Die Chroniken von Fedralita

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Märchenhafte Bilder lässt Phaedra Richter, 27, auf ihrem Grafiktablett entstehen. In New York, Barcelona und Wien hat sie schon ausgestellt. Bald wird sie kreative Workshops für Münchner Studenten veranstalten.

Märchenhafte Figuren gleiten durch das Wasser. Alte Frauen blicken mit düsteren Gesichtern voller Traurigkeit. Die Charaktere muten mal bizarr und fremd an, mal strahlen sie Eleganz aus. Es sind mysteriöse Orte, an die einen die junge Künstlerin Phaedra Richter (Foto: Lorraine Hellwig) mit ihren Bildern nimmt. Ihre Kunstwerke sind der Spiegel ihres Lebens, eine Chronik der vergangenen Jahre. „Meine Kunst ist wie mein Tagebuch“, sagt sie, „meine Trennungen sind da drin, Menschen, die mich verletzt haben, meine glücklichen Momente, meine Familie, meine Freunde.“ Seit sechs Jahren arbeitet die 27-Jährige unter ihrem Künstlernamen Fedralita.

Ihre Kunstwerke sehen aus wie Aquarelle oder Ölmalereien. Tatsächlich sind all ihre Bilder auf einem Grafiktablett entstanden. Die Idee dazu kam Phaedra Richter während ihres Architekturstudiums. Statt die Grafikprogramme für Zeichnungen und Baupläne zu nutzen, experimentierte die Studentin lieber damit. „Ich wollte wissen wie die Effekte des Bildes entstehen, damit es aussieht, als wäre es gemalt.“

Diese Mischung aus digitaler Kunst und Malerei ist es, was Richters Bilder besonders macht. „Die verschiedenen Techniken, die in ihren Bildern sind, finde ich beeindruckend“, sagt Tommi Hallmann von der art:ig Galerie in München. Seit vier Jahren stellen er und seine Partnerin Chryssi Tsiaoussi Kunstwerke Richters in ihrer Galerie aus. „Phaedras Bilder führen in Traumwelten, sie sind märchenhaft“, sagt der 50-Jährige. Das spreche eine breite Kundschaft an.

Neben ihren Bildern hat die junge Künstlerin immer wieder kleinere Projekte nebenher. Seit fast zwei Jahren bietet sie ihre Kunstwerke ebenfalls als Wandtapete an. Sie designt Kleider, Schmuck und Taschen und arbeitet außerdem als Web-Designerin und Grafikerin.

Ihre Kunst gefällt auch international. In New York, Barcelona, Griechenland und Wien hat Phaedra Richter bereits ausgestellt. Dort, in der österreichischen Hauptstadt, ist die Tochter einer Griechin und eines Österreichers geboren. Auf der Insel Syros mitten im griechischen Archipel wächst sie auf, mit 18 Jahren zieht es sie für ihr Architekturstudium wieder nach Wien. Doch was sie sucht, findet sie nicht in der Architektur. Sie beginnt auf dem Grafiktablett zu malen und wechselt schließlich zum Kommunikationsdesign.

2009 zieht sie nach Berlin. Es scheint für sie der richtige Ort, um ihrem Traum endlich näher zu kommen, eine eigene Galerie aufzumachen. „Ich bin schließlich auch ein bisschen Griechin und ich liebe Städte, die nicht schlafen“, sagt Richter. In Prenzlauer Berg eröffnet sie ihre eigene Galerie. Neben ihren Bildern zeigt sie dort auch ihre Dekoartikel.

Drei Jahre lebt sie in der Hauptstadt, eine inspirierende Zeit. Aber Berlin ist ihr zu chaotisch, zu unruhig und zu unübersichtlich. Deshalb kommt sie nach München – auf der Suche nach Ruhe und Ordnung, die sie für sich und ihre Arbeit braucht. „In Berlin ist es sehr undefiniert, was Kunst ist. Alles ist zugelassen. Dabei verliert man den Überblick“, sagt Richter. Oft wird sie enttäuscht, wenn sie in Galerien geht oder zu neuen Ausstellungen. „In München dagegen ist alles schön definiert.“ Die Grafikdesignerin schätzt das Münchner Publikum, das meist ein tiefgründiges Interesse an der Kunst hat und ihr Feedback gibt. Dieses Feedback findet sie elementar für ihre Kunst. Mit ihren Bildern und ihrem Stil möchte sie Reaktionen hervorrufen. „Ich gebe etwas, damit sich die Leute ihre eigenen Gedanken machen“, sagt Phaedra Richter. So kommt es vor, dass sie zu ein und demselben Bild zehn verschiedene Geschichten hört. Was wirklich hinter den Werken steckt, erzählt sie allerdings nie. Der Betrachter bekommt nur eine Ahnung von „Fredalitas Welt“, wie ihre Ausstellungen meist heißen.

Die Kunst ist für die 27-Jährige wie eine Therapie. „Ich habe immer meine Kunst genutzt, um zu verstehen, was in mir vorgeht“, sagt Richter. Oft sitzt sie stunden- oder tagelang alleine in ihrer Wohnung und arbeitet an einem Bild. Eine sehr einsame Arbeit. Dass es vielen jungen Künstlern ähnlich geht, weiß sie.

Deshalb möchte sie demnächst Workshops zur digitalen Malerei für Grafik, Mode und Design leiten. Zwar werden solche bereits in München angeboten, allerdings jeweils nur für ein paar Tage und oft zu horrenden Preisen im vierstelligen Bereich. Richters Workshops hingegen sollen für die Studenten einmal die Woche begleitend neben dem Studium stattfinden und eine Kreativstation darstellen, in der sie ihre Ideen einbringen können und sich gegenseitig austauschen. „Durch digitale Malerei kann man Arbeiten personalisieren und die Studenten können sich dabei selber entdecken.“

Von der Skizze über das Layout bis hin zum textilen Design will sie den Studenten zeigen, wie digitale Malerei funktioniert und wie sie ihre künstlerischen Träume verwirklichen können. „Ich weiß noch aus meiner Zeit an der Universität, dass man im Studium die Dinge oft nur in der Theorie, aber nicht in der Praxis lernt“, erzählt Richter. „Ich wäre froh gewesen, wenn es mir damals jemand gezeigt hätte.“ Bis die Workshops beginnen, kann die 27-Jährige die Zeit noch nutzen, ein paar mehr träumerische Bilder zu malen. Denn ihre Kunstwerke sind wie die Stadt, in die sie vor kurzem gezogen ist: zeitlos schön. Jessica Christian

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