Durch dick und dünn

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34 trifft 52: Verena Prechtl und Sophia Faßnacht bloggen über ihre Kleidergrößen und wollen damit Klischees und Tabus über Übergrößen brechen.

München – Das Prinzip des Fashion Blogs„The Skinny and the Curvy one“ ist ziemlich simpel: Die eine ist dick, die andere dünn, und darüber schreiben sie. Ein Konzept, das in der Fülle der Modeblogs einzigartig ist. Die jungen Frauen, die regelmäßig ihre Outfits auf der Plattform posten, sind die Münchnerinnen Verena Prechtl, 28, und Sophia Faßnacht, 26. Verena trägt Konfektionsgröße 52 – ihre langjährige Freundin Sophia Kleidergröße 34.

Gestartet haben die beiden Freundinnen mit einem gemeinsamen Instagram Account. „Wir kennen uns seitdem wir Teenager sind. Die ersten Partys, die ersten Schwärmereien. Wenn man so etwas zusammen durchgemacht hat, dann schweißt das zusammen“, sagt Sophia. Verena hatte damals die Idee. Auf ihre Bilder auf der Social Media Plattform wurden die Macherinnen von Blogger Bazaar aufmerksam und luden „the Skinny and the Curvy one“ zu ihrem ersten Bloggerflohmarkt in München zum Verkauf ein. „Danach war es klar, dass wir den Blog gründen. Wir haben so viel Zuspruch von den Mädels bekommen“, sagt Verena.

Seit zwei Jahren berichten die jungen Frauen nun aus ihrem Alltag. Bevor es auf eine Party geht, muss ein Foto vom Styling gemacht werden. Und bevor morgens gefrühstückt werden kann, wird der Avocado-Toast für das Foto arrangiert. „Unsere Freunde haben sich daran gewöhnt“, sagt Sophia und muss lachen. Sie hatte anfangs mehr Bedenken als Verena. Was ist mit dem Datenschutz, Privatsphäre und Narzissmus? Doch nach zwei Jahren ist nichts mehr von Sophias Befürchtungen geblieben. Ab und zu bekommen sie Mails von Lesern, die sie zum Beispiel an der Supermarktkasse gesehen haben. Mutige grüßen sie auch auf der Straße. Stalker oder unangenehme Begegnungen gab es bisher noch keine. Und übertriebene Selbstdarstellung? Regt ja nur zur genaueren Reflexion an.

Mit der Zeit werden die Blogeinträge immer privater und besonders Verena lässt den Blick in ihr Innerstes durchaus zu. „Ich habe einen dicken Bauch, ich habe Dehnungsstreifen und ich habe Dellen. Aber darüber spricht man nicht. Das will ich ändern“, sagt sie. Doch die Plus-Size Bloggerin war nicht immer so selbstsicher. Auf ihrem Blog berichtet sie von einem Erlebnis, als sie ein kurzes weißes Sommerkleid getragen hat. Besonders kurz war es, gemessen an den Hot Pants von Baden Württemberg, Rihanna und Co, nicht. Es endete knapp oberhalb ihres Knies. Auf dem Weg zur Uni sprach sie ein Mann an „Hast du keinen Spiegel daheim“, sagte er und ging weiter. Damals war Verena am Boden zerstört. Egal wie heiß der Sommer war, sie trug keine Kleider mehr.
 Als Plus-Size Bloggerin möchte sie jetzt ein Vorbild sein für die Frauen, die vielleicht auch ein paar Pfunde mehr auf die Waage bringen. „Ich habe ein Bikini Foto von mir gepostet. Unbearbeitet. Eben so wie ich bin. Und das Feedback der Leser war unglaublich. Ich habe so viel Selbstvertrauen gewonnen und stehe zu mir“, sagt Verena.

Trotz des gemeinsamen Blogs und Instagram Accounts, besitzen Sophia und Verena immer noch ihre privaten Kanäle. Mehr als 12 000 Follower verfolgen Verenas Fotos, mehr als 8000 Sophias. Und es werden täglich mehr. Ihr Blog erlangt immer mehr Bekanntheit und seit vier Monaten verdienen sie sogar ein bisschen Geld damit. Zahlen möchten die beiden nicht nennen, aber es sei ein gutes Taschengeld neben ihrem Medizinstudium, meint Sophia.
 Mit Gewichtsproblemen kennt die blonde Frau sich nicht aus. Sie ist 1,60 Meter groß, trägt Kleidergröße 34 und Schuhgröße 38. „Standardgrößen“, sagt sie selbst. Werden Sophia und Verena zur Kollektionsschau eingeladen, passt die Kleidung oft nur Sophia. „Übergrößenmode wurde sehr lange Zeit von Modedesignern stiefmütterlich behandelt. Frauen, die große Größen tragen mussten, wurden in wallende Zelte gesteckt, die alles verhüllen sollten, was nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprach“, sagt Modedesignerin des Allsize-Labels „mable“ Katja Heidrich. Sie spricht von einer Veränderung in der Modewelt, die durch den Trend der Plus-Size-Bloggerinnen ausgelöst worden ist. Fashion Blogger wie Verena nehmen in der Plus-Size-Bewegung eine wichtige Rolle ein. Sie posten Bilder von sich im Internet in trendigen Outfits, vollkommen egal, dass sie mehr Kurven als die Models in den Hochglanzzeitschriften aufweisen. Dabei entwickeln wie ein Stilgefühl, das der Modeindustrie nicht entgangen ist. Schritt für Schritt kommt es zu Veränderungen. Große Modeketten erweitern ihre Größenangebote oder fügen Übergrößenkollektionen ihrer regulären Kollektion hinzu.
 „The Skinny and the Curvy one“ steht genau für diesen Trend: „Wir wollen zeigen, dass Mode in allen Größen gut aussehen kann“, sagt Verena. „Dafür tragen wir zum Beispiel den gleichen Mantel und stylen ihn einmal auf skinny und dann einmal auf curvy.“

Stefanie Witterauf

Foto: Simon Mayr