Den Swayze machen

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Mal ehrlich: Jeder junge Mensch ist auf der Suche. Nach Liebe. Nach einem Lebensabschnittsgefährten. Vielleicht nach einer Affäre. Das Problem: Sobald sich das Leben um mehr als nur eine Person dreht, wird es verzwickt – eine Kolumne über die Tücken der Partnersuche.

Ein schlechtes Gewissen hat schon so manchen zur Weißglut getrieben. Nele ist wütend auf ihren Freund Flo. Der macht gerade ein Auslandssemester in Spanien, während sie in Deutschland zur Berufsschule muss. Schlimme Zeiten. Bis auf vergangene Nacht. Da hatte sie einen Traum mit einem anderen Mann. Das ist natürlich Flos Schuld. Immerhin hat er sie hier für ein halbes Jahr sitzen lassen. Jetzt träumt sie von fremden Männern. Aber doch nur, weil sie sich nach etwas Nähe sehnt.

Normalerweise träumt Nele immer nur von Mord und Totschlag, erzählt sie. Vielleicht schaut sie sich zu viele Krimiserien im Fernsehen an. Sie zuckt mit den Schultern. Aber vergangene Nacht gab es keine Hinrichtung, keinen Kugelhagel. Vergangene Nacht gab es nur süße Umarmungen und ein Gefühl von Zusammengehörigkeit. Alles kein Problem, wenn sich diese Lieblichkeiten zwischen ihr und ihrem Freund abgespielt hätten. Aber ihr Freund war gar nicht da. Nur Chris. Den kennt sie aus der Arbeit. Flüchtig.

Bestimmt liegt es daran, dass Flo schon so lange weg ist, meint Nele. Ganz sicher. Außerdem sieht sie Chris jeden Tag, ihren Freund aber nur einmal die Woche auf dem Computerbildschirm, beim Video-Chat. Kein Wunder, dass sie sich da des Nächtens mit fremden Männern tröstet. Und wer weiß, von wem ihr Freund so träumt? Bestimmt besucht ihn jede Nacht eine rassige Señorita im Schlaf. Widerlich. Nele kann es sich genau vorstellen: Marisol, die heißblütige Salsa-Tänzerin aus Barcelona, grinst ihr frech ins Gesicht, während sie sich über ihren Freund hermacht: Erst wird getanzt wie bei Dirty Dancing, bevor er ihr den Swayze macht. Drecksack.

In ihrem Traum gab es das nicht. Kein Salsa, kein Sex. Nur Liebe. Und Chris. Vielleicht ist das ja aber auch das wirklich Schlimme daran. Es ging nicht einfach nur um Lust, es ging um Nähe, echte Gefühle. Vielleicht ist das noch viel verwerflicher als tausend Marisols. Neles Wut verfliegt langsam. Sie will nach Hause, Flo anrufen. Ob sie ihm von alledem erzählen wird, frage ich? Wohl eher nicht. Dafür wird sie heute Abend noch drei Krimiserien anschauen. Träume über Mord und Totschlag braucht sie wenigstens vor niemandem zu rechtfertigen.

Von Lisi Wasmer