage noch von der Stadt gefördert wurde. Jetzt, wo der Häuserkomplex in privaten Händen ist, hält der gnadenlose Kapitalismus Einzug. Gleich im ersten Monat nach dem Verkauf wird die Miete so stark angehoben, wie es rechtlich erlaubt ist. Das ist eigentlich kein Grund zum Feiern, aber nun ja: Wenn man sich in München darauf versteift, nur positive Veränderungen der Wohnsituation zu feiern, wo bleibt denn dann der Spaß? Also, lieber noch ein Bier aufmachen!

Nun, einige Zeit später, liegt ein Bescheid über die Nebenkostennachzahlung im WG-Flur. Ein Grund zum Feiern also, eine Gartenparty würde sich ganz besonders anbieten. Denn: Der Eigentümer behauptet, dass er im vergangenen Jahr einen fünfstelligen Betrag für die Pflege der Gartenanlagen ausgegeben habe. Wenn man sich den versifften Brunnen und die paar Rasenflecken zwischen den Häusern anschaut, braucht man viel Phantasie, um sich auszumalen, wofür all das Geld draufgegangen sein soll. Kippt der Vermieter regelmäßig Champagner in das bemooste Brunnenbecken? Oder hat er einen Starfriseur engagiert, der jedes Rasenstück im Wochenrhythmus individuell frisiert?

Natürlich müssen Judith und ihre Mitbewohnerinnen den fünfstelligen Betrag für den Champagner-Brunnen nicht alleine bezahlen. Er wird auf die Parteien in ihrem und den angrenzenden Häusern verteilt – nur nach welchem System diese Verteilung erfolgt, bleibt dunkel. Auch nachdem Judith ihre Zahlungsforderungen mit denjenigen mehrerer Nachbarn verglichen hat, ist sie noch weit davon entfernt zu verstehen, warum jede Wohnung unterschiedlich viel hinblättern soll. Und auch wofür sie da eigentlich zahlen, konnten zahllose erhitzte Gespräche im Hausflur den Anwohnern nicht offenbaren.

In einem Punkt hat die Nebenkostenabrechnung jedoch Wunder gewirkt: Mit vielen Nachbarn, so Judith, hat sie dadurch zum ersten Mal gesprochen. Und während man sich im Haus sonst nur über einander beschwert hat, sind sich plötzlich alle einig. Von wegen: Der moderne Kapitalismus führe zur Vereinsamung des Menschen. Wäre das nicht Anlass für eine groß angelegte Hausparty?

Von Susanne Krause