Die Socken der anderen

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Umzüge machen selten Spaß. Denn bevor die Freude auf das Neue beginnen kann, muss das Alte erst noch hergerichtet werden. Schließlich ist die alte Wohnung die neue Behausung für jemand anderen – und leider auch umgekehrt. Eine wirklich tückische Austauschbeziehung…

Eine neue Wohnung ist ein neuer Anfang. So hell und leer und unbefleckt. Der Zauber so einer neuen Wohnung lenkt sogar von der Einsicht ab, dass die neue eigene Behausung fast immer auch die alte Behausung von irgendjemand anderem ist. Und dass man sich bei keiner Tätigkeit so gut im Pfuschen übt wie beim Ausziehen.
Am Tag der Zimmerübergabe schütte ich einen ganzen Eimer dreckiges Putzwasser über den Teppichboden. Dabei war gerade alles perfekt hergerichtet: Ich habe mit der billigsten Farbe auf den sichtbaren Wandstücken herumgepinselt. Ich habe die wackeligen Möbel mit Holzleim und Fugenmasse so präpariert, dass sie zumindest die nächsten drei Stunden nicht zusammenbrechen werden. Die Kulisse für die Abnahme durch die Vermieterin steht. Wären da nicht die fünf Liter Putzwasser auf dem Teppich. Eine Stunde später habe ich etwas gelernt: Wohnungsübergaben erfordern neben Pfuschen und Schauspielerei auch ein wenig Glück – die Vermieterin hat bei der Inspektion des Zimmers ihre Schuhe anbehalten. Und der Nachmieter? War sicher beeindruckt! Was so nach Putzmittel riecht, kann nur sauber sein.

Aber wer gerade umzieht, ist meist viel zu beschäftigt mit seinem neuen Anfang in schlecht geweißelten vier Wänden. Ziemlich gering ist da die Lust, sämtliche Spuren der bisherigen Existenz aus einer Wohnung zu tilgen, in der, selbst wenn sie leer ist, noch immer überall verstaubte Socken und Ladekabel auftauchen, deren zugehörigen Geräte man nie besessen hat. Aber dank gehetzter Last-Minute-Aufräum-und-Entsorgungsaktionen findet man für gewöhnlich nur manchmal hinter Schränken und in Kellerecken Lebenszeichen seiner Vormieter. Außer man zieht in eine alteingesessene WG. Dann findet man den Keller vor lauter alten Schränken nicht. Der Keller von Kathis neuer Wohngemeinschaft beherbergt Möbelstücke aus 13 Jahren WG-Geschichte, darunter auch einen Kühlschrank und ein massives Ledersofa. Ich bin ja überzeugt, dass man mit ein bisschen Spachtelmasse und weißer Farbe schon dafür hätte sorgen können, dass der ganze Krempel kaum mehr auffällt. Kathi ist dann aber doch für die Variante mit dem Wertstoffhof.

Von Susanne Krause